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Funktionsweise von Tränenersatzmitteln

Bild: Akob Chuk / envato

Als Tränenersatzmittel (TEM) werden Augentropfen zur Therapie des Krankheitsbildes „Trockenes Auge“ bezeichnet. Auf dem Markt sind diverse Produkte verfügbar, die auf die Stabilisierung einer oder mehrere Schichten des Tränenfilms abzielen und so mangelnde Tränen ersetzen und den natürlichen Tränenfilm wiederherstellen sollen. Neben Augentropfen sind Augengele, -sprays und -salben verfügbar in unterschiedlichen Darreichungsformen wie Pump- oder Quetschflaschen oder Ein-Dosis-Ophtiolen. Die schiere Menge an Präparaten stellt sowohl Betroffene als auch Augenoptiker, Optometristen und Augenärzte vor eine Herausforderung.

Wann ist welches Präparat zu empfehlen? Wie soll das Produkt genommen werden? Was unterscheidet die Präparate voneinander? Für die Auswahl des richtigen Präparates sind Kenntnisse über den physiologischen Aufbau des Tränenfilms, die grundlegenden Mechanismen des Krankheitsbildes „Trockenen Auges“ und die Zusammensetzung und Funktionsweise der Wirkstoffe in TEM entscheidend.

Aufbau des Tränenfilms

Der Tränenfilm befeuchtet die Augenoberfläche, schützt vor Infektionen und stellt die erste refraktive Fläche des visuellen Systems dar. In der vereinfachten Darstellung besteht der Tränenfilm aus drei Schichten.1 Den größten Anteil macht eine wässrige Schicht aus, die überwiegend in der Tränendrüse gebildet wird. Diese Schicht setzt sich aus Wasser, Proteinen, Metaboliten sowie Elektrolyten zusammen. Die wässrige Schicht geht fließend in eine Muzinschicht über. Hierbei handelt es sich um verschiedene langkettige Glykoproteine. Im Tränenfilm wird in transmembrane und sekretorische Muzine unterschieden. Transmembrane Muzine formen die Glykokalyx am Hornhautepithel, um die wässrige Schicht an diesem zu binden und eine Barriere vor Pathogenen zu erzeugen. Die sekretorischen Muzine verteilen sich in der wässrigen Schicht, stabilisieren diese und beeinflussen ihre Fließeigenschaft. Angrenzend zur Luft findet sich eine Lipidschicht, welche in den Meibomdrüsen gebildet wird. Diese Drüsen befinden sich im Inneren der Augenlider mit den Ausführungsgängen an den Lidkanten. Die Lipidschicht besteht zu ca. 95% aus nicht-polaren Lipiden (z.B. Wachsester, Cholesterinester, Triglyceride) und zu ca. 5% aus amphipathischen Lipiden (z.B. Phospholipide, (O-Acyl)-ω-Hydroxyfettsäuren). Die Lipidschicht reduziert die Verdunstung von Tränenflüssigkeit, unterstützt die Aufrechterhaltung der Homöostase und verhindert ein Überlaufen der Flüssigkeit beim Blinzeln. Amphipathische Lipide weisen sowohl lipophile als auch hydrophile Eigenschaften auf und dienen als Verbindung zwischen wässriger Schicht und Lipidschicht.

Das Krankheitsbild „Trockenes Auge“

Das „Trockene Auge“ wird durch Austrocknungsstress der Augenoberfläche ausgelöst und durch einen Teufelskreis von Entzündungen aufrechterhalten. Initiatoren sind eine Instabilität und Hyperosmolarität des Tränenfilms.2 Letztere setzt eine Kaskade von Prozessen in Gang, wie die Bildung von inflammatorischen Zytokinen, Tumornekrosefaktoren und Proteasen, die zu einer verringerten Muzinexpression, zur Apoptose kornealer Epithelzellen und zum Verlust von Becherzellen führen. Die anhaltenden Entzündungsprozesse und Schädigungen der Augenoberfläche verursachen zusätzlich Schäden der Nervenenden der Hornhaut, wodurch subjektive Beschwerden, Lidschlagfrequenz und Tränensekretion negativ beeinflusst werden.2

