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Ray-Ban Meta im Test

Bilder: Silke Sage

Die Eine für alles: was kann sie und was nicht?

Smart Glasses als Angebot für Jedermann gab es schon einige. Diese haben den Brillenmarkt jedoch nicht revolutioniert. Im Gegenteil: Entweder waren sie so abgehoben, dass sie niemand tragen wollte (z.B. Google Glass 2012) oder sie waren überfrachtet, viel zu klobig und schwer. Hinzu kam der Datenschutz, der ein Angebot geradezu unmöglich auf deutschem Boden machte. Einen Durchbruch auf breiter Ebene gab es bisher nicht. Das könnte nun anders werden: Die Ray-Ban Meta hat das Zeug, ihren Weg in den Mainstream zu finden. Das liegt nicht nur an den Features. Vor allem der Look, die Auswahl der Brillengläser und der Verbraucherpreis spielen hier eine große Rolle. Ein persönlicher Test von FOCUS-Chefredakteurin Silke Sage.

Der Look und Passform

Das Exemplar, das der FOCUS-Redaktion zur Verfügung stand, kam als Panto-Form (Modell Headliner) in einem Jeans-Blau. Als wirklich gelungen ist festzuhalten: Die Brille wirkt zunächst wie eine normale Sonnenbrille. Angenehm in der Haptik, schlank und unaufdringlich. Das Material ist gerade durchscheinend genug, um auf einen zweiten Blick das elektronische Innenleben der Bügel und des Mittelteils in Szene zu setzen. Das macht sie zu mehr als einem Gadget, nicht nur für Technikverliebte. Es ist eine harmonische Komposition aus Farbe und Elektronik.

Und nein, liebe Kollegen: Diese Brille lässt sich nicht anpassen. Versuchen Sie es auch nicht, denn weder Ventilette noch ein kräftiger Optikerdaumen tun den bis in die Spitze mit Technik vollgepackten Bügeln gut. Das muss es auch nicht, die Passform ist so voreingestellt, dass sie vielen Köpfen passen wird. Außerdem gibt es auch ein weiteres Modell (Wayfarer), das sogar in zwei Größen und somit auch in anderen Passformen daherkommt. Insgesamt sind die beiden Modelle aktuell in sieben Farben bzw. Kombinationen erhältlich, jeweils als Sonnenbrille, klar oder mit Transitions-Gläsern. Und darauf komme ich nochmal am Ende des Berichts zurück. 

Wer diese Brille trägt, wird keinesfalls als Gadget-Nerd angestarrt. Die Ray-Ban Meta bringt auf den Punkt, wie eine Smart-Brille aussehen sollte: möglichst wie eine ganz normale Sonnenbrille. Alle Mikrofone und Lautsprecher sind vollkommen unauffällig und subtil in die Fassung integriert. Nur bei genauem Hinsehen fällt die Technik auf – und selbstverständlich die Kameralinse und ihr identisch aussehendes LED-Gegenüber an der Stelle, wo sonst Ziernieten sitzen würden.  

Was macht sie smart?

Diese Sonnenbrille kann fotografieren, Videos aufzeichnen, livestreamen und lässt sich per Sprachsteuerung bedienen. Dazu lassen sich Inhalte von z.B. Spotify abspielen und außerdem freihändig telefonieren. 

Die Kamera erzeugt erstaunlich gute Bildergebnisse, sowohl bei den Fotos als auch bei den Videos. Wer manuell Bildmaterial aufnehmen möchte, kann am rechten oberen Brillenbügel in der Nähe des Scharniers eine längliche Taste fühlen. Einmal kurz geklickt und ein Foto wird aufgenommen, drückt man lange, wird eine Videosequenz von bis zu einer Minute aufgenommen. Alternativ lässt sie sich per Sprachsteuerung auslösen. 

Fünf Mikrofone sorgen für einen guten Videoton und lassen die eigene Stimme beim Gegenüber extrem natürlich klingen. Diese sind beidseitig in den Bügeln und in der Nasenauflage verbaut. Die Lautsprecher sind als „Open Ear-Kopfhörer“ konzipiert. Das hat beispielsweise den Vorteil, dass sich der Sound voll und qualitativ hochwertig anhört, aber die Ohren z.B. im Straßenverkehr oder für die Fragen der eigenen Kinder offen bleiben. Über ein Touchpad am rechten Brillenbügel funktioniert die Lautstärkeregelung und Anwahl von Audioinhalten. 

