Trendforum: „Finde den richtigen Spin!“
Spectaris-Trendforum 2025/26
Ein Spin, also eine Bewegung, eine Drehung oder – im weitesten Sinne – eine Richtungsänderung. Genau das ist die Kernkompetenz, auf die es im Geschäft ankommt. Es geht nicht um die besten Ideen oder das beste Konzept, sondern darum, dass man genau das anbietet, was der Zeitgeist erfordert. Oder härter formuliert: Eine brillante Idee ist zum falschen Zeitpunkt absolut nichts wert.
Wie Henry Ford schon sagte: „Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit“ oder Weisheiten wie „Man muss die Fähnchen in den Wind stellen“ oder „Wer aufhört besser zu werden, hat aufgehört gut zu sein“ – es gibt wahrscheinlich tausende Sprichwörter, die alle denselben Sachverhalt beschreiben: Wer den Erfordernissen der Zeit nicht gerecht wird, fällt früher oder später zurück. Die Zeiten sind ungewiss, unbeständig und erfordern nicht nur Mut und Durchhaltevermögen, sondern auch eine gute Prise Zuversicht und Kreativität. Und genau darum ging es beim diesjährigen Trendforum vom Industrieverband Spectaris in der Berliner Classic Remise.
Immer wieder neu, immer wieder gut
Das Trendforum, eine Veranstaltung, die fast selbst schon eine Institution ist und die bei vielen Besuchern einen festen Platz im Kalender hat. Es ist ein Tag, an dem man einmal über den Tellerrand schaut, es geht um Augenoptik und irgendwie auch wieder nicht – es ist ein Ausbruch aus dem Alltag und ein Impuls, der zum Nachdenken und zu Veränderungen anregt. Entgegen der Gerüchte, und auch wenn sich der eine oder andere schon auf dem Dampfer auf dem Rhein gesehen hat, fand das Trendforum in diesem Jahr wieder am angestammten Platz – der Berliner Classic Remise – statt. Denn ja, auch ein Trendforum muss mit der Zeit gehen und sich hin und wieder neu erfinden, um am Puls der Zeit zu bleiben.
Vorerst war aber erstmal alles so wie immer: eine Vorabendveranstaltung in einem mehr oder weniger ausgefallenen Lokal, bei dem mit Drinks und Knabbereien ein lockeres Get-together zelebriert wird und tags darauf ein inspirierendes Vortragsprogramm zwischen Oldtimern und Dieselduft. Wie immer war auch Wolfram Kons mit von der Partie, der gewohnt locker, flockig durch den Tag moderierte – wahrscheinlich könnte er mit dem Wissen der letzten Jahre auch selbst ein augenoptisches Fachgeschäft führen.
Es ist Berlin, Berlin ist verrückt und dann noch der Verkehr … Durch verschiedene Verzögerungen startete der Tag nach der Begrüßung durch Mirjam Rösch, Vorstandsvorsitzende des Spectaris-Industrieverbandes, und Wolfram Kons nicht wie geplant mit der Keynote-Rede von Florian Schröder, sondern mit einer äußerst interessanten Podiumsdiskussion zu den Erkenntnissen des Deep Dives vom Vortag zum Thema Screening.
Podiumsdiskussion zu Screening
Auf dem Podium befanden sich Dr. med. Per Heuvels, Gründer und geschäftsführender Gesellschafter der Augenärzte Niederelbe, Prof. Dr. Philipp Hessler, Studiengangsleiter der EAH Jena und selbständiger Augenoptiker/Optometrist, Detlef Göttlich, Mitbegründer der Denkfabrik-Augenoptik und Teil der Geschäftsleitung von Optiswiss, und Hannes Claussnitzer, Vertriebsleiter von Bon Optic. Geführt wurde die Diskussion von Petra Lindner – einer Optometristin aus Leidenschaft – die sich auf das optometrische Screening konzentriert und speziell dem Thema Netzhaut widmet.
