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Erwerbsminderungsrente: Hilfe in der Not

Bild: Getty Images/Unsplash

Was Sie über die Erwerbsminderungsrente wissen müssen

Für jeden ist es ein harter Schicksalsschlag, wenn er nicht mehr in der Lage ist, seiner Arbeit nachzugehen. Neben den physischen und psychischen Problemen kommen meist auch finanzielle Sorgen hinzu. In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu wissen, was eine Erwerbsminderungsrente ist und unter welchen Umständen sie gewährt wird.

Was ist eine Erwerbsminderungsrente?

Wie der Name schon sagt, wird diese Rente gewährt, wenn ein Arbeitnehmer aufgrund von Krankheit oder als Folge eines Unfalls nicht mehr in der Lage ist, seiner Arbeit nachzugehen. Es wird zwischen der vollen und der teilweisen Erwerbsminderungsrente unterschieden. Ausschlaggebend ist die festgestellte mögliche tägliche Arbeitsleistung (Tabelle 1).

Rentenbezieher, deren Erwerbsminderungsrente in den Jahren 2001 bis 2018 begonnen hat, erhalten ab Juli 2024 einen Zuschlag zu ihrer Rente. Der Zuschlag wird auf Basis der Entgeltpunkte berechnet, die für die Rentenberechnung am 20.6.2024 zugrunde gelegt werden. Begann der Bezug der Erwerbsminderungsrente in der Zeit zwischen Januar 2001 bis Juni 2014, wird ein Zuschlag von 7,5% gewährt. Bei Rentenbeginn ab Juli 2014 bis Dezember 2018 erhält der Bezieher einen Zuschlag von 4,5%.

Anspruch auf Erwerbsminderungsrente
 Täglich mögliche ArbeitsleistungErwerbsminderungsrente
16 Stunden oder mehrKeine
2Unter 6 Stunden, aber 3 Stunden oder mehr50%
3Wie 2, aber bei gleichzeitiger Arbeitslosigkeit100%
4Weniger als 3 Stunden 100%
Tabelle 1: Anspruch auf Erwerbsminderungsrente

Rentenversicherung prüft Arbeitsfähigkeit

Nach der Antragstellung (darauf gehen wir noch ein), prüft die Rentenversicherung anhand der ärztlichen Unterlagen, ob der Betroffene seiner Arbeit nur noch weniger als sechs Stunden nachgehen kann. Die Prüfung bezieht sich auf ­Tätigkeiten jedweder Art. Wenn also in einem anderen Beruf mindestens sechs Stunden gearbeitet werden kann, besteht kein Anspruch auf die Erwerbsminderungsrente. 

Die allgemeine Wartezeit

Neben der medizinischen Prüfung sind noch weitere Voraussetzungen zu erfüllen. Zunächst muss man vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens fünf Jahre rentenversichert gewesen sein. Hierbei handelt es sich um die allgemeine Wartezeit.

Zur Erfüllung der allgemeinen Wartezeit werden nicht nur die Pflichtbeitragszeiten angerechnet. Es können auch berücksichtigt werden:

  • Krankengeldbezug
  • Arbeitslosengeld
  • Arbeitslosengeld II vom 1.1.2005 bis 31.12.2010 – oder Übergangsgeld
  • Zeiten der Kindererziehung oder nicht erwerbsmäßigen häuslichen Pflege
  • freiwillige Beitragszeiten
  • Ersatzzeiten (etwa Zeiten der politischen Verfolgung in der DDR)
  • Zeiten aus einem Versorgungsausgleich bei Scheidung 
  • Zeiten aus Zuschlägen für eine geringfügige Beschäftigung (vor 2013 versicherungsfreier Minijob, ab 2013 von der Versicherungspflicht befreiter Minijob)
  • Zeiten aus einem Rentensplitting

Die allgemeine Wartepflicht muss unter bestimmten Bedingungen nicht erfüllt werden. Das gilt unter anderem, wenn die Erwerbsminderung durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit ausgelöst wurde. Dann reicht theoretisch schon eine einzige Beitragszahlung. Allerdings muss zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls (Unfall oder Erkrankung) entweder Versicherungspflicht bestanden haben oder es wurden davor in den vergangenen zwei Jahren mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge in die Rentenversicherung gezahlt. 

