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Werkstoffkunde: Acetat als Brillenwerkstoff

Bilder: Silke Sage und Frank Sonnenberg

Perfektion in leuchtenden Farben

Es gibt kaum eine Brillen-Kollektion, in der auf die Verwendung von Kunststoffen verzichtet werden kann. An der Spitze steht hier das Acetat. Doch auch neue Materialien sind seit vielen Jahren etabliert und werden immer beliebter. Wir frischen hier noch mal Ihr Wissen rund um die Materialkunde auf.

Acetat als Brillenmaterial

Acetat, genauer gesagt Zelluloseacetat, gehört seit Jahrzehnten zu den beliebtesten Materialien für Brillenfassungen. Es hat eine lange Geschichte und zeichnet sich durch seine Vielseitigkeit, Haltbarkeit und ästhetischen Qualitäten aus. Der Werkstoff hat zudem einige interessante Nachhaltigkeitsaspekte, damit bleibt er auch für die Zukunft interessant – abgesehen von einigen Herausforderungen. 

Zelluloseacetat wurde Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt und fand schnell zahlreiche industrielle Anwendungen. Es basiert auf Zellulose, einem organischen Polymer, das aus pflanzlichen Fasern wie Baumwolle oder Holz gewonnen wird. Die Brillenindustrie entdeckte Acetat in den 1940er und 1950er Jahren als Alternative zu früheren Materialien wie Metall, Schildpatt und Horn. Der Vorteil von Acetat lag im Vergleich zu den bis dahin verwendeten Materialien nicht nur in der Flexibilität und Langlebigkeit, sondern auch in der Möglichkeit, verschiedene Farben und Muster zu erzeugen. Dies machte es extrem beliebt für modische Brillenfassungen. 

Im Laufe der Jahre wurde Zelluloseacetat aufgrund seiner Fähigkeit, leicht verarbeitet zu werden und gleichzeitig eine hohe Festigkeit zu bieten, zum Standardmaterial für die Herstellung von hochwertigen Brillen. Hersteller konnten durch verschiedene Techniken eine große Bandbreite an Designs, Mustern und Farben realisieren, was Acetat zu einem besonders ästhetisch ansprechenden Material machte. 

Eigenschaften von Acetat als Brillenmaterial

Als thermoplastisches Material lässt es sich unter Wärmeeinfluss verformen und anpassen. Diese Eigenschaft macht es für unsere Branche ideal, da sich die Brillenfassungen an die individuelle Kopfform anpassen lassen. Acetat ist nicht nur leicht und flexibel, es ist auch hypo­allergen und beständig gegen UV-Strahlung. Zudem ist es weniger anfällig für chemische Reaktionen, die bei längerer Sonneneinstrahlung oder Schweiß auftreten können.

Einer der größten Vorteile von Acetat ist die große Farbauswahl. Da das Material in verschiedenen Schichten gegossen wird, können Hersteller brillante Farben, transluzente Effekte und Marmorierungen erzielen. Die fertigen Acetat-Fassungen werden dadurch zum Hingucker. 

Nachhaltigkeit von Acetat

Obwohl Acetat aus einem natürlichen Rohstoff, Zellulose, hergestellt wird, gibt es in Bezug auf Nachhaltigkeit einige Nuancen zu beachten. Der Ursprung des Materials – Zellulose aus Baumwolle oder Holz – deutet darauf hin, dass es biologisch abbaubar ist. In der Realität hängt die Abbaubarkeit jedoch von den zugesetzten Weichmachern und anderen chemischen Komponenten ab, die bei der Verarbeitung verwendet werden.

Die Tatsache, dass Zelluloseacetat nicht vollständig biologisch abbaubar ist und oft in Verbindung mit chemischen Weichmachern verwendet wird, stellt Herausforderungen für seine Umweltverträglichkeit dar. Es ist nicht frei von synthetischen Inhaltsstoffen, was bedeutet, dass es nicht so umweltfreundlich ist, wie es auf den ersten Blick scheinen mag. In den vergangenen Jahren haben sich
jedoch einige Unternehmen bemüht, die Nachhaltigkeit von Acetat zu verbessern, indem sie recycelte Materialien verwenden oder auf weniger umweltbelastende Chemikalien umsteigen.

Ein Vorteil in Bezug auf Nachhaltigkeit ist die Langlebigkeit von Acetat-Brillen. Da diese Fassungen oft sehr robust sind, halten sie länger, was den Bedarf an häufigem Ersatz reduziert und damit die Ressourcennutzung minimiert.

Jahresproduktion und größte Hersteller

Acetat wird nicht nur für Brillen, sondern auch für andere Produkte wie Spielzeuge, Griffe, Knöpfe und Werkzeuge verwendet, so werden jährlich enorme Mengen produziert. Einer der größten und bekanntesten Hersteller von Zelluloseacetat für Brillenfassungen ist das italienische Unternehmen Mazzucchelli 1849. Es gilt als Pionier in der Herstellung von hochwertigen Acetatmaterialien und beliefert viele der weltweit führenden Brillenmarken. Sie sind für ihre Expertise in der Herstellung von farbenprächtigen und strukturierten Acetaten bekannt, die gerne in der
Brillenmode verwendet werden. Oftmals lassen sich die Hersteller ein bestimmtes Material exklusiv herstellen und machen ihre Designs unverwechselbar.

