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Optometrische Dienstleistungen

Bild einer Optikerin mit einer Messbrille.
Bild: WavebreakMediaMicro/stock.adobe.com

Per Definition handelt es sich bei einer Dienstleistung um ein immaterielles Wirtschaftsgut, welches auf dem Markt angeboten wird und von Kunden nachgefragt werden kann. Uns Augenoptikern bieten sich viele Möglichkeiten, optometrische Dienstleistungen anzubieten und durchzuführen. In einer Zeit, in der Augenärzte in manchen Regionen Mangelware sind, ist die Nachfrage eigentlich eine sichere Sache. Trotzdem ist es bei Weitem nicht üblich, sich die Leistungen rund um eine Brille oder Kontaktlinse vergüten zu lassen. Warum ist das so? 

Tränenfilmanalyse, Beratungen zu Trockenen Augen, Refraktionen, sämtliche Messungen, die unsere moderne Technik möglich macht – die Chancen für Zusatzleistungen am Kunden gibt es in Hülle und Fülle. Doch ob und wie derartige Untersuchungen angeboten werden, ist von Augenoptiker zu Augenoptiker höchst unterschiedlich. Wenn man vermuten muss, dass bei einigen Optik-Ketten schon allein der Ausdruck „optometrische Dienstleistung“ für Verwirrung sorgt, zieht mancher traditioneller Augenoptiker möglicherweise alle Register und versorgt den Kunden am Ende nicht nur mit einer neuen Brille, sondern vielleicht auch noch mit passenden Einlagen für seine Schuhe. Und obwohl beides Augenoptiker sind, ist der ­Arbeitsalltag in beiden Fällen ein völlig anderer. 

Verantwortlich dafür ist vermutlich schon allein die Frage, wie jeder Einzelne seine Berufsausübung definiert. Stellt man den Brillenverkauf ins Zentrum des täglichen Handelns, dann dreht sich auch alles darum und dann muss damit auch Geld verdient werden. Steht hingegen eine ganzheitliche Versorgung im Mittelpunkt, dann ist die Brille nur ein Puzzleteil von vielen und definitiv nicht die einzige Einnahmequelle. 

Wir haben mit Augenoptikern darüber gesprochen, wie sie zum Thema stehen, ob sie zusätzliche Dienstleistungen anbieten und wie sie sich diese vergüten lassen. Wie scharf sollte das Profil im Angebot eines Augenoptikgeschäfts sein: Stückzahl vs. Dienstleistung? Oder geht beides?

Die Brille als zentrales Konzept

Katrin Auerswald ist Geschäftsführerin der Barth Optik GmbH, einem mittelständischen Augenoptikbetrieb mit drei Filialen im ländlichen Raum in Sachsen. Das Unternehmen ist in der 5. Generation familiengeführt und hat etwa 30 Mitarbeiter, darunter acht Augenoptikermeister und vier Auszubildende. Viele Kunden sind schon seit eh und je Stammkunden, die Refraktion ist beim Kauf einer Brille kostenfrei. 

Katrin Auerswald. Bild: Privat
Katrin Auerswald. Bild: Privat

Katrin Auerswald erklärt, warum das so ist: „Ich glaube die Frage, ob man die Refraktion gesondert in Rechnung stellen sollte oder nicht, ist eine Frage der Philosophie und der Geschäftsabläufe. Für mich gehört eine Refraktion zur Anfertigung einer neuen Brille einfach dazu und ist bei Barth Optik deshalb auch in Verbindung mit dem Brillenkauf kostenfrei – tatsächlich habe ich noch nie darüber nachgedacht, es anders zu handhaben. Allerdings ist unser Unternehmen auch seit jeher darauf ausgerichtet, eine hohe Stückzahl zu erreichen und es ist unser Ziel, den Wiederbeschaffungsrhythmus unserer Kunden von den üblichen 4 Jahren auf 2 bis 3 Jahre zu verkürzen. Deshalb nutzen wir unsere kostenfreie Refraktion auch als Marketing-Tool, um stetig mit unseren Kunden in Kontakt zu bleiben und dadurch Neuanschaffungen zu generieren. 