Auslöser der Hyperosmolarität können ein Tränenmangel durch eine verminderte Tränenproduktion (hyposekretorische Form) oder eine erhöhte Verdunstung durch eine Instabilität der Lipidschicht, meist durch eine Meibomdrüsendysfunktion (MDD, hyperevaporative Form), sein2. Kombinierte Störungen sind ebenfalls möglich. Die Prävalenz des Trockenen Auges reicht von 5% bis 50% abhängig von diversen Faktoren wie z.B. Alter, Geschlecht, Ethnie, Gesundheitszustand oder Umweltfaktoren.3 Dabei zeigt sich in über der Hälfte der Betroffenen eine MDD und dadurch eine Hyperevaporation des Tränenfilms. Per se sind alle Formen des Trockenen Auges evaporativ, da ohne Verdunstung der Tränenflüssigkeit kein Austrocknungsstress entstehen kann. Die Einteilung in verschiedene Formen ist dennoch sinnvoll, da sich hieraus verschiedene Therapieansätze ableiten. Eine allgemein anerkannte Therapie ist die Behandlung mit Tränenersatzmitteln. Das Wissen, welche Form des Trockenen Auges vorliegt, ist wichtig, um zu entscheiden, welche Wirkstoffe TEM zur Therapie enthalten müssen.

Wirkstoffe von Tränenersatzmitteln

Filmbildner: Als Filmbildner werden lang- und kurzkettige Polymere bezeichnet, die einen zusammenhängenden Film als Überzug, z.B. für Arzneimittel oder in der Kosmetik, bilden. Hierfür werden hochmolekulare Alkohole, Polysaccharide oder Celluloseester verwendet. Diese besitzen wasserbindende Eigenschaften und erhöhen dadurch das Volumen und die Viskosität (Zähflüssigkeit) der Flüssigkeit. In TEM dienen Filmbildner dazu, die Augenoberfläche zu benetzen und den Tränenfilm zu stabilisieren. In frei verkäuflichen Augentropfen werden z.B. Polyacrylsäure (Carbomer), Carboxymethylcellulose (CMC), Hyaluronsäure (HA), Hydroxypropyl-guar (HP-guar), Hydroxypropylmethylcellulose (HPMC/ Hypromellose), Polyvinylalkohol (PVA), Polyvinylpyrrolidon (PVP) oder Polyethylenglykol (PEG) als Filmbildner verwendet.4

Durch die Bindung von CMC an Hornhautepithelzellen wird die Heilung von Epithelzellen gefördert und CMC-basierte TEM sind erfolgreich in der Therapie von milden bis moderat trockener Augen. Ebenso zeigen andere Celluloseester (z.B. Hypromellose) eine erfolgreiche Oberflächenbenetzung bei geringer Ausprägung des Trockenen Auges.

Der schematische Aufbau des Tränenfilms

HP-guar wird in TEM meist mit Sorbitol kombiniert und mit Borat gepuffert. Bei Applikation wird der pH-Wert dieser leicht basischen Flüssigkeit (pH 7,9) gesenkt, und es kommt zu einem Verdickungsprozess, bei dem eine schützende Gelschicht, ähnlich der Muzinschicht, entsteht.

Carbomere sind hochmolekulare Polymere der Acrylsäure mit hoher Wasserbindung. Sie weisen ebenfalls mukoadhäsive und mukomimetische Eigenschaften auf und werden in Augengelen als Muzinersatz, Gel-Schutzschicht und Schmiermittel verwendet.

Hyaluronsäure (HA) ist ein natürlich vorkommendes Glykosaminoglykan (mehrkettiger Doppelzucker) mit hohem Wasserbindungsvermögen. Im menschlichen Körper bindet HA Wasser in der extrazellulären Matrix von z.B. Schleimhäuten, Gelenkflüssigkeiten oder im Glaskörper. Des Weiteren besitzt das Hornhautepithel spezielle Rezeptoren, an denen HA binden und hier zu einer Regeneration der Zellen beitragen kann.5 Durch die hohe Wasserbindung zählt HA ebenfalls zu den mukoadhäsiven Filmbildnern und wirkt als Schmiermittel um Reibung zwischen Zellen oder Geweben zu reduzieren. Die Viskosität ist dabei anhängig von der Molekülgröße und Kettenlänge sowie von der Konzentration. In der Regel wird letzteres für TEM angegeben. Dabei gilt, je höher die Konzentration, desto höher die Viskosität. In den letzten Jahren nimmt, z.B. in der Orthopädie, die Bedeutung der Molekülgröße und Kettenlänge zu, da besonders hochmolekulare HA gute antientzündliche Eigenschaften aufweist. Für die Verwendung in TEM sind außerdem die physikalischen Eigenschaften von HA als eine Nicht-Newton’schen Lösung entscheidend. HA verhält sich bei offenem Auge als schützende Gelschicht auf der Oberfläche. Beim Lidschlag nimmt durch die Scherkräfte der Lider die Viskosität ab, und die Reibung wird vermindert.

