Im Wandel
Es geht wieder los. Im Angesicht des Frühlings zwitschern es schon die Vögel von den Dächern. Das Reisen – auch auf internationalem Parkett – nimmt demnächst wieder zu. Was hiesige dieser Artgenossen davon halten, dass sie sich den Luftraum wieder mit Ferienfliegern nach Mallorca und weiteren beliebten deutschen Reisezielen teilen müssen, lässt sich nur erahnen.
Ein weiterer Grund, warum wir wohl bald alle abheben, ist der Wandel der Politik (und Wissenschaft) in Bezug auf das so langsam austrudelnde Pandemie-Geschehen. Hagelte es zuletzt noch Quarantäne-Anordnungen in nie dagewesenem Ausmaß – die kritische Infrastruktur hat Gott sei Dank gehalten – oft für Arbeitnehmer mit Kindern, die eine Kita besuchen, oder im schulpflichtigen Alter sind, hat es nun auch der letzte verstanden: Omikron ist entweder nur ein müder Abklatsch der Coronavirus-Varianten Alpha und Delta oder irgendjemand hat endlich Erbarmen mit uns.
Ende März gilt in den zwei Ländern als Stichtag für die Aufhebung möglichst aller Corona-Beschränkungen, die auch für zwei große Augenoptik-Messen unmittelbar relevant sind: In Deutschland wurde der 20. in Italien der 31. März auserkoren. Damit haben italienische Männer noch etwas mehr Zeit, sich ordentlich zu rasieren, bevor sie die Masken wieder öfters lüften. Im Angesicht der neuen totalen Offenbarung werden auch Teenager mit unreiner Haut schon langsam nervös. Doch die Lockerungen sollen schrittweise vorgenommen werden und natürlich werden uns Masken noch länger begleiten. Jeder kann hier für sich – und für seine Mitmenschen – entscheiden, wie weit und wie schnell er gehen will.
Dass die Regierungen sich lockerer machen, stimmt auch die Organisatoren der Mido, Opti oder des niederländischen Kontaktlinsenkongresses NCC zurecht positiv. Letzterer, zweijährig ausgetragen, wird sogar erstmals seit 2018 wieder stattfinden! Bei einigen Augenoptikern, Industrievertretern und Journalisten kommt neben den Frühlingsgefühlen dann auch wieder das Messefieber auf. Gut so.
Denn ein Stück Normalität tut uns gut in diesen Tagen, wohl mehr denn je als zuletzt.
Der Begriff „Freedom Day“ wird hoffentlich ganz schnell gestrichen für diesen ohne Frage freudigen Anlass, der uns wieder mehr Normalität im Alltag verschafft. Er sollte aber für andere existenzielle Zwecke verwahrt werden. Denn was die wahre Freiheit betrifft, darunter haben wir lange etwas viel Wichtigeres verstanden. Achtung, rhetorische Frage: Muss immer etwas Schlimmeres passieren, damit wir merken, wie gut es uns eigentlich geht? Antwort: Ja, muss es.
Und ja, vieles befindet sich gerade im Wandel. Während wir uns um Magazinauflagen oder Nachschub an Brillenfassungen fürs Geschäft Gedanken machen, bauen gerade kurz vor Drucklegung dieser Ausgabe wenige tausend Kilometer weiter östlich von hier Menschen, die bis vor Kurzem noch als Programmierer, Designer oder Autoverkäufer gearbeitet haben, und nicht wussten, welchen Organic-Kaffee sie als nächstes ausprobieren sollten, Molotow-Cocktails zusammen, um sich und ihr Vaterland vor feindlichen, übermächtigen Invasoren zu schützen. Nach Youtube-Anleitung, versteht sich.
Doch zurück zum Positiven, was bleibt uns sonst. Der Wandel in unserer Branche beim Thema Nachhaltigkeit ist unaufhaltbar angekommen. Recycelbare Brillen, Initiativen, die das Gewicht von Kontaktlinsen in gesammeltem Meeresplastik aufwiegen, umweltfreundliche(re) Fertigungstechnologien, wo es nur geht. Greenwashing wird hier auch betrieben, doch Schwarze Schafe gibt es auch woanders. Also besser so als gar nicht.
In unserem Titelthema dieser Ausgabe haben wir ein Beispiel für Sie, das zeigt, wie man das Thema Nachhaltigkeit als unternehmerische Chance ansehen kann. Mit aller Konsequenz, die dazu nötig ist.