Wir verkaufen am Tag etwa 15 Brillen pro Filiale. Das bedeutet natürlich auch, dass wir nicht so viel Zeit im Refraktionsraum verbringen können wie andere Kollegen, die vielleicht nur zwei oder drei Brillen am Tag in Auftrag nehmen. Wir verkaufen unseren Kunden mit viel Leidenschaft und Hingabe Brillen, die nicht nur den aktuellen Trends entsprechen, sondern echte Lieblingsbrillen sind und das funktioniert für uns sehr gut. Ich glaube, es würde in unserem Fall zu Unzufriedenheit bei unseren Kunden führen, wenn wir eine normale Refraktion extra in Rechnung stellen. Vielleicht verlieren wir dann sogar den ein oder anderen Kunden. Das können wir uns nicht leisten. Bei Barth Optik hat die Zufriedenheit der Kunden oberste Priorität. 

Das bedeutet aber auf keinen Fall, dass wir alle Dienstleistungen kostenfrei anbieten. Führt einer unserer Meister eine MKH durch, berechnen wir diesen Mehraufwand natürlich. Auch für Kontaktlinsenanpassungen und -nachkontrollen zahlt der Kunde, genauso wie für Reparaturen oder größere Instandsetzungsmaßnahmen an seiner Brille. An diesen Stellen finde ich es wichtig, die Dienstleistung in Rechnung zu stellen, da gerade im Bereich Kontaktlinsen es sonst fast unmöglich ist, wettbewerbsfähige Preise anzubieten. Seit Kurzem machen wir wieder vermehrt Hausbesuche und übernehmen die augenoptische Versorgung in Pflegeheimen, auch diese Leistung berechnen wir.“

Ein Konzept mit System

Peter Bruckmann. Bild: Privat
Peter Bruckmann. Bild: Privat

Peter Bruckmann, Inhaber der Bruckmann Augenoptik GmbH, bietet seinen Kunden ein völlig anderes System an. Als Erfinder des Simply!-Kontaktlinsen-Systems hat er ein sehr gutes Händchen für Kundenbindung und handhabt den Kauf einer Brille genauso wie den Verkauf von Kontaktlinsen. 

Im Interview erklärt er uns, wie sein Geschäftsmodell konkret funktioniert: „Wir verstehen uns als Sehberater und wollen ganz nah an der Seite des Kunden sein und für gute Sicht sorgen. Kunden sind bei uns Mitglieder in unserem System, zahlen einen monatlichen Beitrag und erhalten dafür in regelmäßigen Abständen alle optometrischen Dienstleistungen, die notwendig sind. 

Dahinter steht für uns zum einen eine Präventionsstrategie, zum anderen aber auch ein funktionierendes Netzwerk z.B. auch mit Ärzten verschiedenster Fachrichtungen. Wir gehen sogar so weit, dass die Brillengläser in diesem Paket mit enthalten sind, weil diese für uns untrennbar mit der Dienstleistung verbunden sind, der Kunde zahlt nur die Fassung extra. Diese Vorgehensweise haben wir vor etwa 30 Jahren in der Kontaktlinse etabliert und dann, aufgrund der Erfolge, nach und nach auf die Brille übertragen. 

Jede neue Brille wird bei uns in Verbindung mit einem Termin verkauft, in dem wir dem Kunden unsere verschiedenen Systeme vorstellen und genau erklären, was darin alles enthalten ist. Und auch wenn es theoretisch möglich ist, eine Brille ohne System zu kaufen, so ist es in unserem Alltag fast schon zur Ausnahme geworden. Auch die Tatsache, dass bei uns ausschließlich mit Terminen gearbeitet wird, funktioniert bei uns sehr gut. 

