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Ein voller Erfolg: MAFO – The Conference 2024

Treffen von Vertretern der Brillenglasindustrie in Mailand

Smarte Brillen, die blockstückfreie Bearbeitung von Brillengläsern, Myopie-Management, Beschichtungen aus dem 3D-Drucker oder Künstliche Intelligenz – das waren nur einige der Vortragsthemen, die die Teilnehmer in diesem Jahr auf der MAFO-Konferenz in Mailand erwarteten. Das abwechslungsreiche Programm hatte Besucher von allen Teilen der Welt angelockt und sorgte für ein Rekordhoch an Gästen.

90 Teilnehmer aus der weltweiten Brillenglasindustrie besuchten die diesjährige MAFO – The Conference in Mailand. Damit lagen die Besucherzahlen deutlich höher als in den letzten Jahren zuvor und viele Gäste äußerten sich begeistert über die spannenden Vortragsthemen und die angenehme Atmosphäre und Netzwerkmöglichkeiten vor Ort.

Der Treffpunkt für die Brillenglasindustrie in Europa

MAFO – The Conference wurde in diesem Jahr zum 22. Mal von MAFO (Manufacturers Forum), dem Schwestermagazin des FOCUS, veranstaltet. Der einzigartige Treffpunkt für die Brillenglasindustrie fand wie üblich einen Tag vor der Mido statt, in diesem Jahr am Freitag, den 2. Februar.

Vor Ort trafen sich Vertreter von Brilenglasherstellern aus der
ganzen Welt, ebenso wie Vertreter von Maschinenherstellern, Lens Designern, Software-Entwicklern und weitere Fachleute, die sich mit der Fertigung und/oder Entwicklung von Brillengläsern befassen und auf dem neusten Stand bleiben möchten.

Auf dem Messegelände ging es morgens mit einem Willkommensfrühstück los, bevor sich das Publikum im Konferenzsaal versammelte und gespannt auf den ersten Vortrag wartete. Dieser wurde von dem langjährigen Moderator Peter Baumbach eingeführt, der wie üblich unterhaltsam durch das Programm leitete und Dank seiner augenoptischen Expertise die Redner auch immer wieder mit spannenden Fragen herausforderte.

Baumbach ist Professor an der Hochschule Aalen. Er lehrt u.a. in den Bereichen geometrische Optik und technische Optik und ist ein gefragter Experte für die Berechnung von Brillenglasdesigns, der Analyse und Entwicklung von Patenten, der Analyse von Brillengläsern und vielem mehr.

Brillenglas-Analysen im Fahrsimulator

Sehr lebensnah begann es im ersten Vortrag mit Dr. Judith Ungewiß von der Hochschule Aalen zu dem Thema: „Psychophysical evaluation of optical lenses in the Aalen Mobility Perception and Exploration Lab (AMPEL)“.

Wie Brillenglas-Experten wissen, birgt besonders das Sehen im Auto und bei Nacht besondere Herausforderungen. Der Risikofaktor für Unfälle steigt bei Nachtfahrten deutlich – ein Aspekt, der bei der Entwicklung von Brillengläsern nicht vernachlässigt werden sollte.

Ungewiß stellte den Fahrsimulator der Universität vor, in dem das Sehen beim Fahren in einem Audi A4 mithilfe eines ­Monitors, Projektionseinheiten, Blendlichtquellen und vielem mehr, simuliert und analysiert wird.

Ungewiß erläuterte in ihrem Vortrag anschaulich, wie die psychophysischen Tests unter sehr realistischen Bedingungen durchgeführt werden, was die Vorteile sind aber auch wo eine Simulation an Grenzen stoßen kann. Und am Ende kommen auch der Spaß und Experimentierfreude im Fahr­simulator nicht zu kurz, wie Ungewiß schmunzelnd berichtet: „Wir erleben, dass die Leute gerne Dinge ausprobieren, die nicht erlaubt sind“.

Ist die blockstückfreie Brillenglasfertigung die Zukunft?

Seit wenigen Monaten ist der erste blockstückfreie Generator für die Bearbeitung von Freiformoberflächen auf dem Markt. Somit ist es kein Wunder, dass Glashersteller sich fragen, wie gut die neue Technologie funktioniert und welche Vor- und Nachteile sie birgt. Gut, dass zu diesem Thema gleich zwei Vortragende referierten, sodass die Thematik von allen Seiten beleuchtet wurde.

Es begann Stefano Sonzogni von MEI System mit dem Thema: „The block-free lens generation process – an effective step ahead in preserving the environment“.

Für Sonzogni liegen die Vorteile der neuen Technologie auf der Hand: Ohne Block braucht es kein Tape, keinen Block, kein Alloy, keinen Kleber und natürlich keinen Taper und keinen Blocker oder De-Blocker. Das ist nachhaltig, denn es spart Platz, Energie und ganze Prozessschritte. Außerdem betonte ­Sonzogni, dass zukünftig dünnere Brillenglas-Rohlinge verwendet werden könnten, sodass mehr als 60% Restmaterial vermieden werden könnte. 

