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Das Lieferkettengesetz

Aufmacherbild zum Lieferkettengesetz. Eine Hand greift an einen Maschendrahtzaun.
Bild: Siam/stock.adobe.com

Derzeit machen sich viele Unternehmen Gedanken über das neue Lieferkettengesetz, das seit Beginn dieses Jahres in Kraft getreten ist. Was hat es mit den neuen Vorschriften auf sich? Wen betreffen die Regelungen? Wie kann man die Forderungen erfüllen? Wir wollen ein wenig Licht in das Dunkel des neuen Gesetzes bringen. Von Hartmut Fischer

Ziel des Lieferkettengesetzes

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung stellt auf seiner Internetseite zunächst klar, dass es bei dem Gesetz nicht darum geht, die deutschen Sozialstandards auf allen Ebenen zu implementieren. Vielmehr zielt das Gesetz darauf ab, dass die grundlegenden Menschenrechtsstandards eingehalten werden sollen. 

Hierbei wird dem Unternehmen die Hauptverantwortung für die eigene Lieferkette übertragen. Das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ verlangt von den betroffenen Unternehmen dafür zu sorgen, dass in der gesamten Lieferkette die grundlegenden Menschenrechte und Umweltstandards eingehalten werden. Unter der Lieferkette wird dabei der vollumfängliche Prozess von der Gewinnung der Rohstoffe bis zum fertigen Verkaufsprodukt verstanden.

Wer ist vom Lieferkettengesetz betroffen?

Direkt sind vom Lieferkettengesetz in diesem Jahr nur Unter­nehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten betroffen. Ab dem nächsten Jahr kommen dann auch Firmen mit 1.000 und mehr Beschäftigten hinzu. Das Gesetz gilt auch für ausländische Unternehmen oder deren Zweigniederlassungen, wenn die zuvor genannte Mitarbeiteranzahl in Deutschland beschäftigt wird.

Kleinere Unternehmen sind also von dem Gesetz zumindest nicht direkt betroffen. Man muss aber damit rechnen, dass die direkt betroffenen Betriebe ihre Zulieferer in die Pflicht nehmen. Erste Stichproben haben zwar ergeben, dass derzeit nur wenige Unternehmen Fragebögen bezüglich der Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutzbestimmungen im Rahmen des Lieferkettengesetzes an ihre Zulieferer verschicken. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Zahl zunehmen wird, wenn die ersten Überprüfungen auf Einhaltung der Bestimmungen erfolgen. Unternehmen sollten deshalb bereits jetzt bei der Auswahl der eigenen Zulieferer das Lieferkettengesetz nicht aus dem Auge verlieren. 

Da die direkt vom Gesetz betroffenen Unternehmen sich von ihren Zulieferern entsprechende Erklärungen unterschreiben lassen, werden diese Zulieferer sich auch weiter „nach unten“ absichern und von ihren Lieferanten schriftliche Zusicherungen verlangen. So wirkt sich das Gesetz über die gesamte Lieferkette aus. 

Die Forderungen, die das Gesetz an die betroffenen Unternehmen stellt, sind sehr umfangreich (siehe nächstes Kapitel). Sie richten sich zunächst nach den Einflussmöglichkeiten. Am stärksten sind die Möglichkeiten im eigenen Geschäfts­bereich. Großen Einfluss kann das Unternehmen auch bei direkten Zulieferern geltend machen. Schwieriger wird die Einflussnahme bei Betrieben, die nur indirekt dem eigenen Unternehmen zuarbeiten. Allerdings verlangt hier der Gesetzgeber nur ein Eingreifen, wenn dem Unternehmen Verstöße gegen das Lieferkettengesetz bekannt werden. Man muss also hier nicht aktiv nach Verstößen suchen. 

Neben diesen drei Stufen berücksichtigt das Gesetz auch die folgenden Faktoren:

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  • Das Geschäftsfeld des Unternehmens an sich (Art und Umfang).
  • Die Möglichkeiten des Unternehmens, auf den Verursacher von Gesetzesverstößen einzuwirken. 
  • Die Schwere des Gesetzesverstoßes.
  • Inwieweit das Unternehmen an dem Verstoß beteiligt ist.

Was wird von dem Unternehmen verlangt?