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Ich glaube, in den vergangenen Jahren hat sich auch bei unseren Kunden etabliert, dass sich jemand Zeit nimmt und die Sache ganz genau macht. Mit unseren hohen Ausbildungsstandards sind wir für meine Begriffe Spezialisten für gutes Sehen. Genau das macht für mich den Reiz der Berufsausübung aus. Für mich endet es dann auch nicht einfach mit einer neuen Brille, sondern ich will ganzheitlich mit dem Kunden in Kontakt stehen. 

Seit einiger Zeit arbeiten wir sogar mit einer Ernährungsberaterin zusammen, die in Zukunft unsere Kunden in Richtung Augengesundheit beraten soll – da sind wir gerade noch in der Entwicklungsphase. Aber diese Leistung wird auch ein Baustein in unseren Systemen sein, genauso wie beispielsweise das Myopie-Management oder eine genaue Inspektion des Tränenfilms – ich kann mir auch sehr gut vorstellen, dass wir in Zukunft noch weitere Komponenten in das Konzept einfließen lassen. Genau das macht für mich auch den Reiz unserer Systeme aus – zum einen das ganzheitliche Konzept und zum anderen auch den Anspruch, bestehendes immer weiter zu entwickeln. Für uns geht dieses Konzept auf.“

Konzeptionelles Arbeiten als Augenoptiker/Optometrist 

Hartmut Glaser, Geschäftsführer der WVAO, ist in engem Kontakt zu Augenoptikern, die mehr machen als die reine Refraktion. Er sagt: „Seit es Brillen gibt, ist bekannt, dass eine Brille mehr ist als eine Fassung und zwei Gläser. Der Augenoptiker/Optometrist ist das ‚Maß aller Dinge‘. Denn eine Brille wird erst dann zu einem brauchbaren Produkt, wenn durch geeignete Messverfahren die erforderlichen Korrektionswerte, die Zentrierdaten und die optisch und anatomisch korrekte Anpassung sichergestellt sind.“ Er sieht vor allem kritisch, dass die Zahl der Billiganbieter immer größer wird und auch mittelständische Augenoptiker damit unter Druck geraten, dies sei nicht nur betriebswirtschaftlich unglücklich. Man sei gut beraten, wenn neben der fachlichen Kompetenz die individuelle Sehleistung als eigenständiger, persönlicher Nutzen gegenüber dem Verbraucher sichtbar kommuniziert werde.  „So entwickelt sich durch diese Wertevermittlung auch eine entsprechende Wertschätzung“, sagt er.

Die Honorare für optometrische Leistungen können seiner Meinung nach je nach Ort, Art der Leistung, Dauer der Beratung bzw. Messungen und Kompetenz des Augenoptikers/ Optometristen variieren. Es habe sich bewährt, das Angebot modular aufzubauen und je nach Anamnese und Kundenwunsch Leistungspakete zu empfehlen. „Auch ein Abonnementsystem, das nicht nur die Sehhilfe, sondern auch die regelmäßige Augenuntersuchung umfasst, ist sicherlich eine Überlegung wert. Hierfür bieten wir ambitionierten Augenoptikern und Optometristen klare Konzepte an“.

Es stellt sich die Frage, wie die optometrischen Dienstleistungen genau honoriert werden sollten. Darauf meint Glaser: „Jeder Augenoptiker/Optometrist sollte sich diese Frage stellen, ob es sinnvoll ist, seine auf jahrelanger Aus- und Weiterbildung beruhende Kompetenz bzw. die individuelle und erfolgsentscheidende Dienstleistung rund um das Auge und das Sehen ‚kostenlos‘ anzubieten bzw. im Preis vergleichbarer Produkte zu verstecken. In diesem Fall werden das erworbene Fachwissen, die Arbeitszeit und die erheblichen Kosten für die Ausstattung verschenkt und der Augenoptiker zum reinen Verkäufer und Händler degradiert.“ 

