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Zwei Jahre nach dem Hochwasser

Bilder: Optik Eberle + Optik Stockhausen

Augenoptik-Betriebe und die Folgen der Flutkatastrophe

Vor genau zwei Jahren haben wir in unserer Oktober-Ausgabe über Augenoptiker berichtet, die massiv von der verheerenden Hochwasserkatastrophe betroffen waren. Damals sorgten starke, langanhaltende Regenfälle in Teilen Deutschlands – besonders in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz – für tragische Schicksalsschläge. Nun gaben uns zwei der Betriebe erneut einen Einblick in ihren ganz persönlichen Stand der Aufarbeitung. Ein Blick zurück und nach vorne zwei Jahre nach der Flut.

Optik Eberle in Bad Neuenahr-Ahrweiler, Rheinland-Pfalz

Wir führten das Gespräch mit Inhaberin Conny Hermann.

FOCUS: Zwei Jahre sind seit unserem Bericht vergangen. Wie geht es Ihnen heute?

Conny Hermann: Unser neuer Laden wird gut angenommen und wir sind zufrieden mit dem Neustart. Wir konnten vieles umsetzen und empfinden den Wiederaufbau beruflich als eine große Chance für unsere Ideen und Ziele.

Privat stecken wir noch immer mittendrin. Immerhin ist der Keller so weit, dass nach fast zwei Jahren die Waschmaschine aus unserem Familienbad wieder nach unten wandern
konnte und nicht weiter die Dusche blockiert. Aber Garten und Hof sind noch in einem erbärmlichen Zustand und so langsam nervt es. Aber wir gehörten zu den wenigen, die im eigenen Haus bleiben konnten und nicht in irgendwelchen Provisorien leben mussten. Trotzdem wäre es schön, auch zu Hause alle Baustellen abschließen zu können.

FOCUS: Konnten Sie Ihre Geschäftsräume wieder vollständig herstellen?

Conny Hermann: Wir hatten kurz vor der Flut ein neues Geschäftshaus gekauft, in das wir im November 2022 mit unserem Geschäft einziehen konnten. Bis dahin waren wir eineinhalb Jahre in Containern auf unserem Privatgrundstück untergebracht, mit der Werkstatt in unserer Küche und dem Wohnzimmer als Lager.

Durch die Flut war die Fassade unseres neuen Geschäftes stark beschädigt. Da sie unter Denkmalschutz steht, gestaltete sich der Wiederaufbau schwierig und zeitintensiv. Wir brauchten fast ein halbes Jahr zum Trocknen der Geschäftsräume, bevor wir überhaupt mit dem Aufbauen anfangen konnten.

Im November konnten wir dann in ein kernsaniertes Geschäftslokal einziehen. Zu unserer Freude ließ sich selbst die über 100 Jahre alte Holztreppe noch retten.

FOCUS: Gibt es materielle Schäden, die nicht beseitigt werden konnten?

Conny Hermann: In unseren Geschäftsräumen konnten
alle baulichen Schäden beseitigt werden. Viele Dinge, die sich in unserer über 40-jährigen Firmengeschichte angesammelt haben, sind vernichtet worden. Wenn man es positiv sehen will, so aufgeräumt wie jetzt waren unsere Werkstatt und das Büro noch nie.

Leider hatte ich bis zur Flut eine Kontaktlinsen-Handkartei. Da sind natürlich viele Informationen verloren gegangen. Aber meine Kunden helfen mir, die Lücken zu füllen.

FOCUS: Hatten Sie zwischenzeitlich auch mal den Gedanken, dass sich der Wiederaufbau nicht lohnt?

Conny Hermann: Nein, wir sind mit unserer Familie tief im Ahrtal verwurzelt. Das ist unsere Heimat. Und wir hatten und haben noch so viel vor. Dazu kam, dass wir die ganze Zeit bis zur Wiedereröffnung arbeiten konnten und so wirklich jeden Tag von unseren Kunden immer wieder unterstützt und
bestärkt wurden.

FOCUS: Was hat Sie aus heutiger Sicht im positiven Sinne am meisten bewegt?

Conny Hermann: Die große Hilfsbereitschaft, die wir erfahren durften, sei es von Freunden und Familie oder auch wildfremden Menschen. Und natürlich die Treue und Verbundenheit
unserer Kunden, ohne die wir zwischendurch sicherlich
den Mut verloren hätten.

FOCUS: Gab es negative Erfahrungen rund um den Wiederaufbau?

Conny Hermann: Handwerkermangel und bürokratische Hürden haben vieles schwieriger gemacht, als es eigentlich hätte sein können.

