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Umgang mit Mikroplastik

Aufmacher: Robert Poorten/stock.adobe.com

Nachhaltigkeit in der Augenoptik

Das Schleifen von Brillengläsern hat einen hohen Stellenwert bei der Arbeit eines Augenoptikers. Dabei gerät das Entstehen von Mikroplastik, während des Schleifens von Kunststoffgläsern, jedoch oftmals in den Hintergrund. In einem eigens durchgeführten Versuch, im Rahmen einer Abschlussarbeit an der Hochschule Aalen im Studiengang Augenoptik/Optometrie, wurde die Menge an Mikroplastik, die durch das Schleifen von Kunststoffgläsern entsteht, ermittelt.

Für den Versuch wurden insgesamt 12 sphärische Einstärkengläser aus Kunststoff-Material mit verschiedenen Stärken mithilfe eines Schleifautomaten auf zwei unterschiedliche Formen geschliffen. Als Ergebnis kam heraus, dass durchschnittlich 7,5 g Plastikpartikel pro Glas anfallen. Der Anteil des weggeschliffenen Kunststoffes beläuft sich damit auf 56%. Betrachtet man die Minus- und Plusgläser getrennt voneinander, so liegen die weggeschliffenen Anteile vom Ursprungsglas bei 73% für Minus- bzw. bei 40% für Plusgläser. Beim Schleifen auf zwei unterschiedliche Formen konnten nur geringe Unterschiede festgestellt werden. Eine Übersicht der Versuchsergebnisse ist in Tabelle 1 dargestellt.

Wenn man den ermittelten Gesamtdurchschnittswert auf die jährlich 38,4 Millionen verkauften Kunststoffgläser1 hochrechnet, kann angenommen werden, dass pro Jahr in der Augenoptik-Branche insgesamt etwa 288 Tonnen an Mikroplastik allein durch das Schleifen von Kunststoff­gläsern entstehen.

Diese keinesfalls geringe Menge an feinsten Plastikpartikeln landet für gewöhnlich direkt im Abwasserkanal und schadet der Umwelt mitsamt aller Lebewesen. Eine mögliche Lösung wäre der Einsatz von Filtersystemen für Schleifautomaten. Diese scheinen jedoch vielen Augenoptikern noch unbekannt zu sein oder sie kommen bisher selten zum Einsatz.

Umfrage ergibt abweichende Ansichten beim Umweltbewusstsein

In einer selbst durchgeführten Online-Umfrage wurden ­Geschäftsführer und Mitarbeiter in augenoptischen Fachgeschäften Fragen zum Thema Umweltbewusstsein gestellt. Es konnten Antworten von 83 Teilnehmern ausgewertet werden. 45% der Teilnehmer ordneten sich dabei den Geschäftsführern zu, während 55% als Mitarbeiter tätig sind.

Bei der Einschätzung des umweltbewussten Handelns in den augenoptischen Fachgeschäften ließen sich oftmals gravierende Unterschiede zwischen dem Antwortverhalten der Geschäftsführer und dem der Mitarbeiter feststellen. So auch bei der Einschätzung des Stellenwerts der Vermeidung von Umweltbelastungen in den Betrieben, wie man der Abbildung 1 entnehmen kann. Es ist interessant, dass nur einer von 36 Geschäftsführern den Stellenwert in seinem Betrieb als gering einstufte, während insgesamt 35% der Mitarbeiter die Stufen „gering“ oder „sehr gering“ auswählten. Im Gegensatz dazu waren 41% der Geschäftsführer der Meinung, dass der Stellenwert in ihrem Betrieb sehr hoch ist. Dem konnten nur 13% der Mitarbeiter zustimmen.

Abb. 1: Relative Häufigkeitsverteilung des Stellenwerts der Vermeidung von Umweltbelastungen im Betrieb (n=83).