Hartmut Glaser. Bild: WVAO
Hartmut Glaser. Bild: WVAO

Es dürfe zudem nicht vergessen werden, dass die marktorientierte Weiterentwicklung des Berufsbildes und die damit verbundene Lotsenfunktion des Augenoptikers als erste Anlaufstelle für gutes und gesundes Sehen mit einem zeitintensiven Beratungsaufwand und einer noch höheren fachlichen Verantwortung einhergeht, ist sich Glaser sicher. Dieser Mehraufwand müsse strukturiert, kommuniziert, visualisiert und dem Kunden nutzenorientiert vermittelt werden, damit er den Wert der Zusatzleistung erkenne. Mit diesem Wissen und dem steigenden Gesundheitsbewusstsein kann der Kunde diesen Mehrwert schätzen. „Wie hoch das Entgelt dafür genau sein soll, hängt sicherlich davon ab, wie meine betriebswirtschaftliche Kalkulation aussieht, in welcher Region ich lebe, ob in der Stadt oder auf dem Land, und – ganz wichtig – ob es eine augenärztliche Versorgung gibt und wie die Situation dort vor Ort ist. 

In der Vergangenheit haben auch Dienstleistungen an Relevanz erhalten, z.B. Trockenes Auge-Sprechstunde, Myopie-Management, Tränenfilmanalyse, Netzhautscreening, Visualtraining usw. Welche Möglichkeiten sich dadurch ergeben, erläutert Hartmut Glaser so: „In der augenoptischen und optometrischen Aus- und Weiterbildung hat sich einiges verändert – und zwar sehr zum Positiven. Die augenoptischen Kernkompetenzen sind durch eine Vielzahl optometrischer Mess- und Diagnoseverfahren bereichert worden. Gleichzeitig hat sich die ‚Art‘ des Sehens durch die Digitalisierung im Alltag verändert. Hier ergeben sich Chancen durch Spezialisierung, wie sie die WVAO seit Jahren konsequent, professionell und praxisnah anbietet.“

Auch das Angebot von Terminen biete klare Vorteile: Neben der Erwartungshaltung des Kunden, was er für sein Geld bekommt, biete es einen klaren Rahmen jenseits von Zeitdruck für die Ermittlung des Sehproblems. Außerdem biete es die Möglichkeit, den geeigneten Augenoptiker mit dem Kunden zusammenzubringen. 

Wir wollten wissen, ob die Augenoptik in der Vergangenheit vielleicht Chancen verschlafen habe? „Verschlafen“ sei nicht der richtige Ausdruck – der mittelständische Augenoptiker sei vielmehr nicht mit der Zeit gegangen und habe das Erfolgspotential einer ganzheitlichen persönlichen Sehberatung nicht ausgeschöpft. „Um in Zukunft nicht die Fehler der Vergangenheit zu machen, sollte man mit einer klaren Zielvorstellung, mit System und Fachwissen die Marktchancen ergreifen. Dazu gehört vermehrt optometrische Dienstleistungen anzubieten. Hierfür ist notwendig, dass der selbständige Augenoptiker/Optometrist sich und seine Mitarbeiter so aus- und weiterbildet, dass alle die Durchführung der verschiedenen optometrischen Dienstleistungen nicht nur perfekt beherrschen, sondern auch perfekt kommunizieren. Dies wäre sicherlich ein Beitrag zur Verbesserung des Images der mittelständischen Augenoptiker/Optometristen in der Öffentlichkeit und auch ein Anreiz für den zukünftigen Berufsnachwuchs.

Fazit: Als Augenoptiker haben wir hohe Ausbildungsstandards und verfügen über die Ausstattung und die fachliche Kompetenz, dem Kunden einen echten Mehrwert zu bieten. Bei den Kunden rennen wir damit, aller Wahrscheinlichkeit nach, offene Türen ein, denn heutzutage ist jeder froh, wenn sich jemand die Zeit nimmt und in Sachen Augengesundheit genau hinschaut – wichtig ist nur, dass dem Kunden ein konkreter Nutzen kommuniziert und dieser zusätzliche Aufwand angemessen vergütet wird.

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