Solche Gesprächsrunden können anstrengend sein – doch nicht in diesem Fall! Selten war ein Austausch auf dem Podium so spannend und zugleich erfrischend ehrlich. Der Beruf ist im Wandel. Was wir seit vielen Jahren spüren, wurde mit der veränderten Meisterprüfungsordnung noch einmal sichere Gewissheit. Der Weg führt vom klassischen Handwerk hin zum Gesundheitsdienstleister, mit allem, was dazugehört. Das Screening hat dafür eine zentrale Bedeutung, keine Frage! Doch wer es anbietet, muss sich damit auskennen und darf sich nicht blind auf die integrierten KI-Systeme in der Gerätesoftware verlassen. Hochinteressant war zu sehen, wie ein Augenarzt zu dem Thema steht, oder die Vertreter der Geräteindustrie, oder wie der O-Ton aus den Hochschulen ausfällt. Einig sind sich alle über die Wichtigkeit des Themas und dabei, dass nur ein professionelles und fundiertes Screening überhaupt etwas taugt. Und nein: der Augenarzt aus dem Tele-Netzwerk, der nur die Befunde, aber nie den Menschen sieht – ist nicht der perfekte Ersatz für einen echten Augenarztbesuch. Der Lösungsansatz liegt wohl in einem Zusammenspiel aus fachlicher Kompetenz des augenoptischen Personals, modernen Geräten und einer engen regionalen Vernetzung von Augenärzten, Optometristen und Augenoptikern, um dem Kunden nicht nur eine vermeintliche Diagnose, sondern auch einen Therapieansatz mitgeben zu können.
Nichts ist mehr so, wie es war
Im Anschluss an diese spannende Diskussion war dann ARD-Moderator, Satiriker und Meinungsbildner Florian Schröder, mit seiner Keynote-Rede an der Reihe. Sie trug den Titel: „Die Welt ist aus den Fugen – aber Deine muss es nicht sein!“ Dabei nahm er Bezug zur Lage der Welt und gab dem Publikum auch eine kleine Anleitung zum Glücklichsein mit an die Hand. Manchmal weiß man ja auch gar nicht so genau, ob man lachen oder weinen soll – und ja: Florian Schröder konnte einen mit genau diesem Gefühl abholen. Kein Wunder, dass er nicht nur ein gefragter Gast bei sämtlichen Talkshow-Formaten der Republik ist – er bringt das Zeitgeschehen auf den Punkt, ist dabei aber so charmant, dass man am Ende dann doch lieber lacht. Und genau sowas braucht die Fernsehkultur: weniger Panikmache und mehr charmante Faktenlage.
„Safe, mach Augenoptik!“
Nach einer Kaffee-Pause und einem kleinen Vortrag zur allgemeinen Lockerung ging es über zu den fachlicheren Themen der augenoptischen Welt. Die Messechefin der Opti Cathleen Kabashi gab gemeinsam mit Tobias Gröber, dem CEO der GHM Gesellschaft für Handwerksmessen und Veranstalter der Messe, einen Ausblick auf die Opti im Januar 2026. Dabei wurde schnell klar: Es erwarten uns auch viele neue Konzepte in den Messehallen.
Innovation ist aber nicht nur für das Voranbringen bestehender Strukturen unabdingbar, sondern auch, um den Beruf für den Nachwuchs interessant zu machen. Für eine starke Zukunft braucht es Auszubildende, Einsteiger und Nachfolger. Doch obwohl der Beruf Augenoptiker ein wirklich breit gefächertes Tätigkeitsfeld bietet und in Zeiten von KI auch als relativ zukunftssicher gilt, ist er in der jungen Generation bei Weitem nicht so bekannt, wie er sein könnte. Christoph Baum, ZVA, und Lutz Jurkat, CEO bei GROW. Digital Group, haben mit ihrem Beitrag „Kampf dem Azubi-Mangel in der Augenoptik“ das Thema eingehend beleuchtet. Im Vortrag wurden zwei verschiedene Kampagnen vorgestellt, die von den Auszubildenden der Agentur ausgearbeitet wurden. Der Grundgedanke hierbei: Warum haben junge Leute die Augenoptik als Beruf gar nicht auf dem Schirm? Die entwickelten Kampagnen stellten immer wieder die Vielseitigkeit und die Zukunftssicherheit des Berufes in den Vordergrund und visualisierten alles in Form von Collagen oder Gaming-Charakteren. Innovativ? Auf jeden Fall – und vielleicht ein neuer Ansatz, wenn es um die eigene Azubiansprache geht.