In den vergangenen Jahren kamen zusätzlich TEM auf den Markt, die HA entweder mit anderen Filmbildnern (z.B. CMC) kombinieren oder mit anderen Wirkstoffen quervernetzen, um die Therapiemöglichkeiten zu verbessern.

Ölige Wirkstoffe: Eine Störung der Lipidschicht ist die häufigste Ursache des Trockenen Auges. Daher werden zunehmend ölige Wirkstoffe zur Nachbildung der Lipidschicht verwendet.6 Diese können dazu beitragen, eine glatte optische Oberfläche zu schaffen und eine gute Sehqualität zu erhalten.

Zu öligen Wirkstoffen zählen Liposome aus Phospholipiden, die Ester aus Fettsäuren, Glycerin, Phosphorsäure und Cholin, die über Vesikel eine Lipiddoppelschicht formen und sowohl hydrophobe als auch schwach hydrophile Eigenschaften aufweisen.4 Diese Liposome werden über Augensprays auf die geschlossenen Lider gesprüht, sammeln sich in der Lidspalte und sollen sich wie das Meibomsekret bei Lidöffnung über die wässrige Phase verteilen.

In gegenwärtigen Augentropfen werden zunehmend Liposome oder andere ölige Wirkstoffe (z.B. Triglyceride) mit Filmbildnern kombiniert, um als Mehrphasenpräparate den natürlichen Tränenfilm besser nachzubilden.
Weitere ölige Wirkstoffe sind Ö-in-Wasser-Emulsionen.4,7

Diese Emulsionen bestehen aus öligen Tröpfchen, die durch Tenside oder Emulgatoren in Wasser stabilisiert werden. Je nach zugesetzten Komponenten können die Emulsionen nichtionisch (neutral), anionisch (negativ) oder kationisch (positiv) geladen sein. Ein interessantes Merkmal kationischer Emulsionen ist, dass die positiv geladenen Öltröpfchen mit der negativ geladenen Muzinschicht des Tränenfilms interagieren können, was dann zu der Stabilisierung des Tränenfilms beiträgt.

Ein neuartiges lipophiles TEM enthält ausschließlich Perfluorhexyloctan, einen aliphatischen, halbfluorierten Kohlenwasserstoff, der chemisch, physikalisch und physiologisch inert ist. Da es völlig wasserfrei ist, fördert es kein mikrobielles Wachstum und benötigt keine Konservierungsstoffe. Es weist gute Ausbreitungseigenschaften auf und stellt die Lipidschicht des Tränenfilms wieder her, wodurch eine übermäßige Verdunstung verhindert wird. Gezeigt wurden verbesserte Therapieergebnisse nach der Applikation von einem Tropfen Perfluorhexyloctan viermal täglich über 6–8 Wochen bei Patienten mit leichtem bis mittelschwerem hyperevaporativ Trockenem Auge und MDD.8

Paraffin, Wollwachs und Vaselin werden in verschiedenen Augensalben als Verdunstungsschutz und Pflege der Augenoberfläche verwendet.

Elektrolyte: Der präkorneale Tränenfilm ist ein komplexes Milieu, das reich an Elektrolyten ist, darunter Natrium, Kalium, Chlor, Magnesium und Kalzium.1 Diese spielen eine entscheidende Rolle in der Homöostase des Tränenfilms und dem Schutz des Hornhautepithels. Beim Trockenen Auge steigt die Elektrolytkonzentration durch Verdunstung der Tränenflüssigkeit und führt zu einer Hyperosmolarität im Tränenfilm.2 Elektrolyte werden in TEM verwendet, um das Elektrolytprofil eines gesunden Tränenfilms zu reproduzieren und als Puffer, um den pH-Wert in TEM zu stabilisieren. Die Elektrolyte finden sich z.B. in Form von Chloriden, Boraten, Hydroxide oder Phosphaten. Zu letzterem gab 2017 das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte an: „Sehr selten wurden bei einigen Patienten mit stark geschädigter Hornhaut im Zusammenhang mit der Anwendung von phosphathaltigen Augentropfen Fälle von Kalkablagerungen in der Hornhaut berichtet“.9 Hieraus ergibt sich für das Fachpersonal vor dem Ordinieren phosphatgepufferter TEM zu prüfen, welcher Schweregrad des Trockenen Auges vorliegt, wie stark die Schädigung der Hornhaut ist, ob bereits andere phosphathaltige Ophthalmika appliziert werden und ob Kontaktlinsen getragen werden, in denen sich Puffersubstanzen einlagern können.

