Die Werkstoffzukunft ist nachhaltig
Ein Überblick über aktuelle Materialien für Brillenfassungen
Die Augenoptik-Branche bewegt sich in Richtung einer nachhaltigeren Zukunft. Immer mehr Hersteller von Brillenfassungen setzen dabei auf umweltfreundliche Materialien und umweltschonende Produktionsverfahren. Durch die Verwendung von recycelten Materialien, Umwelt-Zertifizierungen und einer ganzheitlichen Betrachtung der Nachhaltigkeit können auch Verbraucher umweltbewusste Entscheidungen treffen und gleichzeitig stylische Brillen tragen. Es ist zu erwarten, dass dieser Trend in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen wird.
Die Materialien, aus denen ein Produkt hergestellt wird, sind es allein nicht, die die Nachhaltigkeit eines Produkts bestimmen. Sie spielen aber eine bedeutende Rolle bei den Auswirkungen auf die Umwelt (Wasserverbrauch, -verschmutzung und Treibhausgasemissionen).
Wenn man an nachhaltige Materialien für Brillenfassungen denkt, kommen einem meistens Naturmaterialien wie Naturhorn in den Sinn. Bei diesem Material besticht die natürliche Ästhetik in vielfältigen Varianten. Seit einigen Jahren sind hingegen das Recycling von Acetat, Plastikmüll aus dem Meer (z.B. PET-Flaschen) oder Metall (z.B. Edelstahl) durch einige Firmen in den Mittelpunkt gerückt. Eine der aktuelleren Entwicklungen sind biobasierte Werkstoffe, die für den 3D-Druck verwendet werden können.
Die Vorteile nachhaltiger Materialien: Der ökologische Fußabdruck wird hierdurch in der Regel reduziert und es werden weniger erdölhaltige Bestandteile eingesetzt. Was man nicht vergessen sollte, ist die Allergikerfreundlichkeit bestimmter Materialien, wie von Horn oder Edelstahl, die durch ihre hypoallergenen Eigenschaften bestechen.
Worauf sollten Augenoptiker also aktuell ihren Blick richten? Im Moment ist viel Bewegung am Markt. Die folgende Einführung gibt daher nur einen aktuellen Überblick, erhebt aber nicht den Anspruch darauf, vollständig zu sein.
Naturhorn
Eines der exklusivsten Materialen ist sicherlich das anfangs erwähnte Naturhorn vom Wasserbüffel. Hoffmann Natural Eyewear setzt es beispielsweise schon seit mehreren Jahrzehnten ein. Zur Produktion der Fassungen wird überwiegend das Horn des asiatischen Wasserbüffels verwendet. Die Tiere fallen nicht unter das Washingtoner Artenschutz-Abkommen (CITES), sondern sind als wertvolles landwirtschaftliches Nutztier in vielen Ländern dieser Erde nicht mehr wegzudenken. Kein Tier muss deshalb wegen seines Horns sterben. Für die Herstellung eignet sich vor allem reiferes Horn. Die Fassungen aus dem Naturmaterial sind besonders langlebig konstruiert und können auf Wunsch wieder vom Hersteller aufgearbeitet werden.
Das Segment der Brillenfassungen aus Naturmaterialien bildet eine wichtige Nische für die hochwertig orientierte Kundschaft. Die Exklusivität – z.B. in Kombination mit Holz – wird gepaart mit einem angenehmen Tragegefühl und umweltfreundlicher Herstellung.
Polymere für den 3D-Druck
Das als Natural3D bezeichnete Material, wie es bei beispielsweise bei Neubau Eyewear für den 3D-Druck verwendet wird, gehört zu den neueren Werkstoffen in der Branche und ist ein rein biobasiertes Polymer, das aus dem Bio-Rizinusöl gewonnen wird. Der Grundstoff stammt von einer erneuerbaren Rohstoffquelle. Es kann produziert werden ohne feste Abfallstoffe oder Schnittabfälle. Hinter dem Verarbeitungsprozess steht die No-waste-Methode, die als besonders ressourcenschonend gilt. Dafür wurde die Marke u.a. mit dem „Green Good Design Award“ ausgezeichnet.