Gleich darauf folgte Dr. Michael Kreis von Satisloh mit dem Thema: „Opportunities and challenges of blockless surfacing technology“. Der Maschinenhersteller Satisloh macht kein Geheimnis daraus, dass er ebenfalls an einem blockfreien Generator arbeitet. Dieser befindet sich noch im Entwicklungsstadium.

Kreis begann seinen Vortrag damit, welche Aufgaben das Blocken generell erfüllt. Beispielsweise den Rohling in sechs Freiheitsgraden zu positionieren und während der Bearbeitung und des Transports in Position zu halten.

Kreis betonte zudem das Ziel, dass der neue blockfreie Generator sich zu 100% in einer bestehenden Linie einfügen solle. Aufgrund der aktuellen Limitationen und Einschränkungen der Technologie, beispielsweise beim Arbeitsbereich, den Bearbeitungsmöglichkeiten stärkerer Kurven, der Materialauswahl, dem Durchsatz und mehr, sieht Kreis zwar enormes Potenzial der Technologie – doch ob sie je auf die gesamte Produktpalette von Brillengläsern angewendet werden kann, bleibe ungewiss.

Neue Daten: „Plug and produce and create benefit!“

Die Daten von Maschinen sind die Basis, um Industrie 4.0 bei den Glasherstellern umzusetzen. Doch um diese sinnvoll zu nutzen und weiterzuverwerten, braucht es Standards zwischen Glas- und Maschinenherstellern. Darum ging es im Vortrag von Dr. Jens Buergin und Heiko Schlump von Zeiss: „Connectivity as enabler for Industry 4.0“.

Für die beiden Experten ist das Motto für die Produktion klar: „Plug and produce and create benefit!“ Damit das funktioniert, müssen jedoch einige Gegebenheiten passen: Ein Schlagwort hier lautet „Connectivity“, diese ist die Basis, um einen Wert aus Daten zu generieren. Dafür braucht es Standards, an die sich bestenfalls Glas- und Maschinenhersteller halten.

Automatische kosmetische Inspektion

Jeder, der einmal bei einem Glashersteller war, hat sicher das Bild vor Augen, wie Mitarbeiter mit Argusaugen Brillengläser gegen das Licht halten, um jeden kleinsten Defekt zu finden. Zumindest bei größeren Herstellern könnte dieser Arbeitsschritt bald der Vergangenheit angehören. Denn seit Kurzem gibt es Maschinen, die eine automatische kosmetische Inspektion ermöglichen.

Dr. Marcel Mahner von Schneider erläuterte die neue Technik im Detail im Vortrag: „Empowering the ophthalmic industry with ArtificiaI Intelligence – new possibilities on the example of cosmetic inspection“.

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Dank Maschinen, die die kosmetische Inspektion übernehmen, sollen Mängel einfacher erkannt, besser klassifiziert und in der Folge sogar einfacher gänzlich vermieden werden können. Hier ging es darum, wie genau das funktioniert und welche Rolle Künstliche Intelligenz dabei spielt.

Noch nie dagewesen: Brillenglasbeschichtungen aus dem 3D-Drucker

Um eine ganz neue Technologie ging es im Vortrag „Going digital: How Additive Manufacturing (AM) will change the ophthalmic coating industry“ von Jonathan Jaglom vom Start-up flō.

Das Unternehmen arbeitet an Maschinen, mit denen beispielsweise photochrome Schichten oder Farben im 3D-Druck entstehen. Der Prozess soll sehr nachhaltig sein und erlaubt höchste Flexibilität, da quasi jedes gewünschte Design inklusive aller Farben aufgedruckt werden kann.

Ganz selbstbewusst berichtete Jaglom außerdem, dass in Zukunft möglichst alles am Brillenglas druckbar sein soll. Verheißungsvoll gab er bekannt: „Wir sind äußerst motiviert, auch Lösungen für Antireflexbeschichtungen zu finden. Aktuell testen wir den 3D-Druck von AR in zwei Richtungen“. Weitere Details hierzu konnten Jaglom jedoch nicht entlockt werden. 

Während der Pause versammelten sich die Gäste dann im angrenzenden Raum, um das Mittagessen zu genießen.
Danach ging es weiter mit zwei Blöcken, die sich rund um die Themen Brillenglasdesigns und smarte Brillen drehten.

Myopie-Management-Designs für jeden Glashersteller

José Miguel Cleva von IOT startete mit einem Vortrag über ein Myopie-Management-Design, das auch durch Studien in der EU verifiziert wurde: „Revolutionizing myopia management – a novel approach to treating children’s myopia“. Für Glashersteller ist das Design besonders spannend, da es hiermit keine Notwendigkeit gibt, ein Halbfabrikat einzukaufen. Die Brillengläser können im Freiformverfahren gefertigt werden.