Passend dazu wurden die Mitarbeiter gefragt, wie wichtig ihnen selbst die Vermeidung von Umweltbelastungen im Betrieb ist. Alle Antworten sind übersichtlich in der Tabelle 2 dargestellt. Besonders sticht hervor, dass insgesamt 85% der Mitarbeiter das Umweltbewusstsein in den Betrieben entweder wichtig oder sehr wichtig ist.

Außerdem wurden alle Teilnehmer gebeten, die Zufriedenheit mit der aktuellen Arbeitsweise im Betrieb in Bezug auf die Vermeidung von Umweltbelastungen anzugeben (Abbildung 2).

Abb. 2: Prozentuale Verteilung der Zufriedenheit mit der aktuellen Arbeitsweise im Hinblick auf die Vermeidung von Umweltbelastungen im Betrieb (n=83).

Eine zusätzliche Übersicht des prozentualen Antwortverhaltens ist in Tabelle 3 zu sehen. Es fällt auf, dass insgesamt 31% aller Teilnehmer aktuell entweder sehr unzufrieden oder zufrieden sind. 35% teilen eine neutrale Einstellung. Im Ganzen sind 34% aller Befragten entweder zufrieden oder sehr zufrieden. 

Hohe Motivation zu Änderungen im Betrieb

Passend dazu teilten 92% der Geschäftsführer mit, dass sie aktuell eine hohe oder sehr hohe Motivation haben, Änderungen im Betrieb vorzunehmen und die Vermeidung von Umweltbelastungen zu reduzieren. 90% aller Befragten sind sich bewusst, dass beim Schleifen von Kunststoffgläsern umweltbelastende Feinplastikabfälle entstehen.

Die Menge an Mikroplastik, die beim Schleifen von 100 Kunststoffgläsern entsteht, wurde im Durchschnitt auf 606,4 g geschätzt. Alle einzelnen Antworten sind im Diagramm, welches in Abbildung 3 zu finden ist, dargestellt. Tatsächlich entstehen insgesamt rund 750 g Mikroplastik, wie es der durchgeführte Versuch zeigte.

Abb. 3: Geschätzte Menge an Mikroplastik der Teilnehmer mit logarithmischer Darstellung (n=67).

Damit das Brillenglas beim Schleifprozess nicht zu heiß wird, und die entstandenen Reste abtransportiert werden können, benötigt der Schleifautomat eine Wasserzufuhr.2 Die umweltfreundlichste Methode der Wasserzufuhr für Schleifautomaten stellt dabei ein Umwälzsystem dar, bei dem das Wasser in einem Kreislauf wiederverwendet wird. Sie kommt in 57% der Betriebe zum Einsatz. Aktuell arbeiten viele Fachgeschäfte, genauer gesagt 43%, in ihrer Werkstatt noch mit einer Frischwasserzufuhr für ihren Schleifautomaten, bei dem das Schleifwasser mitsamt Glasrückständen entweder in einem Wassertank gesammelt wird oder auf direktem Weg in der Kanalisation landet.

Den Bekanntheitsgrad von Filtersystemen für Schleifautomaten kann man der Abbildung 4 entnehmen. Die Mehrheit der Teilnehmer hat  bereits von Filterungsmöglichkeiten gehört, 35% jedoch noch nicht. Eine Verteilung, in wie vielen Betrieben das Schleifwasser tatsächlich gefiltert wird, kann man der Abbildung 5 entnehmen. Mehr als die Hälfte aller teilnehmenden Betriebe lassen demnach ihr Schleifwasser bisher nicht filtern, 46% jedoch schon. 

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Abb. 4: (l.) Bekanntheitsgrad der Filtersysteme für Schleifautomaten (n=83). Abb. 5: (r.) Prozentuale Verteilung des Einsatzes von Filtersystemen in augenoptischen Fachgeschäften (n=35).