Das Gesetz verlangt vom Unternehmen die Überprüfung und Einhaltung von arbeits- und umweltrechtlichen Standards. Im Zentrum der arbeitsrechtlichen Standards stehen die folgenden Punkte:

  • Schutz von Leben und Gesundheit 
  • gerechte und günstige Arbeitsbedingungen
  • angemessener Lohn
  • Sicherung eines angemessenen Lebensunterhalts 
  • sichere und gesunde Arbeitsbedingungen 
  • Sicherung eines angemessenen Lebensstandards
  • Kinderschutz (insbesondere Schutz vor wirtschaftlicher und sozialer Ausbeutung und Freiheit von Kinderarbeit) 
  • Schutz vor Sklaverei, Leibeigenschaft, Zwangs- oder Pflichtarbeit

Im umweltrechtlichen Bereich liegt der Schwerpunkt auf der Bekämpfung und Vermeidung der negativen Folgen einer Quecksilberemission und den negativen Folgen von schwer abbaubaren organischen Schadstoffen.

Die Umsetzung in den Betrieben

Zunächst muss das Unternehmen eine Risikoanalyse durchführen, mit der die nachteiligen Auswirkungen auf die vom Gesetz vorgeschriebenen Standards ermittelt werden.

Auf Basis dieser Analyse muss eine Grundsatzerklärung verabschiedet werden, an die auch die direkten Zulieferer gebunden sind. Die Erklärung muss mindestens die folgenden Punkte umfassen:

  • Beschreibung eines Verfahrens, mit dem das Unternehmen seinen Verpflichtungen nachkommt.
  • Die aufgrund einer Risikoanalyse festgestellten prioritären, menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken.
  • Die aus der Risikoanalyse resultierenden Erwartungen, die das Unternehmen an seine Mitarbeiter und Lieferanten stellt.

Außerdem muss das Unternehmen ein Risikomanagement installieren, das auch Präventionsmaßnahmen und Abhilfemechanismen entwickelt. Gleichzeitig muss ein Beschwerdemechanismus vorhanden sein. Dieser Mechanismus muss aber nicht im eigenen Unternehmen installiert werden, man kann sich auch an entsprechenden Einrichtungen – beispielsweise bei den Branchenverbänden – beteiligen.  

Die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben muss transparent sein: Kontrollen und Maßnahmen müssen durch Dokumentationen und Berichte belegt werden.

In den offiziellen Erläuterungen zum Lieferkettengesetz wird empfohlen, die Stelle eines Menschenrechtsbeauftragten einzurichten. Dabei sollte es sich um eine Stabsstelle handeln, die unmittelbar der Geschäftsleitung unterstellt wird. Die Menschenrechtsbeauftragten sollten entsprechend ausgestattet werden, um ihre Arbeit umfassend wahrnehmen zu können. Von hier aus würden dann auch Kontrollen bei den Zulieferern durchgeführt. Werden neue Geschäftsbereiche eröffnet oder Produkte in das Sortiment aufgenommen, sollte sich die Geschäftsleitung von der Stabsstelle informieren lassen.

MissständeReaktionen
Im eigenen BetriebUnverzügliche Abhilfe: Maßnahmen einleiten, die zu einer schnellstmöglichen Beendigung der Verstöße führen.
Bei direkten ZulieferernAufforderung an den Zulieferer, die Verstöße einzustellen. Ist dies nicht möglich, Entwicklung eines konkreten Planes, mit denen die Verstöße minimiert und abgestellt werden.
Bei indirekten ZulieferernHier ist das Unternehmen nur in der Verantwortung, wenn es Kenntnis von möglichen Verstößen bekommt. Dann sind die Maßnahmen wie bei direkten Zulieferern durchzuführen.

Welche Sanktionen sind zu erwarten?

Bei Nichteinhaltung der Bestimmungen muss man mit Zwangs- oder Bußgeldern rechnen. Wie hoch diese Strafzahlungen sind, steht derzeit noch nicht fest. Im Gespräch sind Bußgelder von bis zu 10% des Jahresumsatzes. Die Höhe soll sich dabei auch an den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens orientieren. Bemüht sich das Unternehmen, den entstandenen Schaden wiedergutzumachen, wird dies als mildernder Umstand berücksichtigt. Die zuständigen Behörden sollen über die Bußgelder nach eigenem Ermessen entscheiden können. Sie haben hier die gleichen Ermittlungsbefugnisse, wie sie auch bei anderweitiger Verfolgung von Ordnungs­widrigkeiten zulässig sind. Sie könnten also auch Durchsuchungen in den Betrieben durchführen und Beweismittel beschlagnahmen.

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