Pioniere

15.10.2021

Sie sind zurück. Die Fachmessen. Ende September öffnete mit der Silmo Paris eine der größten und wichtigsten Messen für die augenoptische Branche wieder in gewohnten Sphären, was die vorhandene Fläche angeht. Die vorherige Ausgabe „Hors les murs“, Corona-bedingt verteilt auf mehrere Standorte in Frankreich, von denen eine Veranstaltung kurzfristig abgesagt wurde, zählt nicht so recht. 

Dieses Jahr standen dem Besucher zwei Messehallen zum Schauen und Staunen und den Ausstellern zum Anbieten und Zeigen zur Verfügung. Niemand hätte wohl erwartet, dass der Besucherandrang wie in Zeiten vor der Pandemie ausfällt. Und auch wenn sich die Veranstalter Mühe gegeben haben: das tat er auch nicht. Zumindest aber dem vorhandenen Fachpublikum war anzumerken, dass es wieder raus bzw. rein will in die Hallen mit emsigen Treiben und Trubel. Der Abstinenz der vergangenen Jahre möchte man den Mund-Nasen-Schutz förmlich entgegenrecken und sagen, „Beschlagene Brillengläser, schlechte Luft: Mit mir nicht mehr lange.“ Ein Lächeln und ein warmes Wort kamen aber auch, notgedrungen, durch die Maske hindurch an. 

Die Ferngebliebenen haben immer ihre guten Gründe, die in Paris sicherlich auch legitimiert waren durch vorhandene ­Beschränkungen, was die Reisefreiheit in Pandemie-Zeiten angeht und auch besonders die Quarantäne-Maßnahmen, die sich nicht jeder erlauben kann für ein paar Tage Messeaufenthalt im Ausland. Die Lücke der sonst üppig anwesenden asiatischen Vertreter sei hier erwähnt.

Dass es bei der Silmo luftiger mit teilweise großen Löchern inmitten der Messehallen zuging, lag aber auch an recht kurzfristigen Absagen von einigen größeren Fassungsherstellern. Hierauf wusste dann auch das Veranstalter-Team keine rechte Antwort. Kein Ersatz, keine ebenso kurzfristigen Umbauten waren drin. Ob es nun auch ein Stück weit bewusste Zurschaustellung der Absagen war, wäre pure Spekulation.

Die Brille & Co erhält 2022 einen neuen Namen: „Interlook“ nennt sich die Messe im Herzen des Ruhrpotts, Dortmund, und möchte sich augenscheinlich einen moderneren ­Anstrich verleihen. Vielleicht lockt auch das zur Januar-­Ausgabe wieder mehr Menschen an als Mitte September. So richtig zufrieden konnte man nur als Besucher sein, der reichlich Platz beim Flanieren hatte. In Gesprächen mit Ausstellern klang durch, dass die Veranstalter sich Mühe gegeben haben, und wenn die Besucher aber (jetzt noch) nicht kommen wollen, dann, kann man eben auch nichts dafür. So klingt wahrer Pioniergeist. Immer weiter, nach der einen Messe ist vor der anderen Messe.

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Das Wetter war natürlich atemberaubend und verleitete manch einen sicherlich zum Grillen an diesem Messewochenende. Das Fußball-Heimspiel am Sonntag einer meist in Gelb spielenden Truppe hätte wohl auch nicht unbedingt sein müssen, wenn es nach dem Veranstalter und den zahlenden Ausstellern geht. Wobei sowas ja sonst auch geklappt hat, und auch wieder klappen wird. 

Es sind eher die typischen Anlaufschwierigkeiten großer Veranstaltungen, dieses Mal nach Corona mit langen Kontaktbeschränkungen und ungewisser Planungsmöglichkeit. Man darf die genannten Messen also sicherlich zu den Pionieren zählen, die in solchen Zeiten vorangehen und Flagge zeigen. Weil sie im Auslaufen der Pandemie eine Veranstaltung auf die Beine stellen, wohlwissend dass es – noch – nicht wie vorher sein kann.

Die Opti versucht sich auch daran, mit der Zeit zu gehen und schon vor der Messe Fachpublikum und Industrie zusammenzubringen. Das neue Konzept nennt sich Opti Forum XT und ist eine Webinar-Reihe, die sich mit den aktuellen Buzzwords der Augenoptikwelt beschäftigt: Myopie-Management, Telemedizin – und immer wichtig – Zukunft. 

Um ganz andere Pioniere handelt es sich bei den von der Flutkatastrophe schwer gebeutelten Augenoptikern, die als Unternehmer vor der Frage stehen, wie sie nach dem völlig unvorhergesehenen Total-Crash wieder mit Sinn und Verstand geschäftlich auf die Beine kommen. Sie werden sich Gedanken machen müssen, und fachliche Beratung in Anspruch nehmen, wie und ob an einem fragilen Standort wieder aufgebaut wird, oder die beispiellose Krise als Chance gesehen wird, um mit langem Atem zukunftsfähiger woanders zurückzukommen. 

Wir haben mit drei Betrieben in NRW und Rheinland-Pfalz gesprochen, ihre Schilderungen der Flutkatastrophe lesen Sie ab Seite 16. Wir wünschen Optik Eberle, Meister Optic und ­Optik Stockhausen und allen weiteren Betroffenen, dass Sie aus dieser schwierigen Zeit schnell wieder zur Normalität kommen.

 

Daniel Groß, FOCUS-Redakteur

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