Welche Filteranlagen genutzt werden

Das am häufigsten verwendete Filtersystem stellt die TideKlar der Firma Wardakant dar: Sie kommt in 44% der Betriebe zum Einsatz (Anm. d. Red.: Es handelt sich nicht um eine repräsentative Umfrage). Die TideKlar, welche in Abbildung 6 zu sehen ist, kann an fast jeden Schleifautomaten angeschlossen werden und während des Schleifvorgangs kleinstes Mikroplastik vom Prozesswasser trennen.3

Die Entleerung der Depot-Box, in welcher sich das gefilterte Mikroplastik ansammelt, sowie der Wechsel des Prozess­wassers im Tank erfolgt mindestens einmal pro Jahr durch den Anbieter selbst. Die Reste, die in Abbildung 7 zu sehen sind, werden schlussendlich recycelt. Hierfür bietet ­Wardakant den Service an, das gefilterte Mikroplastik einmal pro Jahr bei den Fachgeschäften, die das Filtersystem installiert haben, abzuholen und ins Recycling zu geben.

Bei allen anderen Filtersystemen, die es noch auf dem Markt gibt, entworgt der Augenoptiker das gefilterte Mikroplastik selbst. Daneben kommen in ein paar Betrieben auch Filtersysteme der Firma Nidek zum Einsatz. Nidek bietet drei verschiedene Systeme für die Filterung von Schleifwasser an: Ein Basismodell, eine Komfort- und eine Premium-Version.4

Einige Geschäftsführer, die ihr Schleifwasser bisher nicht filtern lassen, können sich vorstellen ein Filtersystem installieren zu lassen.

Diejenigen Geschäftsführer, die nur eine geringe oder sehr geringe Wahrscheinlichkeit für die Installation angaben, wurden nach den Gründen für diese Auswahl gefragt. 40% haben die zu hohen Kosten der Filteranlage genannt. Jeweils dreimal wurde angeführt, dass sich bisher noch nicht mit dem Thema auseinandergesetzt wurde und dass die Werkstatt nicht genügend Platz für die Installation bietet. 10% der Befragten gaben an, dass sie nicht wissen, wo sie das gefilterte Mikroplastik entsorgen sollen. Es sollte im Restmüll beseitigt werden, welcher schlussendlich verbrannt wird.5 So kann das Mikroplastik nicht in die Umwelt gelangen. Bei der Entsorgung der Rückstände sollten jedoch zusätzlich die örtlichen Bestimmungen beachtet werden. 

29% der Fachgeschäfte machen von ihrer Möglichkeit der Selbstverglasung Gebrauch. Demzufolge werden nicht so viele Brillengläser in den eigenen Werkstätten geschliffen. Das zeigt auch das Ergebnis der Frage, bei welcher nach der Anzahl an geschliffenen Gläsern pro Tag gefragt wurde: Insgesamt 71% der Betriebe schleifen täglich weniger als 20 Gläser selbst. 60% der Fachgeschäfte greifen neben der Möglichkeit der Selbstverglasung auch auf Fernrandungs­angebote zurück. 9% der Teilnehmer gaben sogar an, dass sie trotz der Möglichkeit der Selbstverglasung ausschließlich Fernrandungsangebote nutzen. 

Durchschnittliches Gewicht vor dem Schleifen [g]Durchschnittliches Gewicht nach dem Schleifen [g]Durchschnittliche Differenz (Mikroplastik) [g]Durchschnittlicher Anteil an Mikroplastik
Minusgläser15,54,211,373%
Plusgläser9,45,83,740%
Fassungsgröße 46/2212,34,67,758%
Fassungsgröße 55/1712,75,37,354%
Gesamt12,55,07,556%
Tab. 1: Versuchsergebnisse
Sehr unwichtigUnwichtigWeder nochWichtigSehr wichtig
Absolute Häufigkeit0252316
Relative Häufigkeit0%4%11%50%35%
Tab. 2: Absolute und relative Häufigkeiten der Wichtigkeit der Vermeidung von Umweltbelastungen für Mitarbeiter (n=46).
Sehr unzufriedenUnzufriedenWeder noch ZufriedenSehr zufrieden
Geschäftsführer3%24%35%22%16%
Mitarbeiter9%26%35%17%13%
Gesamt6%25%35%19%14%
Tab. 3: Prozentuales Antwortverhalten der Zufriedenheit der aktuellen Arbeitsweise im Hinblick auf die Vermeidung von Umweltbelastungen im Betrieb.