Das Equipment

Die Brille wird mit einem Etui geliefert, das auf den ersten Blick wie das klassische Ray-Ban-Etui aus der entsprechenden  Linie aussieht. Nimmt man es in die Hand, merkt man: es ist etwas schwerer und an der Stelle, an der sich sonst der Druckknopf-Verschluss befindet, befindet sich ein Magnetverschluss, der ein ringförmiges LED-Licht beinhaltet. Es dient als Indikator, um den Zustand und das Aufladen des Akkus visuell anzuzeigen. Beim Öffnen leuchtet er auf. Ist der Ladezustand voll, leuchtet es grün. Wenn es rot leuchtet, muss es aufgeladen werden. Gelb verweist auf mittleren Akkustand. 

Im unteren Teil des Etuis ist ein Akku integriert, der in der Lage ist, die Brille bis zu 8-mal aufzuladen. Dazu gibt es eine Halterung, die die Brillenfassung am Steg arretiert und sicherstellt, dass die Kontakte exakt zwischen Brille und Etui verbunden sind. 

Auf der unteren Außenseite ist ein unauffälliger USB-C-Anschluss zum Aufladen des Akkus angebracht, auf der Rückseite eine Taste für die Kopplung per Blutooth. 

Das erste Einrichten

Bevor es losgeht, müssen datentechnisch erst einmal die
Hosen heruntergelassen werden. Wer die Ray-Ban Meta vollumfänglich nutzen möchte und auch wirklich auf seine Kosten kommen möchte, muss die Meta-App herunterladen. Das Menü führt leicht verständlich durch diesen Vorgang. Dabei wird auch zur Nutzung der Sprachsteuerung das Mikro freigeschaltet. Wer die Sonnenbrille auch als Headset für die Telefonie einsetzen will, muss die Kontaktdaten freigeben. Außerdem ist für die Nutzung ein gültiger Meta-Account nötig. Wer also Facebook oder Instagram nicht ohnehin schon hat: Jetzt wäre der Zeitpunkt es einzurichten. Hier lohnt sich ein Blick in die Möglichkeiten, wie die eigenen Daten genutzt werden bzw. wie viel man davon preisgeben möchte. 

Historie, Daten und Datenschutz

Diese zweite Generation der Ray-Ban Smart Glasses ist seit dem 18. Oktober 2023 im Einzelhandel in autorisierten Regionen weltweit erhältlich. Die erste Generation Ray-Ban Stories war in Deutschland nicht erhältlich. Zu groß waren die Hürden des deutschen Datenschutzes. So wurde das Konzept überarbeitet. Auch und im Besonderen auf Hinblick des Schutzes der Privatsphäre anderer. Dazu hat die neue Version ausdrucksstarke LED-Leuchten erhalten, die einem möglichen Gegenüber signalisiert: Hier wird gerade aufgezeichnet. 

Dabei erscheint bei einer Fotoaufnahme ein kurzes weißes Blinken auf der gegenüberliegenden Seite der Kamera; bei einer Video-Aufzeichnung leuchtet das weiße Licht so lange, wie die Aufzeichnung läuft. Auch der Brillenträger bekommt analog dazu ein kleines Lichtsignal am rechten inneren ­Brillenrand. Das ist sehr hilfreich bei der Sprachsteuerung, um sicherzugehen, es wurde ausgelöst oder die Aufzeichnung läuft gerade, bzw. hat aufgehört. 

Außerdem informiert Meta beim Einrichten der Brille über Datenschutz und Bildrechte und bildet dies auch auf der
Produktseite ab.

Weitere Unterschiede zum Vorgängermodell: Statt einem gibt es nun 5 Mikrophone, statt 4 GB Speichervolumen sind es nun 32 GB. Somit lassen sich rund 500 Fotos und ca. 50 einminütige Videos speichern. Die Kamera hat statt 5 MP nun 12 MP. Die Software kommt mit wechselnden Lichtverhältnissen zudem sehr gut zurecht und bietet einen erstaunlich guten Dynamikumfang. 