Bei der Ermittlung des Fünfjahreszeitraums bleiben unter Umständen Zeiten unberücksichtigt, die der Betroffene unverschuldet nicht mit Pflichtbeiträgen belegen konnte (unter anderem Schwangerschaft oder Arbeitsunfähigkeit). Hierzu sollte man sich allerdings fachkundigen Rat einholen.

Innerhalb der allgemeinen Wartezeit müssen mindestens drei Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sein.

Die volle Erwerbsminderungsrente

Grundsätzlich erhält man eine volle Erwerbsminderungsrente, wenn man nachweislich weniger als drei Stunden pro Tag arbeiten kann (siehe Tabelle 1, Ziffer 4). Doch auch für Menschen, die zwar noch drei Stunden pro Tag arbeiten, aber keine sechs Stunden mehr leisten können, ist es schwer, auf dem Arbeitsmarkt ein Angebot zu finden. In diesen Fällen gilt, dass auch dieser Personenkreis eine volle Erwerbsminderungsrente erhalten kann, wenn er arbeitslos ist (Tabelle 1, Ziffer 3).

Wird bei einer vollen Erwerbsminderungsrente hinzuverdient, kann sich das rentenmindernd auswirken. Auch hier sollte der Betroffene sich zunächst beraten lassen, bevor ein Hinzuverdienst in Anspruch genommen wird. Das Thema „Hinzuverdienst“ besprechen wir noch in diesem Beitrag.

Berechnung der Erwerbsminderungsrente

Die Erwerbsminderungsrente berechnet sich zunächst, indem die persönlichen Entgeltpunkte mit dem Rentenfaktor und dem Rentenwert multipliziert werden. Der Rentenfaktor beläuft sich bei einer vollen Erwerbsminderungsrente auf 1,0, bei einer halben Rente auf 0,5. Der aktuelle Rentenwert (Eurobetrag pro Entgeltpunkt) beträgt aktuell 37,60 €. Die Anpassung des Rentenwertes erfolgt jährlich, jeweils zum 1. Juli, und wird 2024 dann auf 39,32 € steigen.

Die Entgeltpunkte ergeben sich aus dem sozialversicherungspflichtigen Einkommen, das in Relation zum durchschnittlichen Einkommen gesetzt wird. Liegt der Verdienst beispielsweise um 30% unter dem Durchschnitt, werden 0,7 Entgeltpunkte auf dem Rentenkonto gutgeschrieben. Liegt er um 30% darüber, ergibt dies 1,3 Entgeltpunkte. 

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Für jüngere Betroffene wichtig: Die Zurechnungszeiten

Jüngere Menschen, die Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente haben, können natürlich nicht so viele Entgeltpunkte angesammelt haben wie ältere Betroffene. Darum rechnet man bei der Ermittlung der Erwerbsminderungsrente mit sogenannten Zurechnungszeiten.

Zurechnungszeiten ergeben sich aus dem Zeitraum zwischen dem Eintritt des Rentenanspruchs und dem maßgeblichen Lebensalter. Das maßgebliche Lebensalter können Sie aus der Tabelle entnehmen. Da der Zeitpunkt des maßgeblichen Lebensalters bis zum Jahr 2030 auf 67 Jahre angehoben wird, werden die Zurechnungszeiten entsprechend angepasst (siehe Tabelle 2). In den Zurechnungszeiten wird der Anspruchsberechtigte so gestellt, als habe er bis zum Erreichen des maßgeblichen Altersgelds gearbeitet. Grundsätzlich gilt, dass die Zurechnungszeiten die Rente erhöhen. 

Wurde in den vergangenen vier Jahren vor Eintritt des Rentenfalls so viel (oder besser wenig) verdient, dass dadurch der Gesamtdurchschnitt gesenkt wird, bleiben sie bei der Berechnung des Durchschnittsverdiensts unberücksichtigt. 

Zurechnungszeiten bei Erwerbsminderungsrenten
Eintritt des RentenfallsAnhebung um … Monateauf das Alter von
JahreMonate
20201659
202126510
202236511
20234660
20245661
20256662
20267663
20278664
202810666
202912668
2030146610
203116670
Tabelle 2: Zurechnungszeiten bei Erwerbsminderungsrenten

Abschläge von der Erwerbsminderungsrente

Wenn ein Betroffener eine Erwerbsminderungsrente vor dem Erreichen des maßgeblichen Alters (siehe Tabelle 3) in Anspruch nimmt, wird ein Abschlag für jeden Monat von 0,3% von der Rente abgezogen. Der Abschlag ist aber auf 10,8% gedeckelt.