Doch das Trendforum wäre nicht das Trendforum, wenn es nur um die Theorie gehen würde. In diesem Jahr wurden verschiedene Meisterschüler eingeladen, um am inspirierenden Vortragsprogramm teilzunehmen und nebenbei – abseits der Hauptbühne – einen eigenen Workshop zu starten, in dem es ganz um die Selbständigkeit im Augenoptikerhandwerk geht. Schließlich legen sie mit ihrer Ausbildung den Grundstein, um als zukünftige Geschäftsinhaber tätig zu sein.
Der letzte Vortrag vor der Mittagspause war ein Beitrag von Stefan Genth, dem Hauptgeschäftsführer des Handelsverband Deutschland, mit dem Thema: „Die aktuellen Megatrends des Handels – aus der Adlerperspektive“. Im Vortrag beleuchtete er die Auswirkungen globaler Krisen, Inflation und geopolitischer Spannungen und analysierte die daraus resultierenden Veränderungen im Konsumverhalten. Die Schaubilder zeigten die Umsatzzahlen im Laufe der letzten Jahre und den Vergleich von Online- und Offlineeinkäufen. Leider blieben die Erkenntnisse ohne klare Handlungsempfehlung für das Publikum.
Kompromisse als Königsdisziplin
Nach der Mittagspause sprach Volker Wissing, Politiker, Jurist und ehemaliger Bundesminister für Digitales und Verkehr, über das Rückgrat in der Politik. Dabei gab er nicht nur ein Statement zum Scheitern der Ampel-Koalition ab, sondern sprach generell darüber, wie Politik funktioniert und gemacht wird. In seinem Vortrag kritisierte er vor allem die Tatsache, dass sich der deutsche Bundestag sehr schwer damit tut, Kompromisse zu schließen. Anders als es die Wahlprogramme vermuten lassen, gehe es im eigentlichen Sinne eben nicht ums Gewinnen, sondern darum, einen Konsens zwischen den vereinzelten Volksvertretern zu finden und Kompromisse auszuarbeiten, mit denen alle leben können – zum Wohle der Bevölkerung. Vielleicht schaffen wir es einen Weg zu finden, der weg von einer „Mit dem Kopf durch die Wand“-Philosophie und hin zu einem echten Miteinander führt. Die aktuelle Krisenlage würde es erfordern.
Eine besondere Auszeichnung
Im Anschluss wurde es dann wieder sehr „augenoptisch“, als Maik Hartung, Carl Zeiss Vision, und Kerstin Kruschinski, Kuratorium Gutes Sehen, mit dem Thema: „Am Puls der Zeit – digitale Wege zum Konsumenten“ die Bühne betraten. Die zentrale Frage: Wie bringe ich augenoptisches Wissen an den Konsumenten und diesen im besten Falle zum Augenoptiker? Es geht um gut recherchiertes Wissen, um eine endverbrauchergerechte Aufarbeitung der Themen und um das Erkennen, was für die Verbraucher wirklich wichtig ist. Das Kuratorium Gutes Sehen ist die Plattform, die den augenoptischen Alltag nach außen trägt und durch viel Engagement und Durchhaltevermögen eine immense Reichweite aufgebaut hat. Dieser Erfolg geht nicht über Nacht und schon gar nicht ohne die entsprechende Expertise. Prof. Dr. Wolfgang Wesemann begleitet das KGS bereits seit rund 25 Jahren und wurde im Rahmen der Veranstaltung mit der Duncker-Medaille geehrt. Es ist eine Auszeichnung für sein Lebenswerk in der Physik, Medizin, Augenoptik und für die Aufklärungsarbeit, die er im Laufe der Jahre geleistet hat. Diese Ehrung erhalten Persönlichkeiten, die mit Wissen, Leidenschaft und Engagement die Augenoptik nachhaltig geprägt haben.
