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Überblick: Forschung und Studien

Professor Hamdi Torun mit der GlakoLens-Kontaktlinse. Bild: Simon Veit-Wilson/Northumbria University

Kontaktlinsenhygiene, Glaukomdiagnose, Augenheilung, Amblyopie

Studienergebnisse liefern Hinweise, dass ein Wirkstoff aus Baumrinden ein wirksames Desinfektionsmittel für Kontaktlinsen sein könnte. Wissenschaftler aus dem Vereinigten Königreich und der Türkei haben eine neue Kontaktlinse entwickelt, die Veränderungen des Augendrucks erkennen kann. Ein patentiertes Kontaktlinsenmaterial könnte bei Bedarf Medikamente freisetzen, um die Heilung von Augenverletzungen zu beschleunigen. In einer Studie konnte eine Korrelation zwischen Amblyopie und einem erhöhten Risiko für schwere Erkrankungen im Erwachsenenalter beobachtet werden. Jeden Monat werden weltweit neue Studien veröffentlicht. Welche neuen Erkenntnisse dabei in Augenoptik, Optometrie und Ophthalmologie gewonnen wurden, fassen wir für Sie in jeder FOCUS-Ausgabe zusammen.


Organische Verbindung als Kontaktlinsenhygienemittel getestet

Die mikrobielle Keratitis ist eine Infektion der Hornhaut, die durch Bakterien verursacht wird, am häufigsten durch Pseudomonas aeruginosa. Für Kontaktlinsenträger ist die Krankheit eine der schwerwiegendsten möglichen Komplikationen.

Die Universität Portsmouth, Vereinigtes Königreich, berichtet von einer Studie, die nahelegt, dass die organische Verbindung Hydrochinin, die in einigen Baumrinden vorkommt, ein wirksames Desinfektionsmittel für Kontaktlinsen sein könnte. Hydrochinin hat eine bakterientötende Wirkung gegen Pseudomonas aeruginosa und andere klinisch relevante Keime. Ein Team der University of Portsmouth in England und der Universitäten Naresuan und Pibulsongkram Rajabhat in Thailand hat nun das Potenzial der Substanz bei der Desinfektion von Kontaktlinsen unter die Lupe genommen. Die Forscher untersuchten die antibakteriellen, Anti-Adhäsions- und Anti-Biofilm-Eigenschaften von Mehrzwecklösungen (MPS) mit Hydrochinin und verglichen sie mit zwei kommerziellen MPS. Die natürliche Verbindung tötete 99,9% der Bakterien zum Zeitpunkt der Desinfektion ab. 

Nach Angaben der Hauptautorin der Studie, Sattaporn Weawsiangsang, deuten die ersten Studienergebnisse darauf hin, dass das Einweichen von Kontaktlinsen in einer hydrochininhaltigen Mehrzwecklösung hilfreich sein könnte, um eine Kontamination und Infektion zu verhindern. Die organische Verbindung könnte zur Entwicklung neuer Desinfektionsmittel aus Naturprodukten beitragen, doch zunächst sind weitere Untersuchungen erforderlich, um festzustellen, ob sie auch unerwünschte Reaktionen oder Toxizität aufweist. Die Forscher empfehlen auch, die Wirksamkeit der Substanz bei verschiedenen Kontaktlinsenmaterialien und gegenüber anderen pathogenen ­Mikroorganismen weiter zu untersuchen. Die Arbeit wurde in der Zeitschrift Antibiotics veröffentlicht.

DOI: 10.3390/antibiotics13010056
Quelle: University of Portsmouth


Neu entwickelte Kontaktlinsen zur Glaukomdiagnose

Weltweit sind etwa 70 Millionen Menschen von einem Glaukom betroffen, das unbehandelt zu einem irreversiblen Verlust des Sehvermögens führen kann. Ein Glaukom entsteht, wenn der Sehnerv geschädigt wird, in der Regel durch eine Flüssigkeitsansammlung im vorderen Teil des Auges, die den Augeninnendruck (IOD) erhöht. Meist entwickelt sich ein Glaukom schleichend und wird oft erst entdeckt, wenn bereits bleibende Schäden entstanden sind. 

Wissenschaftler aus dem Vereinigten Königreich und der Türkei haben nun eine Kontaktlinse entwickelt, die Veränderungen des Augendrucks erkennen kann. Die neuen Kontaktlinsen enthalten Mikrosensoren, die Veränderungen des Augeninnendrucks über einen Zeitraum von mehreren Stunden überwachen und die gesammelten Daten drahtlos übermitteln, damit sie von einem Augenarzt analysiert werden, um eine Diagnose zu stellen. Die Forschungsarbeit wurde von Professor Hamdi Torun von der Northumbria University und den Professoren Günhan Dündar und Arda D. Yalcinkaya von der Boğaziçi University in Istanbul durchgeführt und in Contact Lens and Anterior Eye, dem offiziellen Journal der British Contact Lens Association, veröffentlicht. Der Artikel stellt die Ergebnisse der ersten Pilotstudie mit sechs gesunden Freiwilligen vor.