Recycelter Edelstahl und andere Metalle
Ein weiteres Material, das bei Herstellern zum Einsatz kommt und das viele Augenoptiker so noch nicht auf dem Nachhaltigkeitsschirm in Verbindung mit Brillenfassungen haben: recycelter Edelstahl.
Auch die gerade aktuell mit dem Silmo CSR Award ausgezeichnete Firma Skans aus Kopenhagen setzt dieses Material ein. Fassung und Brillenpads bestehen vollständig aus einem einzigen Material – 100% recycelter Edelstahl. Dadurch wird die spätere Recyclingfähigkeit maximiert.
Recycling ist auch beim Unternehmen Andy Wolf ein Thema bei Metallbrillen. Allerdings geht es nicht um Edelstahl. So ist bei den Metallen Monel, Neusilber und Bronze immer ein Recyclinganteil enthalten.
Acetat Renew
Bei Acetat-Brillen setzt man bei Andy Wolf auf das Acetate Renew von Eastman, das immer mehr in der Augenoptik von Fassungsherstellern genutzt wird. Es ersetzt zunehmend herkömmlich hergestelltes Acetat bei der Fassungsproduktion. Voraussetzung ist die sogenannte ISCC Plus-Zertifizierung für die Zulassung zur Verwendung von Acetate Renew. Zertifiziert werden Lieferketten und die Rückverfolgbarkeit dieser durch das ISCC-Institut. Auf diese Weise kann die Menge des Materials und die Produktion der zertifizierten Produkte ständig überwacht werden.
Eastman Acetate Renew ist ein vorwiegend biobasiertes Material, das aus zertifiziertem, nachhaltigem Zellstoff hergestellt wird und anstelle von fossilen Rohstoffen recycelte Kunststoffabfälle verwertet. So beschreibt es beispielsweise das Unternehmen Mykita auf seiner Website. Aussehen, Haptik und Funktionalität seien identisch mit traditionellem Acetat und ermöglichten, im Vergleich zu herkömmlichen Herstellungsverfahren, Brillen mit bis zu einem Drittel geringeren CO2-Fußabdruck herzustellen.
Dahinter steht sogenanntes Molekular-Recycling. Hierbei wird das Acetat auf molekularer Ebene zerlegt und zu neuen Polymeren zusammengesetzt. Das ist vergleichbar mit dem Zerlegen eines Lego-Modells und dem Bauen eines neuen Modells aus den gleichen Steinen. Theoretisch sind so unbegrenzte Recyclingzyklen möglich. Doch ganz ohne herkömmliche Weichmacher können die einzelnen Materialkomponenten nicht zu Acetatplatten kombiniert werden.
Im Vergleich zu konventionellem Acetat reduziere die Verwendung von Acetate Renew den CO2-Fußabdruck des Acetats um bis zu ein Drittel pro Fassung und den CO2-Fußabdruck um 800 Gramm CO2 pro Kilogramm Acetate Renew. Noch anschaulicher: 1.000 hergestellte Brillenfassungen entsprechen dem recycelten Kunststoffabfall von 304 Fußballtrikots aus Polyester.
Recycling-Acetat
Konventioneller geht es im Allgäu bei Funk Eyewear zu. Dort wird Acetat mechanisch recycelt. Das Unternehmen stellt schon seit geraumer Zeit Recycling-Acetat her und fertigt daraus neue Brillen. Dafür werden die Acetat-Ausschnitte und sogar Späne während des Fertigungsprozesses gesammelt. Nach Farben sortiert, werden sie dann wieder neu kombiniert, beispielsweise nach bestimmten Anteilen an Farbtönen, zermahlen und später unter Hitzeeinwirkung zu neuen Acetat-Platten verpresst.
Einen ähnlichen Weg geht man auch in Frankreich bei Lafont. Kreatives Upcycling nennt das Label den Prozess. Man verwendet Materialien aus früheren Kollektionen, um exklusive Acetatfarben zu kreieren. Die Marke verwendet ein Thermofusionsverfahren, um zu neuen Acetat-Platten zu kommen. Dabei bestehen die Materialmixe zu 50% aus Vintage-Farben und weiteren 50% aus neuem Bioacetat oder mit Rizinusöl angereicherten Materialien.