FOCUS: Welche Unterstützung haben Sie erhalten?

Conny Hermann: Wir wurden von vielen lieben Kollegen gewaltig unterstützt! Und hier im Ahrtal gab es den Helfer-Shuttle, der freiwillige Helfer an Hilfesuchende vermittelt hat. Ohne diese Helfer wären wir lange nicht so weit.

Unser Geschäft war nicht gegen Hochwasser versichert, Kometeneinschlag wäre versichert gewesen …  Wir konnten aber unsere Geschäftsausstattung bei der ISB-Bank geltend machen und bekamen so Geld aus dem Wiederaufbau-Fonds zur Wiederbeschaffung unserer Geräte.

FOCUS: Was bereitet Ihnen nach wie vor Sorge?

Conny Hermann: Das Ahrtal war bis zur Flut stark touristisch geprägt. Die Touristen kommen zwar wieder und wir freuen uns über gut besuchte Cafés und erfolgreiche Weinfeste, aber es wird noch ein langer Weg, bis wir wieder auf dem Vor-Flut-Niveau ankommen. Und das wirkt sich natürlich auf die Kaufkraft im Ahrtal und somit auf mein Geschäft aus.

FOCUS: Könnte sich solch ein Ereignis in dem Ausmaß wiederholen? Welche Vorsorge betreiben die Behörden? Haben Sie selber zusätzliche Schutzmaßnahmen rund um das Geschäft getroffen?

Conny Hermann: Leider könnte sich ein Hochwasser an der Ahr durchaus wiederholen, es gab ja in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder ähnliche Ereignisse an der Ahr. So sind wir hier im Tal angespannt, wenn es zu Unwettern kommt. Allerdings gehen wir nicht davon aus, dass sich eine Flut in dieser Dimension wie 2021 wiederholt.

An einem neuen Hochwasserkonzept wird auch zwei Jahre nach der Flut immer noch gearbeitet.

Wir haben für uns privat entschieden, den ursprünglichen Wohnkeller zukünftig anders zu nutzen und im Geschäft
sind jetzt alle Kundendaten in einer Cloud und nicht mehr nur auf dem Server. Viel mehr geht in einem denkmalgeschützten Haus kaum.

FOCUS: Wie geht es Ihrem Umfeld? Wie ist die Stimmung bei Kunden und Geschäftspartnern?

Conny Hermann: Viele unserer Kunden leben immer noch in Übergangslösungen, für viele gestaltet sich der Wiederaufbau schwierig. In Ahrweiler sieht man deutlich, dass in den letzten zwei Jahren viel geschafft wurde. Je weiter man die Ahr hochfährt, da ist das Tal enger, umso schlimmer sieht es noch aus. Da macht sich vielerorts Verzweiflung und Ungeduld breit. Aber grundsätzlich glaube ich, dass wir auf einem guten Weg sind. Viele neue Ideen werden umgesetzt und die Chancen des Wiederaufbaus als ein Neubeginn genutzt.

FOCUS: Ist die Infrastruktur wiederhergestellt? Sind andere Gewerbetreibende zurückgekehrt oder haben auch manche aufgegeben?

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Conny Hermann: Bisher ist wenig bis gar nichts an Straßen und Brücken passiert. Auch die unterirdischen Leitungen müssen an vielen Stellen noch instandgesetzt werden. Alleine unsere Tiefgarage vor Ort ist auf unabsehbare Zeit nicht zu nutzen. Das schafft große Parkplatzprobleme für Einwohner und Touristen.

Einige Geschäfte in der Ahrweiler Innenstadt haben wieder geöffnet, alle neu und modern. In einigen Betrieben ist der Generationswechsel vorgezogen worden, das bringt frischen Wind in die Altstadt. Leider haben aber noch viele Geschäfte geschlossen oder sind noch nicht neu vermietet.

FOCUS: Vielen Dank für das Gespräch. 

Optik Stockhausen in Stolberg, NRW

Wir führten das Gespräch mit Inhaber Michael Osthoff.

FOCUS: Zwei Jahre sind seit unserem Bericht vergangen. Wie geht es Ihnen heute?

Osthoff: Wir haben uns in unseren neuen Geschäftsräumen eingelebt und auch unsere Kunden haben den neuen Standort sehr gut aufgenommen. Natürlich kriegt man die Bilder dieser Tage nicht mehr aus dem Kopf, aber im Großen und Ganzen haben wir den Schock überwunden.

FOCUS: Konnten Sie Ihre Geschäftsräume wieder vollständig herstellen?

