Alterssichtigkeit

15.09.2021

Ein schönes Beispiel für ein Wort, das beschreibt, was ist, auch wenn die Eitelkeit dabei angekratzt wird. Denn Mitte/Ende 40 wird es offiziell – die Sehkraft in der Nähe lässt nach. Und egal wie hip die Figur auf dem Longboard aussieht oder wie jung der durchtrainierte Körper wirkt: Die Natur nimmt ihren Lauf, zumindest im Inneren des Augapfels. Und Sie können nichts bis wenig dagegen tun. 

Diesen Prozess aufhalten zu wollen, war schon immer der Traum der Menschen. Über die Jahrhunderte hinweg gab es nur wenige Glückliche, die sich mit Linsen aus Quarz behelfen konnten, das zeigen Funde, die bis zu 3.000 Jahre zurückreichen. Auch die geschliffenen Kristalle aus dem schwedischen Visby, die eine nahezu perfekte Asphäre aufweisen, zeigen die Bemühungen, eine perfekte Optik zu erschaffen – und das bereits zu Zeiten der Wikinger.

Seit den frühen Pionierarbeiten von Donders und Duane ist es heute auch Laien bekannt, dass die Akkommodation des Auges mit dem Alter abnimmt. Alterssichtigkeit ist eine ­globale Angelegenheit, von der über eine Milliarde Menschen weltweit betroffen sind. In vielen Teilen der Welt bedeutet die Alterssichtigkeit auch den Verlust der Erwerbstätigkeit, wenn keine ausreichende Korrektur verfügbar ist. Das Vorkommen der nicht behandelten Presbyopie liegt in den Entwicklungsländern bei bis zu 50% der über 50-Jährigen. Selbst in den Industrieländern liegt dieser Wert mit rund einem Drittel recht hoch. 

Wir rücken ihr standardmäßig vor allem mit Brillen, Kontaktlinsen und gutem Licht zu Leibe. Damit kennen wir uns seit Jahrzehnten aus und wir freuen uns darüber, dass ganz ­besonders die ältere Generation gerne viel Geld für eine ­schicke Gleitsichtbrille ausgibt. Augenärzte setzen weniger häufig Intraokularlinsen mit multifokalen Optiken oder mit erweiterter Schärfentiefe, den sogenannten EDOF-Geometrien, ein. Seit geraumer Zeit sucht man nach Möglichkeiten, die Presbyopie nachhaltiger, für den Betroffenen effektiver, zu behandeln und sie damit von der Brille gänzlich zu ­befreien. 

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Ein Ansatz ist dabei die Presbyopie dort zu behandeln, wo sie entsteht: in der Augenlinse selbst. Das beginnt mit dem Versuch, mittels Laser oder Medikamenten den Elastizitätsverlust im Linsenkern zu verzögern oder Teile der eigenen Linsenrinde zu erhalten und sie mit einer elastischen Ersatzsubstanz auszufüllen. Mehrere Hersteller arbeiten an einer IOL, die eine Flüssigkeit enthält, flexibel ist und damit unsere natürliche physiologische Akkommodation imitieren soll – und zwar ohne induzierte Aberration, Blendung und Dysphotopsie. ­Zugelassen sind diese Linsen jedoch noch nicht.

Auch bei den Inlays gibt es Neuigkeiten. Spanische Forscher haben das erste völlig transparente trifokale Hornhaut-Inlay entwickelt. Es soll eine Alternative sein für Presbyope, die keine Brille oder Kontaktlinsen verwenden möchten. Dabei soll sie kompatibel mit der refraktiven Laserchirurgie sowie mit möglichen nachfolgenden Katarakteingriffen sein. 

Ebenso wird weiterhin an Augentropfen geforscht und gearbeitet, die in ihrer Wirkungsweise hauptsächlich auf einen kleinen Pupillendurchmesser setzen. Nicht weniger als acht unterschiedliche Hersteller inklusive großer Pharma-Riesen beschäftigen sich derzeit mit den Möglichkeiten dieser ­Methode. 

Die Gleitsichtbrille wird sicher noch lange nicht vom Thron gestoßen werden, aber wir dachten, das sollten Sie wissen. Denn in Zukunft wird das biologische Alter irgendwann nicht mehr nur an Trompetenarmen oder den hastig hervorgekramten Brillen erkennbar sein. Die Alterssichtigkeit wird möglicherweise einem neutralen Betrachter genauso verborgen bleiben wie eine gebotoxte Zornesfalte.

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