Klinische Studien haben gezeigt, dass die Verwendung hypotoner TEM die Anzeichen von Trockenen Augen verringern kann.10 Diese Ergebnisse können durch die Verdünnung der gelösten Stoffkonzentration im Tränenfilm erklärt werden.

Osmoprotektiva und Antioxidantien: Die Hyperosmolarität im Tränenfilm erzeugt an der Augenoberfläche ein Ungleichgewicht im osmotischen Druck der Zellen und im Zellstoffwechsel. Langzeitfolge ist die Apoptose konjunktivaler und kornealer Epithelzellen. Osmoprotektiva sind eine Gruppe kompatibler gelöster Stoffe, die Zellen vor osmotischen Stress schützen und entzündungshemmende Eigenschaften besitzen. In TEM werden u.a. L-Carnitin, Erythrit, Betain, Sorbitol, Glycerin und Trehalose als Osmoprotektiva verwendet.4,7

Trehalose ist ein natürlich vorkommendes Disaccharid, das in verschiedenen Bakterien, Pilzen und Pflanzen vorkommt. Es ist an der Anhydrobiose beteiligt, der Fähigkeit längere Trockenperioden zu überstehen. Es hat ein sehr hohes Wasserbindungsvermögen und wirkt schützend vor UV-Strahlung.

L-Carnitin, oder Levocarnitin, spielt eine essenzielle Rolle im Energiestoffwechsel beim Transport von Fettsäuren zwischen Cytosol und den Zellorganellen wie den Mitochondrien.

Das Trockene Auge steht in Verbindung mit oxidativem Stress durch freie Radikale, die Gewebsschäden hervorrufen und Entzündungen verstärken. In einigen TEM werden daher Antioxidantien als Radikalfänger verwendet. Dazu zählen z.B. Vitamin A, Vitamin E, Coenzym Q10 oder Liponsäure.7

Vitamin A wird in Form von Retinylpalmitat (Retinol mit Palmitsäure) verwendet und nach Aufnahme im Körper in Retinol umgewandelt. Retinol allein ist zu instabil und zerfällt bei Kontakt mit Licht oder Sauerstoff. Vitamin A reguliert die Differenzierung des konjunktivalen und kornealen Epithels. In Tiermodellen wird Vitamin A allerdings mit der Entstehung von MDD in Verbindung gebracht.

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Coenzym Q10 (Ubichinon) ist am Elektronentransport der Mitochondrien beteiligt und kann als Antioxidans-Zellen vor oxidativen Schäden schützen. In TEM wird es quervernetzt mit Hyaluronsäure und Vitamin E verwendet.

Antientzündlich und Wundheilungsfördernd

Folge der Hyperosmolarität des Tränenfilms sind die steigende Expression entzündungsfördernder Botenstoffe und eine zunehmende Apoptose kornealer Epithelzellen.2

Verschiedene Filmbilder zeigen eine Abnahme kornealer Stippung nach Applikation.

Studien haben nachgewiesen, dass hochmolekulare HA sich an den CD44-Rezeptor der Hornhautepithelzellen binden kann und dadurch potenziell wundheilende Eigenschaften besitzt.5 Ähnliche Eigenschaften wurden bei Carboxymethylcellulose beobachtet.

Kationische Emulsionen reduzieren zusätzlich die Expression proinflammatorischer Faktoren wie Interleukin 6 und 8 aus Hornhautepithelzellen über die Hemmung des Proteinkinase-C-Signalwegs, was auf eine entzündungshemmende Wirkung hindeutet.7

Der Wirkstoff Dexpanthenol (Provitamin B5) wird im Körper in das Vitamin B5 (Pantothensäure) umgewandelt. Diese ist an zahlreichen Stoffwechselvorgängen, z.B. den Auf- und Abbau von Fetten und Kohlehydraten im Körper, beteiligt. Dexpanthenol unterstützt dadurch die Bildung neuer Hautzellen, wodurch kleine, oberflächliche Wunden, Schädigungen, Verletzungen sowie Entzündungen schneller verheilen können.