Auch wenn es für manche Leute aktuell unangenehm erscheinen mag, jederzeit durch eine Brille des Gegenübers aufgenommen werden zu können, das LED-Signal der Ray-Ban Meta ist kaum zu übersehen. Mit einem Smartphone lässt sich hingegen ohne optische Warnungen viel leichter Bildmaterial anfertigen – und zwar ohne, dass ein Gegenüber etwas davon mitbekommen würde. 

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Wer nun meint, man könnte das LED-Licht abkleben und ­Voyeuren den Weg freimachen, liegt hier komplett falsch.
Ein eingebauter Sensor erkennt ein Abkleben oder Zuhalten und schaltet die Kamera erst gar nicht ein. Der Träger erhält eine Nachricht der Brille, die darüber informiert, dass sie so nicht auslösen kann.

Die Brille hat übrigens auch einen Ausschaltknopf am inneren linken Scharnierteil. Wer also sichergehen möchte, dass nicht versehentlich (wer Siri hat, weiß was ich meine) die Brille zum Leben erweckt wird, kann sie komplett aussschalten.

Akkulaufzeit

In unserem Test hat der Akku knapp 4 Stunden gehalten. Es war ein Mix aus Herbstspaziergängen mit Hund und der Einsatz auf der Party einer Hochzeit. Die Brille kam danach die ganze Woche gelegentlich zum Einsatz und der Akku im Etui musste nicht einmal neu aufgeladen werden. Laut Hersteller soll die Kapazität des Akkus 8 Ladezirkel ermöglichen und die Brille von 0 auf 100% in 75 Minuten wieder geladen sein. Für 50% braucht es angeblich nur gut 20 Minuten. Mir kam die Ladung etwas schneller vor, es liegen sicher Durchschnittswerte zugrunde und das Exemplar ist brandneu. Der im Etui verbaute Akku hat eine Kapazität von 36 Stunden Nutzung. 

Und sonst? 

Als leidenschaftliche Nutzerin einer GoPro kann ich mir vorstellen, dass die Actioncam, wenn man im Besitz dieser Brille ist, auch mal zu Hause bleiben könnte. Da die Aktionen jedoch meist im und auf dem Wasser stattfinden, hätte ich Sorge, dass die Brille einen Wasserschaden bekäme. Immerhin ist die Ray-Ban Meta mit einem Spritzwasserschutz ausgestattet, den wir natürlich nicht getestet haben, der laut Recherche aber bei einigen Nutzern schon zum Einsatz kam und die Brille trotz Sturz ins Wasser nicht beschädigt hat. 

Auf Nachfrage, wie die Brille für Fehlsichtige am besten zu verglasen sei, teilte uns EssilorLuxottica mit, dass die Ray-Ban Meta-Brillen auch mit Stärke in original Ray-Ban-Verglasung erhältlich sei. Die Auswahl an Einstärken- und Gleitsichtgläsern sei auf die Meta-Smart Glasses abgestimmt worden, einschließlich zusätzlicher Transitions und Sonnenschutzgläser in verschiedenen Farben. Der zulässige Korrektionsbereich für Brillen liege zwischen sph -6,00 dpt und +4,00 dpt Gesamtstärke. Erhältlich sind sie, indem Kunden ein komplettes Paar auf Ray-Ban.com oder über einen teilnehmenden Einzelhandelsstandort bestellen. „Bitte beachten Sie, dass die Herstellergarantie nur dann erhalten bleibt, wenn Sie Brillengläser bei einem in diesem Dokument aufgeführten zertifizierten Händler nachkaufen. Das Einsetzen von Gläsern in Ray-Ban Meta Smart Glasses bei einem zertifizierten Händler ist derzeit nicht verfügbar“, heißt es weiter.

Die Nachteile

Wer die Ray-Ban Meta mit polarisierenden Brillengläsern freudig erregt aus dem Etui holt, und nach dem Download der App sogleich aufgefordert wird, den Anweisungen auf dem Bildschirm des Smartphones (hier iPhone) zu folgen, wird erst mal einen kleinen Dämpfer erleben. 