Nach diesem kurzen Blick in die Vergangenheit richtete sich das Vortragsprogramm mit klarem Blick in Richtung Zukunft – hin zu dem Teil davon, den wir heute schon genießen dürfen.
KI als Zukunftstechnologie – bist du bereit?
Prof. Dr. Vanessa Just, Gründerin der Justech GmbH, Unternehmerin und Expertin für Business Administration, referierte zum Thema: „KI revolutioniert die Märkte. So machen Sie mit ihrer Hilfe mehr Umsatz“. Das Thema ist uns allen ein Begriff und sicher nutzt der ein oder andere bereits Chat GPT und andere KI-Gadgets, um den Arbeitsalltag ein kleines bisschen einfacher zu gestalten. Doch im Vortrag konnte die Digitalexpertin mit Witz und Charme zeigen, dass KI auch ganz banale Tätigkeiten übernehmen kann. Auch wenn das mehr zur Kosteneinsparung anstatt zu Umsatzwachstum führt – aber hey: Geld ist Geld. Also warum lassen wir die Dienstpläne nicht von der KI erstellen oder füttern entsprechende Tools mit Zahlen und lassen uns die Quartalsberichte einfach und verständlich erklären? Warum lassen wir nicht passende Maßnahmen erarbeiten, anstatt selbst stundenlang über Urlaubsplanung, Dienstplanstreitigkeiten oder Zahlensalat zu brüten? Die Mittel sind da und keiner hat gesagt, dass wir sie nicht benutzen dürfen! Also einfach mal überlegen: Welche zeit- und nervenfressende Tätigkeit hätte das Potenzial, auch von einer KI ausgeführt zu werden?
Zukunft mit Durchblick
Nach einer letzten kleinen Kaffee-Pause bleiben wir beim Thema Zukunftsmusik und machen einen Ausflug in die Welt der Smart-Brillen. Der Journalist Richard Gutjahr zeigte dem Publikum, welche Möglichkeiten smarte Brillen in der Zukunft bieten können und wo der aktuelle Entwicklungsstand liegt. Ja, wir haben die Flops der Vergangenheit nicht vergessen, aber neue Erkenntnisse, neue Technologien und der unerbittliche Kampf um das Platzhirsch-Dasein treiben die Hersteller zu Höchstleistungen an. Wir dürfen gespannt sein, was uns erwartet und was die „Brillen der Zukunft“ alles können.
Tischtennis-Match mit Timo Boll
Das Highlight des Tages war der letzte Beitrag: Tischtennislegende Timo Boll gab Einblicke in sein Leben als Profisportler bei Olympia und welche Lehren er aus seiner sportlichen Karriere ziehen konnte. Neben seinen Fähigkeiten als Tischtennisspieler ist Timo Boll auch für die Augenoptik ein echtes Phänomen – denn bei der Refraktionsbestimmung von Prof. Dr. Wolfgang Sickenberger (EAH Jena) und Gernot Jendrusch (RUB) konnte ein Maximalvisus von 2,8 festgestellt werden.
Damit steht wieder einmal fest, dass gutes Sehen den entscheidenden Unterschied darstellt und in vielen Situationen über Sieg oder Niederlage bestimmt. Für einen perfekten Abschluss konnten interessierte Besucher selbst Hand anlegen und mit dem Olympioniken eine Runde Tischtennis spielen. Ein unvergessliches Erlebnis für die anwesenden Fans.
Nach diesem sportlichen Meilenstein und der Verabschiedung durch Mirjam Rösch und Wolfram Kons fand ein weiteres wundervolles Trendforum sein Ende.