Nach einer kurzen Einführung des allgemeinen Myopie-Problems erläuterte Cleva den theoretischen Hintergrund der Asymmetric Peripherial Defocus lens (MPDL), um im Anschluss auf die Studienergebnisse aus Europa einzugehen. Die Wirksamkeit des Brillenglasdesigns wurde in der ersten randomisierten Doppelblindstudie untersucht, die speziell in einer europäischen Population durchgeführt wurde. Nach einer Beobachtungszeit von 12 Monaten zeigte die Studie eine bemerkenswerte Reduzierung der Achsenlängenprogression um 39% im Vergleich zu Einstärkengläsern.

Künstliche Intelligenz für Brillenglasdesigns

Im nächsten Vortrag von Dr. Gaetano Volpe und Pasquale ­Fanelli von ProCrea Tech ging es ebenfalls um Lens Designs und wie diese mithilfe Künstlicher Intelligenz optimiert werden: „AI and neural networks in freeform lens design software“.

Nachdem die beiden Experten im ersten Schritt den Begriff Künstliche Intelligenz erläuterten und erklärten, was neuronale Netze und Machine Learning mit dem Thema zu tun haben, ging es im zweiten Schritt um die Integration von KI in Software für Brillenglasdesigns.

Fazit: Es ist möglich, einen KI-Algorithmus zu entwickeln, der dank eines neuronalen Netzes die Verwendung des besten Gleitsichtglases garantiert. Der Algorithmus zielt auf die Maximierung der Ausgangswerte (Kundenzufriedenheit) ab.
Die generative KI kann außerdem bei der Entwicklung von progressiven Freiformflächen eingesetzt werden.

Brillenglasberechung: Zurück zu den Wurzeln

Nach diesem Ausflug in die Zukunft ging es im nächsten Vortrag eher zurück zu den Wurzeln. Denn so schön die neuen Technologien auch sind – Fachkräfte sollten bestenfalls auch die Basisgrundlagen der Berechnung von Designs verstehen.

Mo Jalie von der University Ulster, der inzwischen seit Jahrzehnten Teil der Konferenz ist, sprach in seinem Vortrag über: „The minimum thickness of spectacle lenses“.

Schritt für Schritt für jeden zugänglich erläuterte Jalie in seiner gut verständlichen Art, wie man die Mindestdicke für eine bestimmte Dioptrienzahl berechnet, sodass das dünnste und leichteste Brillenglas in dem entsprechenden Mate­rial gefertigt werden kann.

Per Knopfdruck von Ferne zu Nähe

Die vorletzte Rednerin Varsenik Nersesyan von Morrow konnte leider durch Krankheit nicht persönlich an der Konferenz teilnehmen. Ihr Vortrag wurde per Videoliveschalte übertragen. Das dämpfte jedoch weder das Interesse der Teilnehmer am Vortrag noch das spannende Thema selbst: „Morrow Electronic glasses with active optics for vision correction“.

Es ging um elektronische Brillengläser, die per Knopfdruck den Brechwert ändern und sich somit zur Fern- und/oder Lesekorrektur nutzen lassen. Bisher gibt es die Brille ausschließlich in Belgien. Die mögliche Addition liegt bei 1 dpt. Sowohl der Vertrieb als auch die Höhe der Addition könnten jedoch in Zukunft erweitert werden. Für den weiteren Weg möchte das Unternehmen gerne mit der Brillenindustrie zusammenarbeiten, denn: „Wir wollen unsere Brillen nicht im MediaMarkt verkaufen, sondern bei Augenoptikern!“

Smarte Brillen dank präziser Wellenleiter-Bearbeitung

Im letzten Vortrag durften die Teilnehmer dann zum Abschluss noch in die Welt der AR-Glasses abtauchen. Mit dem Vortrag von Arved Kampe von 3D-Micromac wurde es zum Abschluss des Tages noch sehr technisch: „Shaping the future of eyewear: How to enable AR-glasses by laser cutting of high-index glass waveguides“, lautete der Vortragstitel.

Nach einer Einführung in AR-Glasses allgemein ging es speziell um die Bearbeitung des Wellenleiters. In einem gemeinsamen Projekt von Schott und 3D-Micromac arbeiten die Experten an einem vielversprechenden Ansatz für skalierbares Freiformschneiden von Glas mit hoher Festigkeit und Präzision.

Und nach so viel Technik, Innovationen und vielem Input mehr konnten die Teilnehmer alles Erlernte noch bei einem Abschluss-Cocktail sacken lassen oder sich einfach mit anderen Teilnehmern und Rednern in entspannter Atmosphäre austauschen, bevor es wieder zurück in die Hotels ging, um am nächsten Tag in alter Frische den ersten Tag der Mido zu erkunden.

Die nächste MAFO – The Conference findet am 7. Februar 2025 in Mailand statt – wie immer einen Tag vor der Mido. 

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