Das Display erscheint über die normale Abdunklung bei der Nutzung einer Sonnenbrille deutlich dunkler, farbverfälscht und unregelmäßig. Dies wird hervorgerufen durch die Polarisation der hier verwendeten Brillengläser und ist, seit es Displays gibt, ein bekanntes Problem. 

Was am Tag bei Sonnenschein ein angenehmer Vorteil in vielen Sonnenbrillen ist, erscheint hier an einem verregneten Tag im Spätherbst eher hinderlich. Hinzu kommt bei mir als Testerin die Presbyopie, die mit getönten Brillengläsern plus Polarisation durch die weitgestellten Pupillen zur vollen Blüte kommt. Ein Einrichten der Brille wäre so äußerst schwierig. Um aber zu testen, ob die Brille mit der Software verbunden ist, das akustische Signal hörbar ist, und um den Anweisungen am Smartphone weiter zu folgen, saß die Chefredakteurin einer Augenoptikerzeitschrift minutenlang mit Gleit­­sicht­­brille samt Ray-Ban Meta auf der Nase am Schreibtisch. Aber das hat zum Glück keiner gesehen.

Da wir bekanntermaßen nicht im sonnigen Kalifornien sind oder auf der südlichen Hemisphäre verweilen, wir die Brille aber durchtesten möchten, stellt uns das vor ein paar Herausforderungen: Die Tageszeit, an der die Sonnenbrille überhaupt zum Einsatz kommen kann, ist sehr begrenzt. Hinzu kommt regnerisches Wetter, bei dem jeglicher Einsatz einer Sonnenbrille einem Blindflug gleichkommt. 

Einmal an die Brille gewöhnt, möchte man sie auch in Innenräumen tragen und nutzen. Mit getönten Sonnenbrillengläsern wirkt man dann allerdings auch ohne smarte Funktionen schnell als etwas schräg. Auf der Hochzeit* einer befreundeten Augenoptikerin war die Stimmung ausgelassen. Vermutlich hat man mir daher das abendliche Tragen der Brille­ durchgehen lassen. 

Wenn es meine Brille wäre, würde ich sie mit Transitions nutzen – und zwar als Gleitsichtbrille. Nur auf diese Weise lässt sich die Brille bei Presbyopie vollumfänglich und perfekt einsetzen. Als reine Sonnenbrille kommt nur ein Tragen bei gutem Wetter und draußen infrage, das finde ich zu wenig. Mit klaren Brillengläsern allein fehlt wiederum der Außeneinsatz bei Sonnenschein. 

Aktuell sind die Informationen, die man Meta fragen kann, noch relativ gering. Außerdem findet der Informationsaustausch bisher nur in Englisch statt. Ein Update soll es bald auch für die deutsche Sprache geben und auch die Anfrage­breite soll erheblich erweitert werden.  

Fazit

Bis zu diesem Test hatte ich nicht gedacht, dass ich eine smarte Brille benötige. Ich habe ein iPhone, GoPro, DSLR, Airpods und diverse Brillen und Sonnenbrillen: Damit bin ich für die meisten Dinge, beruflich wie privat, gut versorgt. Doch bereits nach einer Woche habe ich sie immer wieder hervorgeholt und mich heimlich über schlechtes Wetter beschwert – auch als ich alle Tests bereits gemacht hatte. 

Die Brille bietet auf der Technikseite viele Möglichkeiten, von Fotografie, Videoaufzeichnung, Telefongesprächsannahme, Sprachsteuerung und in abgespeckter Form die Steuerung von z.B. Spotify. 

Der wirkliche Gamechanger jedoch ist bei der Ray-Ban Meta, dass all das in einer Brille vereint ist, die leicht, schlank und modisch ist und die absolut tragbar im Alltag ist. Auf der Herstellerseite wird der Einstiegspreis mit 329 € angegeben, was für das Produkt ein attraktiver Preis ist. Auch das wird dazu beitragen, dass die Brille viele Fans finden wird und Einzug in viele Haushalte erhält.

*Vielen Dank an Jana und João, die ich auf ihrer Hochzeit mit der Ray-Ban Meta ein wenig begleiten durfte.

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