Abb. 1: Schematische Darstellung der Wirkstoffe von Tränenersatzmitteln zur Therapie der Anzeichen des Trockenen Auges nach LABETOULLE, Marc, et al. (2022).7

Als nicht-steroidales Antirheumatikum wirkt Salicylsäure bei topischer Anwendung hornlösend und antientzündlich sowie schwach antimikrobiell. Es kann bei Reizzuständen der Bindehaut und Lidern und unspezifischen Lidrand- und Bindehautentzündungen verwendet werden.

Eine infektiöse Erkrankung des vorderen Augenabschnitts, eine in Gänze gestippte Hornhaut oder ein Hornhautulkus benötigen immer eine entsprechende antibiotische oder/und steroidale ophthalmologische Primärtherapie.

Konservierung: Bei klassischen Mehrdosenpackungen ist in der Regel der Einsatz von Konservierungsmitteln erforderlich, um mikrobielles Wachstum in der Flasche zu verhindern und die Haltbarkeit zu verlängern. Mittlerweile ist allgemein bekannt, dass andauernder Kontakt der Augenoberfläche mit Konservierungsmitteln zu nachteiligen Veränderungen der Augenoberfläche führt. Benzalkoniumchlorid (BAK) ist aufgrund seines umfangreichen Wirkungsspektrums das weitverbreitetste Konservierungsmittel in Ophthalmika.4 Es ermöglicht dem Wirkstoff den Einbau in die Zellwände von Bakterien, wodurch diese durchlässig werden. Hieraus resultieren eine Wachstumshemmung und der anschließende Tod der Bakterien. Vergleichbar wirkt BAK auch an Horn- und Bindehautepithelzellen und löst dort über Zeit die Apoptose der Zellen aus, kann die Hornhautnerven schädigen, die Wundheilung der Hornhaut verzögern und die Stabilität des Tränenfilms beeinträchtigen.11

Cetrimid ist nach BAK das zweithäufigste Konservierungsmittel in Augentropfen. Es weist ein ähnliches Wirkungsspektrum auf, wird kaum resorbiert und ist daher besser verträglich. Lokale Reizungen und Allergien gegen Cetrimid sind dennoch möglich.

Sogenannte „weiche Konservierungsmittel“ wurden entwickelt, um den Einfluss auf die Augenoberfläche und die Tränenfilmstabilität weiter zu reduzieren. Hierzu zählen Polyquaternium-1 (POLYQUAD, PQ), Polyhexanid (Polyhexamethylenbiguanid), Natriumchlorit (PURITE), Natriumperborat und EDTA (Ethylendiamintetraacetat).4,7

PQ und Polyhexanid sind Stickstoffverbindungen mit großer therapeutischer Breite aber weniger bis kaum schädigender Wirkung auf konjunktivale und korneale Zellen. PQ wird zuverlässig als Desinfektionslösung für Kontaktlinsen verwendet und reichert sich nicht im Linsenmaterial an.

Natriumchlorit zerfällt nach der Applikation durch UV-Licht zu Chloridionen und Wasser und Natriumperborat wird bei Kontakt mit dem Tränenfilm in Wasser und Sauerstoff umgewandelt.

EDTA bildet als Komplexbildner Metallionen und reduziert dadurch das Wachstum von Mikroorganismen. Es ist ein schwaches Konservierungsmittel und wird in TEM nicht für diesen Zweck verwendet. EDTA kann die Wirkung anderer Konservierungsmittel verstärken und wird im Labor als Kalziumpuffer eingesetzt

Einigen Berichten zufolge sind zur Wundheilung kornealer Epithelzellen konservierungsmittelfreie TEM solchen mit weichen Konservierungsmitteln zu bevorzugen.

