KI: Schöne neue Welt

Bild: Ewa/stock.adobe.com – generiert mit KI

Bei der Bildrecherche nutzen wir ab und zu das Angebot großer bekannter Bilddatenbanken. Eigentlich eine Garantie für saubere Fotokunst, hohe Qualität und Professionalität. Eigentlich. Seit geraumer Zeit hat auch hier die KI Einzug gehalten. Ohne eng gesetzte Parameter wird das schnell zur Lachnummer.

Ein schönes Motiv: Eine ältere Dame steht vor einer Brillenwand und greift lächelnd verzückt nach einer Brille. Die weißhaarige Dame trägt dezentes Make-up, ist gepflegt und sieht so aus, als habe es das Alter und die dafür nötige Rentenausstattung gut mit ihr gemeint. Man möchte sie einfach gernhaben. Eine Traum­kundin. Doch irgendetwas stimmt an dem Bild nicht. Bei ganz genauer Betrachtung fällt auf: Die Dame greift gar nicht in eine Brillenwand, sondern in etwas … Undefinierbares. Die Gegenstände sind in der Unschärfe der künstlichen „offenen Blende“ derart aus dem Fokus geraten, dass man sie nur erahnen kann. Es könnten auch Schuhe oder Geschenktüten sein. Das, was sie in der Hand hält, ist zwar eine Brille, doch diese sieht beim Reinzoomen so aus, als sei sie von einer Dampfwalze überfahren worden. Warum verflixt nochmal lächelt die Dame denn so verzückt?!

Ein anderes Beispiel: Auf der Suche nach einem guten Bild zum Wintersport bietet sich ein Bild an, das wie kein anderes den Traum vom Langlauf in den Bergen widerspiegelt: Durch eine üppig verschneite Winterlandschaft zieht eine Familie auf Skiern durch den Schnee. Der Sonnenstand ist im genau richtigen Winkel; man möchte schon beim Betrachten seine Sonnenbrille hervorholen. Doch dieses Wintermärchen ist buchstäblich nur ein Märchen – denn auch hier steckt der Teufel im Detail. Die Familie hat die Skier verkehrt herum angeschnallt: ihre Spitzen zeigen nach hinten, bergauf, aber die Personen gleiten durch die angedeutete Loipe bergab! Ein Kind hat nur ein Bein und zwei Erwachsene keine Schuhe. Auch der Schattenwurf der Personen passt nicht zum Stand der Sonne. Schlussendlich ist das Bild unrealistisch: Denn in welcher Welt gibt es Kinder, die gerne Langlaufen? 

Wer es etwas subtiler mag: Auf einer Anzeige lächelt uns eine junggebliebene Frau etwa Mitte vierzig an. Sie scheint mit sich und der Welt zufrieden zu sein. Der Wind hat ihre lockigen Haare etwas in Unordnung gebracht, aber das macht sie nur sympathischer. Bei genauer Betrachtung (mittlerweile haben wir in der Redaktion dafür einen Scanner-Blick) fällt auf: es stimmt was mit den Augen nicht. Sie sind identisch. Rechts und links gespiegelt. Samt der lustigen Lachfältchen. Einmal angefixt, schauen wir noch genauer hin. Wo zum Teufel ist die Tränenkarunkel? Es gibt keine. 

Auch bei Instrumenten gibt es Dinge, die sich nur eine KI ausdenken kann. Auf einem Bild bekommen wir ein fotografisch ansprechendes Motiv gezeigt. Doch was ist es nur? Es sieht aus, als hätte Frankenstein persönlich an eine Spaltlampe die Hälfte eines altmodischen Phoropters geschweißt. 

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Doch es geht auch anders: Werden Datenbanken mit einer genügend großen Anzahl von Bildern gesunder Augen erstellt, wird die KI schnell lernen, was normal und gesund ist und was nicht. Das geschieht aktuell bereits erfolgreich bei der Erkennung von diabetischer Retinopathie und okulärer Hypertension und funktioniert sehr zuverlässig. Offensichtlich erkennt die KI Anomalien besser als der Mensch (siehe S. 60)

KI-Systeme können allerdings nur Bekanntes mit Bekanntem vergleichen und erkennen. Wenn ein Patient eine seltene oder neuartige Augenerkrankung hat, kann die KI diese wahrscheinlich nicht erkennen. Mit dem Einsatz von KI ist daher auch eine Haftungsfrage verbunden und es wirft zudem ethische Fragen auf. Wie beispielweise die nach der Verantwortung für die Entscheidungen der KI-Algorithmen (siehe S. 30).

Bei einem Bild ist das etwas anderes. Hier erschafft die KI ­Bilderwelten, die nur so gut sind, wie seine Erschaffer sie mit Beschreibungen gefüttert haben. Vergleiche gibt es nicht, nur die Information der menschlichen Intelligenz, die die Rahmenbedingungen schafft. Oder zumindest, wie diese Bilder am Ende als gut befunden und schließlich angeboten werden. Dass es dabei ohne Fachwissen zu Monstrositäten wie oben beschrieben kommt, passiert nicht nur in unserem Fachbereich. Keine Sorge, wir haben das im Blick und mittels Filtereinstellungen lässt sich die KI komplett aus Fotos verbannen. 

Davon angestachelt haben wir ein Experiment gewagt: Unser Produktionsleiter und Verantwortlicher für das FOCUS-Design hat mit verschiedenen KI-Diensten eigene Brillendesigns entwerfen lassen. Natürlich hängt auch hier das Ergebnis ab vom „Prompting“, also der richtigen Aufgabenstellung an die KI. Lassen Sie sich in unserem Schwerpunkt Perspektive: Zukunft überraschen, welche Vorstellungen eine Künstliche Intelligenz vom Brillendesign der Zukunft hat (siehe S. 26).

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