Einer der Vorteile des Einsatzes der Kontaktlinsen zur Glaukomdiagnose anstelle einer herkömmlichen Untersuchung soll darin bestehen, dass die Messungen über einen längeren Zeitraum einfacher durchgeführt werden können und dadurch eine genauere Diagnose möglich ist, da der Augeninnendruck innerhalb eines Tages stark schwanken kann. Mit den neu entwickelten Kontaktlinsen können Patienten nach dem Einsetzen der Linsen ihrem normalen Tagesablauf nachgehen, während ihre IOD-Messungen aufgezeichnet und nach Abschluss der 24-stündigen Testphase zur Analyse an einen Arzt geschickt werden.

Bei früheren Kontaktlinsen zur Messung des Augeninnendrucks wurde ein elektrisch aktiver Siliziumchip verwendet, der zu einer dickeren, weniger komfortablen und weniger flexiblen Linse führt. Die neuen Kontaktlinsen verwenden einen elektrisch passiven Sensor, der in eine weiche Einweg-Kontaktlinse eingebettet ist, und ein tragbares elektronisches Auslesesystem, das die Daten erfasst, speichert und verarbeitet, was die Linse bequemer macht und es dem Patienten ermöglicht, seinen Alltag wie gewohnt zu bewältigen.

Die Linsen können neben dem Augeninnendruck auch verschiedene im Auge vorhandene Moleküle messen und Professor Torun sieht in der Technologie großes Potenzial für die Frühdiagnose von Glaukom und anderen Krankheiten. 

Als nächstes ist eine weitere Studie mit einer größeren Gruppe von Teilnehmern geplant. In der Zukunft sollen die Kontaktlinsen über das Spin-off-Unternehmen GlakoLens kommerziell verfügbar gemacht werden.

DOI: 10.1016/j.clae.2023.102102 
Quelle: Northumbria University 


Augenheilung mit Kontaktlinsen

Ein interdisziplinäres Team der University of Waterloo, ­Kanada, hat ein neues Kontaktlinsenmaterial entwickelt, das als Verband für Hornhautwunden dienen könnte und gleichzeitig Medikamente kontrolliert freisetzt, damit das Auge schneller heilen kann.

In der Regel tragen Patienten mit Hornhautabschürfungen sieben bis zehn Tage lang eine klare, sauerstoffdurchlässige Verbandskontaktlinse, in die oft auch antibiotikahaltige Augentropfen geträufelt werden. Durch die einmalige Verabreichung von Antibiotika ist es jedoch schwierig sicherzustellen, dass genügend Medikamente für eine dauerhafte Behandlung auf dem Auge verbleiben. 

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Laut Dr. Lyndon Jones, Professor an der School of Optometry & Vision Science in Waterloo und Direktor des Centre for ­Ocular Research & Education (CORE), handelt es sich bei dem neuen Kontaktlinsenmaterial um ein System zur gezielten Abgabe von Medikamenten, das auf den Körper reagiert und die Medikamentenabgabe an die Verletzung anpasst.

Da die University of Waterloo über mehrere Forscher und Unternehmer verfügt, die Technologien entwickeln, um die Grenzen des Gesundheitswesens zu überwinden, konnte Jones mit Dr. Susmita Bose Dr. Chau-Minh Phan und Dr. Evelyn Yim, einer außerordentlichen Professorin für Chemieingenieurwesen, zusammenarbeiten, die an Materialien auf Kollagenbasis arbeiten. Ergänzt wurde das Team durch Dr. Muhammad Rizwan, einen ehemaligen Postdoktoranden, und John Waylon Tse einen ehemaligen Doktoranden, beide aus Yims Labor.

Kollagen ist ein natürlich im Auge vorkommendes Protein, das auch häufig am Wundheilungsprozess beteiligt ist – allerdings ist es zu weich und schwach, um als Material für Kontaktlinsen zu dienen. Yim fand einen Weg, Gelatine-Methacrylat, ein Kollagenderivat, in ein zehnmal stärkeres Biomaterial zu verwandeln. Eine einzigartige Eigenschaft von Materialien auf Kollagenbasis ist, dass sie sich abbauen, wenn sie einem Enzym namens Matrix-Metalloproteinase-9 (MMP-9) ausgesetzt werden, das natürlicherweise im Auge vorkommt. Nach Angaben von Phan erlaubt diese Eigenschaft, das Kontaktlinsenmaterial so zu gestalten, dass die Medikamentenfreisetzung proportional zur Menge der in der Wunde vorhandenen Enzyme ist, d.h. eine größere Wunde erhält mehr Medikament. Ein weiterer Vorteil des Materials ist, dass es erst bei Augentemperaturen aktiviert wird und somit einen eingebauten Speichermechanismus bietet.