Ein-Dosis-Ophtiolen sind für den einmaligen bzw. Ein-Tages-Gebrauch konzipiert und benötigen keine Konservierungsmittel. Reste in den Ophtiolen müssen nach 24 Stunden entsorgt werden. Besondere Verpackungssysteme ermöglichen die Verwendung von TEM in Multidose-Behältern ohne Konservierungsmittel und Quetschflaschen mit einem feinporigem Membranfilter (z.B. Abak-System, OSD-System) das Herausdrücken der Flüssigkeit, ohne das Luft oder Keime eindringen können.12 Pumpdosiersysteme (COMOD-System, 3K-System) beinhalten im inneren einen flexiblen, luftdichten Beutel mit Flüssigkeit. Bei Betätigung des Pumpsystems wird diese dosiert herausgegeben und über ein paralleles Druckausgleichsystem kommt Luft in den Zwischenraum von Beutel und Flaschenwand. Die Flüssigkeit bleibt so frei von Verunreinigungen.12 Je nach Herstellerangaben können die TEM dann für 3 bis 6 Monate verwendet werden.

Anwendung Tränenersatzmittel

TEM sind ein Grundbaustein in der Therapie des Trockenen Auges. Schweregrad und Art der Störung im Tränenfilm sind dabei ausschlaggebend, welches Präparat verwendet werden sollte.4

Filmbildner gleichen einen Flüssigkeitsmangel aus uns kommen primär bei der hyposekretorischen Form zum Einsatz. Ölige Wirkstoffe mimen die Lipidschicht des Tränenfilms nach, stabilisieren diesen und schützen vor übermäßiger Verdunstung. Elektrolyte unterstützen bei der Wiederherstellung der Homöostase des Tränenfilms. Osmoprotektiva und Antioxidantien schützen die Horn- und Bindehaut vor Zellschäden. Bei geschädigten Epithelzellen können Filmbildner und andere wundheilungsfördernde Stoffe die Regeneration unterstützen sowie die Anzeichen von Entzündungsreaktionen reduzieren.

Ziel der Therapie des Trockenen Auges ist es immer, die intakte Augenoberfläche zu erhalten und Langzeitschäden zu vermeiden. Anstatt lediglich die Symptome zu behandeln wird der Erfolg der Therapie durch eine kontinuierliche Applikation von TEM gewährleistet. Die Häufigkeit der Anwendungen reicht in der derzeitige Studienlage von 2x bis 8x täglich. Eine Anwendung von 4x täglich zeigt eine größere Abnahme der Symptome und Anzeichen des Trockenen Auges als die Anwendung „bei Bedarf“ und kann von Betroffenen simpel in den Alltag integriert werden.13 Eine Linderung der Symptome ist bereits nach einem Monat zu beobachten.14 Bleibt eine Linderung aus, kann auf ein anderes Präparat gewechselt werden. Die Abnahme objektiver Anzeichen kann mehrere Monate konsequente Therapie in Anspruch nehmen.14

Je visköser ein TEM ist, desto länger verweilt dieses an der Oberfläche, verschleiert aber auch die Sicht für einige Zeit nach dem Applizieren. Aus diesem Grund werden Augentropfen mit hoher Viskosität typischerweise für die Anwendung über Nacht empfohlen, während Augentropfen mit niedriger Viskosität für den Tag bevorzugt werden. Bei Therapiebeginn kann mit niedrigviskösen TEM begonnen werden. Bei ausbleibendem Therapieerfolg sollte zunächst die Frequenz erhöht werden und erst dann die Viskosität. Augengele oder -salben können unterstützend oder beim schweren Trockenen Auge über Nacht verwendet werden.

Festzuhalten ist, dass TEM lediglich ein Baustein in der Therapie des Trockenen Auges sind. So kann beispielsweise zusätzlich eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme, eine ausgewogene Ernährung, eine Modifikation der Umgebungsbedingungen oder eine Lidkantenpflege bei MDD die Therapie ergänzen. Je nach Art und Ausprägung ist daher immer eine Kombination mehrerer Maßnahmen zum Erreichen des Therapieziels sinnvoll.4

Martin Schlanke absolvierte eine Ausbildung als Augenoptiker und studierte Augenoptik/Optometrie (Bachelor of Science) sowie Optometrie/Ophthalmotechnologie/Vision Science (Master of Science) an der Ernst-Abbe-Hochschule in Jena. Seit 2021 ist er Optometrist in der einzigen deutschen Klinik für ophthalmologische Rehabilitation (Rehaklinik Masserberg) und dort u.a. zuständig für Sehhilfenberatungen, Kontakt- und Sklerallinsenerprobungen und Management des Trockenen Auges.

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