Und weitere Kunststoffe für Brillenfassungen?

Neben Zelluloseacetat gibt es mehrere weitere Kunststoffe, die häufig für Brillenfassungen verwendet werden. Jede dieser Materialien hat spezifische Eigenschaften, die sie für unterschiedliche Anwendungen und Designs attraktiv machen. Hier sind einige der gängigsten Kunststoffe für Brillenfassungen:

1. TR90 (Thermoplastisches Polyamid)

Eigenschaften: TR90 ist ein äußerst flexibles, leichtes und widerstandsfähiges thermoplastisches Material. Es ist hypoallergen und beständig gegen hohe Temperaturen, was es besonders haltbar macht. TR90-Brillen sind oft extrem flexibel, sodass sie sich gut an verschiedene Gesichtsformen anpassen und weniger bruchanfällig sind.

Anwendungen: TR90 wird häufig für sportliche Brillen oder Kinderbrillen verwendet, da es robust und leicht ist. Es ist auch bei sportlichen Sonnenbrillen oder Schutzbrillen beliebt.

Vorteile: Leicht, flexibel, widerstandsfähig gegen Schläge und chemische Einflüsse.

2. Nylon

Eigenschaften: Nylon ist ein zäher, leichter Kunststoff, der flexibel, widerstandsfähig und hitzebeständig ist. Früher wurde Nylon häufig für Sonnenbrillen verwendet, da es sehr robust ist. Nylon-Brillenfassungen neigen jedoch dazu, bei langen Sonnenexpositionen spröde zu werden, weshalb modifizierte Nylonmischungen (wie das oben erwähnte TR90) entwickelt wurden.

Anwendungen: Besonders beliebt in Sportbrillen und Sonnenbrillen aufgrund seiner Flexibilität und Widerstandsfähigkeit.

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Vorteile: Flexibel, leicht, hitzebeständig, ideal für sportliche und strapazierfähige Brillen.

3. Optyl

Eigenschaften: Optyl ist ein patentiertes Material, das ebenfalls sehr leicht und hypoallergen ist. Es hat eine einzigartige Eigenschaft: Es kehrt nach der Verformung in seine ursprüngliche Form zurück (Memory-Effekt). Das macht es ideal für Brillenfassungen, die sich gut an das Gesicht anpassen und sehr langlebig sind.

Anwendungen: Wurde oft für Designer- und Luxusbrillen verwendet, da es sich leicht formen lässt und einen hohen Tragekomfort bietet.

Vorteile: Sehr leicht, formbeständig (Memory-Effekt), hypoallergen, hitzebeständig.

4. PVC (Polyvinylchlorid)

Eigenschaften: PVC wird wegen seiner Kosten und Verfügbarkeit in der Herstellung manchmal für günstige Brillenfassungen oder auch für Arbeitsschutzbrillen verwendet. Es ist relativ hart und kann mit verschiedenen Additiven flexibel gemacht werden.

Anwendungen: Wird eher für preisgünstigere Brillenfassungen verwendet.

Vorteile: Kostengünstig, einfach zu formen.

5. Grilamid

Eigenschaften: Grilamid ist ein spezielles Nylon-Polymer, das extrem leicht, flexibel und widerstandsfähig ist. Es ist ein weiteres beliebtes Material für sportliche Brillen, da es besonders bruchsicher und temperaturbeständig ist.

Anwendungen: Sportbrillen und Sonnenbrillen, bei denen Leichtigkeit und Flexibilität wichtig sind.

Vorteile: Bruchsicher, leicht, beständig gegen hohe Temperaturen, flexibel.

6. Bio-Acetat

Eigenschaften: Eine nachhaltigere Variante des traditionellen Acetats, Bio-Acetat, wird aus natürlichen, biologisch abbaubaren Inhaltsstoffen hergestellt, meist auf Basis von Pflanzenfasern. Es wird als umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichem Acetat angesehen.

Anwendungen: Wird zunehmend bei umweltbewussten Marken verwendet, die nachhaltige Brillen herstellen möchten.

Vorteile: Biologisch abbaubar, nachhaltiger als herkömmliches Acetat.

Zusammenfassung

Die Wahl des Brillenwerkstoffs hängt stark von den Anforderungen an die Brillenfassung ab – ob Flexibilität, Langlebigkeit, Leichtigkeit oder ästhetische Vielfalt im Vordergrund stehen. Während Acetat aufgrund seiner Schönheit und Vielseitigkeit beliebt bleibt, gewinnen nachhaltigere Materialien wie Bio-Acetat immer mehr an Bedeutung. Besonders sportliche Brillen greifen auf widerstandsfähige Kunststoffe wie TR90 oder Polycarbonat zurück, um Bruchsicherheit und Komfort zu gewährleisten.

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