Ab 2024 beträgt das maßgebliche Alter 65 Jahre. Muss eine Person mit 63 Jahren und 4 Monaten Erwerbsminderungsrente in Anspruch nehmen, fehlen also noch 20 Monate, für die 6,0% von der Rente abgezogen werden.

Kann der Betroffene aber 40 Jahre nachweisen, in denen Pflichtbeiträge gezahlt oder Berücksichtigungs-, Anrechnungs- oder Ersatzzeiten angerechnet werden, gilt für ihn die Altersgrenze von 63 Jahren, sodass er eine abschlagsfreie Erwerbsminderungsrente beziehen kann. Die Grenze von 40 Jahren gilt seit diesem Jahr. Davor reichten 35 Jahre. 

Maßgebliche Alter für Abschlagsberechnungen
Erwerbsminderungsrente abMaßgebliches Alter statt 65 Jahre
JahreMonate
20236410
2022648
2021646
2020644
Tabelle 3: Maßgebliche Alter für Abschlagsberechnungen.

Wie lange erhält man eine Erwerbsminderungsrente

Normalerweise wird die Erwerbsminderungsrente ab dem siebten Monat nach Eintritt der Erwerbsminderung gezahlt. Den entsprechenden Antrag sollten Sie deshalb innerhalb dieser sieben Monate stellen.

Es kann auch sein, dass die Erwerbsminderungsrente früher als nach sieben Monaten gewährt wird. Dies ist der Fall, wenn mit der Feststellung der Erwerbsminderung andere Ansprüche (Arbeitslosengeld, Krankengeld, Krankentagegeld usw.) enden und eine volle Erwerbsminderungsrente unabhängig von der Arbeitsmarktlage (siehe Tabelle 1, Ziffer 4) gewährt wird.

Solange noch Aussicht besteht, dass sich der Gesundheitszustand des Rentenbeziehers verbessern kann oder sich Chancen auf dem Arbeitsmarkt ergeben könnten, wird die Erwerbsminderungsrente befristet – in den meisten Fällen zunächst für drei Jahre – gewährt. Diese Frist beginnt mit dem Beginn der Zahlung. Hat sich die Situation nicht gebessert, sollte man mindestens vier Monate vor Ablauf der Befristung einen „Weiterzahlungsantrag“ stellen. Die Zahlung wird dann fortgesetzt – unter Umständen wieder befristet.

Für eine unbefristete Rente ist immer der Gesundheitszustand entscheidend. Ist eine Verbesserung des Zustands unwahrscheinlich, kann die Rente auch unbefristet gewährt werden. Bezieht man neun Jahre lang befristete Rente, wird sie normalerweise in eine unbefristete umgewandelt. Hängt die Gewährung auch mit der Arbeitsmarktsituation zusammen, kann sie immer wieder befristet werden.

Bei einem verbesserten Gesundheitszustand informiert der Rentenversicherungsträger darüber, dass die Rente ganz oder teilweise entzogen werden soll. Der Betroffene kann dann hierzu Stellung beziehen. Erst danach trifft der Rentenversicherungsträger seine Entscheidung.

Hinzuverdienst? – Ja, aber in Grenzen

Grundsätzlich darf man als Bezieher einer Erwerbsminderungsrente auch etwas dazuverdienen, wobei hierfür enge Grenzen gelten:

  • Es darf je nach Rentenbezug nur unter drei (volle Erwerbsminderungsrente) oder sechs Stunden (halber Erwerbsminderungsrente) pro Tag gearbeitet werden. Schon bei Erreichen der Grenzwerte (drei oder sechs Stunden) ist die Rente in Gefahr.
  • Bei teilweiser Rente wird eine jährliche Hinzuverdienstgrenze vom Rentenversicherungsträger individuell berechnet. Sie beträgt aktuell mindestens 37.117,50 € pro Jahr.
  • Bei voller Rente gilt für 2024 eine Hinzuverdienstgrenze von jährlich 18.558,75 €. Sie wird jährlich automatisch angepasst.

So beantragt man die Erwerbsminderungsrente

Der Antrag auf Erwerbsminderungsrente kann grundsätzlich auch online gestellt werden. Es empfiehlt sich allerdings, dass man zunächst einen Versicherungsältesten aufsucht und die Antragstellung mit ihm bespricht. Weitere Informationen zur Antragstellung und auch die notwendigen Formulare finden Sie im Internet unter www.deutsche-rentenversicherung.de/rentenantrag.

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