Osthoff: Nein. Wir hatten einen Monat nach dem Hochwasser die Möglichkeit, ein neues Lokal zu beziehen. Dort arbeiten wir bis heute und für die nächsten Jahre ist erstmal kein Wechsel vorgesehen. Das alte Ladenlokal ist leider bis heute noch im Zustand nach der Flut.

FOCUS: Gibt es materielle Schäden, die nicht beseitigt werden konnten?

Osthoff: Unser fest eingebautes und sämtliches freistehendes Mobiliar ist komplett zerstört worden, dazu auch unsere Refraktionseinheiten. Unsere Messgeräte (Topograf, Spaltlampe) waren zum Glück nicht aktiv, da wir diese zwecks Umbaus demontiert hatten.

FOCUS: Hatten Sie zwischenzeitlich auch mal den Gedanken, dass sich der Wiederaufbau nicht lohnt?

Osthoff: Natürlich hat man sich die ersten Tage gefragt, ob und wie man weitermachen möchte, aber uns war sehr schnell klar, dass wir all unsere Kräfte bündeln wollen, um wieder auf die Beine zu kommen. Allein schon für unsere Mitarbeiter und unseren jahrelang aufgebauten Kundenstamm.

FOCUS: Was hat Sie aus heutiger Sicht im positiven Sinne am meisten bewegt?

Osthoff: Definitiv die Hilfsbereitschaft der Menschen. Auch die Anteilnahme unserer Kollegen im Umkreis. Uns wurden die Räumlichkeiten unserer Mitbewerber angeboten, um dort unsere Kunden weiter betreuen zu können.

FOCUS: Gab es negative Erfahrungen rund um den Wiederaufbau?

Osthoff: Leider ja. In unserem Fall gab es einen Anbieter, der uns die beim Hochwasser abhandengekommenen bzw. beschädigten Fassungen in Rechnung stellen wollte. Hier war viel Geduld notwendig.

FOCUS: Welche Unterstützung haben Sie erhalten?

Osthoff: Es gab sehr viele fremde Helfer, die einfach die
Straße entlangkamen und ihre Hilfe anboten.

Ebenfalls haben wir für unseren Wiederaufbau Spenden von fernen Kollegen erhalten (Impressionist, DNEye-Scanner).

FOCUS: Was bereitet Ihnen nach wie vor Sorge?

Osthoff: Um ehrlich zu sein, nichts. Zumindest nichts, was uns als Optikerfachgeschäft betrifft. Wir sind sehr glücklich an unserem neuen Standort und dieser wird auch wie schon erwähnt gut von unseren Kunden aufgenommen.

Was uns aber beschäftigt, ist der Wiederaufbau der Innenstadt. Dort hat sich bedauerlicherweise ladentechnisch nicht sehr
viel getan. Leider stehen noch sehr viele Lokale leer und somit wirkt die Innenstadt noch immer sehr tot.

FOCUS: Könnte sich solch ein Ereignis in dem Ausmaß wiederholen? Welche Vorsorge betreiben die Behörden? Haben Sie selber zusätzliche Schutzmaßnahmen rund um das ­Geschäft getroffen?

Osthoff: Da unser neuer Standort weiter oben liegt – dort gab es keine Hochwasserschäden –, haben wir hier keine Maßnahmen vorgenommen. Wie es von Seiten der Behörden aussieht, dazu kann ich Ihnen leider nicht viel mitteilen.

FOCUS: Wie geht es Ihrem Umfeld? Wie ist die Stimmung bei Kunden und Geschäftspartnern?

Osthoff: Das Hochwasser 2021 ist natürlich immer wieder ­Gesprächsthema zwischen uns und unseren Kunden. Vor allem der Wiederaufbau der Innenstadt. Da sich dort nicht wirklich etwas tut, machen sich natürlich viele Menschen Sorgen, was in den nächsten Jahren aus der Stadt ­Stolberg wird.

FOCUS: Ist die Infrastruktur wiederhergestellt? Sind andere Gewerbetreibende zurückgekehrt oder haben auch manche aufgegeben?

Osthoff: Stand heute sind vielleicht eine Handvoll Gewerbe­treibender in die „alten“ Geschäftsräume zurückgekehrt. Leider stehen noch viele Ladenlokale leer. Auch müssen in den nächsten Jahren wieder alle Geh- und Fahrwege erneuert werden. Wir denken, dass es noch einige Jahre dauern wird, bis die Infrastruktur wieder Anlauf nimmt. Was sehr schade ist.

FOCUS: Vielen Dank für das Gespräch. 

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