Früher oder später

15. März 2021

Jetzt ist es gut ein Jahr her, dass ein einschneidendes Ereignis uns alle auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt hat. Wo es vor der Pandemie immer nur hieß, höher, schneller, weiter … und mehr Umsatz, war auf einmal Innehalten angesagt. Zunächst die Schockstarre. Wie sollte man mit der neuen Situation umgehen? Wenn keine Leute auf die Straße dürfen, wer interessiert sich dann für die neuen Brillenfassungen im Geschäft und wer kauft das neuste Gleitsichtglas? Ein Problem, das wirklich alle vereinte, selbst Industrie und Augenoptiker.

Bis dato ist man erstaunlich glimpflich durch die Krise gekommen – und kann sogar etwas Positives daraus mitnehmen. Vorausgesetzt, man lässt es zu. Denn das vergangene Jahr wird in der Retrospektive als ein Katalysator für die Digitalisierung und voranschreitende Technologisierung der Gesellschaft gelten, für alle, auch für die Welt der Augenoptik. Online-Terminvereinbarungen, mobile-ready Websites oder gar eigene Apps, es hat sich was getan. Und ein Weg zurück erscheint eher in weite Ferne zu rücken. Das Gegenteil ist der Fall.

Die Wunder der (Mess-)Technik werden auch für den Kunden selbst immer greifbarer. So hat zum Beispiel Zeiss jüngst seine Plattform zur virtuellen Fassungs- und Brillenglasanprobe erweitert. Mittels neuster Gerätetechnologie lässt sich nun ein exakter Avatar des Kopfes erstellen, sodass das 3D-Ich des potenziellen Brillenkäufers im Laden eine Unmenge von Brillen anprobieren kann, die noch nicht mal im Geschäft vorhanden sein müssen. Und dann soll der Kunde auch noch von zu Hause selber die Anprobe machen können. Hört sich doch eigentlich lukrativ an, wenn auch die Gebühren stimmen. Wir berichten darüber ab Seite 20.

Das ist nur ein Beispiel von unzähligen aus der letzten Zeit. Da wären sonst noch virtuelle, teils interaktive Showrooms, die die neuesten Brillenfassungen und augenoptischen Instrumente per Mausklick, oder noch besser, mal eben schnell per Smartphone erlebbar machen. Und man könnte auch den Trend in Richtung Optometrie-Geräte anführen, der durch das noch mal gestiegene Bewusstsein für digitale (Arbeits-)Prozesse weiter Auftrieb erhalten hat und sich in eine Richtung bewegt, die letztlich, auch wenn Technikverweigerer das gerne anders sähen, nur schwer aufzuhalten ist. Im schier undurchschaubaren Netz an Produktneuheiten in dem Segment erhalten Sie übrigens ab Seite 32 einen kleinen Überblick.

Warum? Was sind die Gründe? Zunächst der technologische Fortschritt und damit einhergehend zahlreiche Screening-Möglichkeiten, exakte Hightech-Mess- und Bildgebungsverfahren, die eine polyvalente Augenoptik quasi heraufbeschwören. Hier wären wir dann bei der Self-fulfilling prophecy angelangt. Wenn jetzt der Kunde noch hinlänglich informiert wird, dass er auch beim Augenoptiker/Optometristen die Augenvorsorgeuntersuchung machen kann, dann wird’s schnell eng in den Betrieben, vorausgesetzt die technische Ausstattung ist gegeben.

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Bei der ganzen neuen Technik ist neben dem Nutzen aber auch viel Spielerei dabei, denken Sie sich? Aber natürlich! Und ist nicht das auch ein großer Pluspunkt?! Der Kunde ist es gerade gewöhnt, Hightech in nie erlebtem Ausmaße zu nutzen. Die ganze Welt ist gerade innovativ, warum soll nicht auch beim Augenoptiker Spaß und in Maßen Online-Komfort drin sein? Hier könnte man sogar die aktuelle Situation nutzen und sein Profil schärfen. Wobei das auch viele schon bravurös erledigen. 

Denken Sie doch nur an sich selbst: Hätten Sie sich vor etwas mehr als einem Jahr vorstellen können, regelmäßige Videokonferenzen mit Mitarbeitern oder Geschäftspartnern online zu führen? Das klang doch ehrlich gesagt auch noch eher nach „Zurück in die Zukunft“ als nach 2020/2021.

Ein Punkt soll nicht unterschlagen werden, denn die beste Technik nützt nichts, wenn man sie nicht richtig anwenden kann. Man braucht das Know-how dazu. Ok und das eignet man sich wie an? Genau, aktuell über ein Online-Seminar. Und da wären wir wieder am Anfang.

Das alles soll keine Panikmache sein, eher ein recht nüchterner Weckruf, dann doch irgendwann mit der Zeit zu gehen. Die einen beginnen früher, die anderen später.

Daniel Groß, FOCUS-Redakteur

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