Sowohl das mechanische (z.B. Funk Eyewear, Lafont) als auch das molekulare Recycling (z.B. Eschenbach, Mykita, Andy Wolf) bieten Möglichkeiten, die Nachhaltigkeit in der Brillenherstellung zu erhöhen. Die Wahl des Verfahrens hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie der gewünschten Qualität des Endprodukts, den Kosten und den verfügbaren Technologien. Es ist zu erwarten, dass sich in Zukunft beide Verfahren weiterentwickeln und ergänzen werden.
Meeresmüll-Plastik
Einen Sonderfall stellen Kunststofffassungen aus recyceltem Meeresmüll-Plastik dar. Das Unternehmen Sea2See gibt beispielsweise an, in Zusammenarbeit mit Partnern aus Spanien, Portugal und Frankreich durchschnittlich eine halbe Tonne Plastikmüll pro Tag zu sammeln. Auch in afrikanischen Staaten engagiert sich das Unternehmen, wo laut Website über tausend Menschen in das firmeneigene Recyclingprojekt involviert sein sollen. Für eine Brille müssen rund 1 kg Müll gesammelt werden. Das Material für die Brillen des Unternehmens selbst entsteht durch chemisches Recycling, in dem das Material in seine Bestandteile zerlegt und später zu einem neuen Material wird.
Mitbewerber Prova Eyewear nutzt als Ausgangsmaterial PET-Flaschen, die sortenrein vom restlichen Müll bestehend aus Plastikflaschen oder verunreinigten Fischernetzen getrennt und recycelt wurden. Aus dem gereinigten, aufbereiteten Granulat von 5 PET-Flaschen können bereits Brillenfassungen hergestellt werden.
Bei den weltweit anfallenden Mengen an Kunststoff – laut Fachzeitschrift Science werden 121 Millionen Tonnen (121.000.000 T) pro Jahr produziert, der nicht angemessen entsorgt, sondern u.a. auch im Meer landet – sind die ausschließlich für recycelte Brillenfassungen verwendeten Mengen sicherlich nur ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein innerhalb der Kreislaufwirtschaft. Die Auswirkungen durch die benötigte gesammelte Müllmenge zur Produktion von Brillen auf die Umwelt sind augenscheinlich erst einmal gering. Für 2020 gibt See2Sea beispielsweise an, rund 112 Tonnen in Europa und Afrika an Meeresmüll gesammelt zu haben.
Doch ist jede gesammelte Tonne Müll ein Schritt in die richtige Richtung und Recycling eine wichtige Maßnahme, um den Plastikmüll einzuschränken. Solche Initiativen haben vor allem lokale positive Effekte. Denn neben Arbeitsplätzen können auch ein besseres Umweltbewusstsein vor Ort, also dort wo der Müll gesammelt wird, geschaffen werden.
Die Zukunft der nachhaltigen Augenoptik
Im Moment müssen Augenoptiker und Kunden mit dem bisherigen Angebot leben. Es ist aber davon auszugehen, dass in Zukunft weitere innovative und nachhaltige Materialien entwickelt werden, die auch in Brillenfassungen zum Einsatz kommen. Doch es genügt nicht, sich rein auf Brillenfassungen und deren Materialauswahl zu beschränken. Das Thema Nachhaltigkeit und ökologisches Handeln spielt zudem bei der Produktion (Lieferkette, Produktionsbedingungen, Energieverbrauch, Wasserverbrauch), dem Vertrieb (Verpackung, Versand), der Reparaturfähigkeit und dem Recycling der Brillen eine immer größere Rolle.
Trotzdem besteht an vielen Stellen in der Branche noch weiterer Informationsbedarf und ein Defizit an Transparenz. Doch Kunden erwarten gerade hier umfangreiche Informationen über die Herkunft und Herstellung ihrer Brille. Denn ganzheitliche Nachhaltigkeit führt beim Kunden zu einem guten Gefühl für sein Konsumverhalten und seine Kaufentscheidung. Unternehmen wie Silhouette, Mykita, Andy Wolf oder Eschenbach seien einmal exemplarisch dafür genannt, wie man Informationen rund um die genannten Themen für den Augenoptiker und Konsumenten aufbauen kann. Gerade bei jenen Unternehmen, die einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen, findet man Detailinformationen, die man in seine Verkaufsgespräche einbringen kann. Augenoptiker können dieses Hintergrundwissen in ein verkaufsförderndes Storytelling umsetzen.