Das Team verwendete Rinder-Lactoferrin als Modell für ein wundheilendes Medikament und schloss es in das Material ein. In einer Studie an menschlichen Zellkulturen erzielten die Forscher damit eine vollständige Wundheilung innerhalb von fünf Tagen.

Die Wissenschaftler glauben, dass ihr Material ein großes ­Potenzial für das Auge und möglicherweise auch für andere Körperstellen hat, insbesondere für große Hautgeschwüre. Der nächste Schritt ist die Feinabstimmung des Materials, einschließlich des Einschlusses verschiedener Medikamente. 

Eine Studie, in der die Arbeit der Forscher beschrieben wird, wurde in der Zeitschrift Pharmaceutics veröffentlicht. 

DOI: 10.3390/pharmaceutics16010026
Quelle: University of Waterloo


Amblyopie und Risiko für schwere Erkrankungen im späteren Leben

Bei Amblyopie kann das Gehirn die visuellen Signale des betroffenen Auges nicht richtig verarbeiten. Diese neurologische Entwicklungsstörung kann beispielsweise in Folge von schwächerer Sicht auf einem Auge oder Schielen auftreten.

Wie das University College London (UCL), Vereinigtes ­Königreich, berichtet, wurde in einer Studie unter Leitung von UCL-Forschern beobachtet, dass Erwachsene, die in ihrer Kindheit an Amblyopie litten, im Erwachsenenalter ein höheres Risiko für Bluthochdruck, Fettleibigkeit und das metabolische Syndrom (ein gemeinsames Auftreten bestimmter Erkrankungen, wie z.B. Übergewicht und Bluthochdruck) und Herzinfarkt zeigen, wobei betont wird, dass diese Studie keinen kausalen Zusammenhang zwischen Amblyopie und gesundheitlichen Problemen im Erwachsenenalter belegt, sondern lediglich eine Korrelation aufzeigt. 

Die Wissenschaftler analysierten die Daten von mehr als 126.000 Teilnehmern im Alter von 40 bis 69 Jahren aus der britischen Biobank-Kohorte (eine groß angelegte biomedizinische Datenbank und Forschungsressource), die sich einer Augenuntersuchung unterzogen hatten. Die Teilnehmer wurden bei der Rekrutierung gefragt, ob sie in ihrer Kindheit wegen Amblyopie behandelt wurden und ob sie im Erwachsenenalter immer noch an dieser Krankheit leiden. Außerdem wurden sie gefragt, ob bei ihnen Diabetes, Bluthochdruck oder eine kardio-zerebrovaskuläre Erkrankung (d.h. Angina pectoris, Herzinfarkt, Schlaganfall) diagnostiziert worden war. Ihr BMI (Body-Mass-Index), Blutzucker- und Cholesterinspiegel sowie die Sterblichkeit wurden erhoben.

Von den 3.238 Teilnehmern, die angaben, als Kind Amblyopie gehabt zu haben, hatten 82,2% als Erwachsene eine anhaltende Sehschwäche auf einem Auge. Teilnehmer mit Amblyopie als Kind wiesen ein um 29% höheres Risiko auf, an Diabetes zu erkranken, ein um 25% höheres Risiko für Bluthochdruck und ein um 16% höheres Risiko für Fettleibigkeit. Sie hatten auch ein erhöhtes Risiko für einen Herzinfarkt, wobei andere Risikofaktoren für diese Erkrankungen (z.B. andere Krankheiten, ethnische Zugehörigkeit und soziale Schicht) berücksichtigt wurden. Das erhöhte Risiko für Gesundheitsprobleme betraf zum Teil auch Teilnehmer, die als Kind Amblyopie und als Erwachsene eine Sehschärfe von 20/20 aufwiesen, obwohl die Korrelation weniger stark war.

Aus Sicht des Forscherteams verdeutlichen diese Beobachtungen, dass die Gesundheit von Kindern die Grundlage für die Gesundheit von Erwachsenen bildet. Die Arbeit wurde in EClinicalMedicine veröffentlicht. ν

DOI: 10.1016/j.eclinm.2024.102493  
Quelle: University College London

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