Auch Brillenglashersteller in der Pflicht

Der optimale Umgang mit Schleifresten obliegt somit auch häufig den Fernrandungsfirmen. Daher wurde im Rahmen dieser Abschlussarbeit der Brillenglashersteller Hoya in Mönchengladbach besucht. Dort können Unternehmen bei ihrer Bestellung die Brillengläser auch ferngerandet anfordern. In der entsprechenden Abteilung der Firma Hoya kommt eine hochmoderne Randungsmaschine zum Einsatz, die sich dadurch auszeichnet, dass die gewünschte Form mithilfe von rotierenden Frässpindeln aus dem Material geschnitten wird.6 Dieser Prozess ist sehr präzise, schnell und ressourcenschonend, da er trocken, sprich ohne der Zufuhr von Wasser, abläuft. Diese Methode unterscheidet sich sehr im Gegensatz zur Randung von Brillengläsern in den Werkstätten der stationären augenoptischen Betriebe, in welchen die Gläser mit Zufuhr von Wasser in die gewünschte Form geschliffen und nicht gefräst werden. Die Materialspäne werden regelmäßig nach dem Fräsen abgesaugt und ins Recycling gegeben. In der Produktion kommt zudem ein Schlammfang zum Einsatz, der die entstehenden Plastikpartikel auffängt.7 

Im direkten Vergleich kann man sagen, dass Brillenglashersteller den stationären Betrieben definitiv einen großen Schritt voraus sind und einen sehr hohen Stand der Technik sowie einen äußerst umweltorientierten Prozess umsetzen.

Nachhaltigkeit als augenoptisches Verkaufsargument

Im Großen und Ganzen sind die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz Entwicklungen, die täglich an Bedeutung gewinnen. Daher wächst aus gutem Grund hierfür das Bewusstsein bei Verbrauchern und Unternehmen. Viele Verbraucher halten diese Themen für sehr wichtig bei der Auswahl ihrer Produkte und der Geschäfte, in denen sie einkaufen gehen. Produkte oder Dienstleistungen, die unter dem Gesichtspunkt der nachhaltigen Entwicklung und unter ökologischen Bedingungen hergestellt werden, präferiert der Endverbraucher. Jene Unternehmen und Betriebe, die umweltbewusst produzieren, können von diesem Vorteil profitieren. Das gilt natürlich auch für die Herstellung und den Verkauf von Brillen. 

Die bereits erwähnte Firma Wardakant bietet ein Nachhaltigkeitslabel für augenoptische Unternehmen an, die ressourcenschonend und umweltbewusst agieren. Voraussetzung für den Erhalt des Labels ist zum Beispiel das Schleifen von Brillengläsern ohne Eintrag von Mikroplastik ins Abwasser, was sich unter anderem durch den Einsatz von Filtersystemen für Schleifautomaten bewerkstelligen lässt. Das Label kann beispielsweise an das Schaufenster geklebt oder auch über Online-Medien verbreitet werden. So kann es als Werbematerial eingesetzt werden und den Kunden zeigen, wofür der Betrieb steht und welche Arbeit hinter den Kulissen geleistet wird. Durch das Einsetzen des Labels hebt sich das Unternehmen von anderen ab und hat ein ausschlaggebendes Verkaufsargument.8

Neben dem Gewinnen von neuen Kunden und der Verbesserung des Images erweisen sich nachhaltige Unternehmen auch als attraktive Arbeitgeber und haben die Möglichkeit, den heutzutage in fast jeder Branche bestehenden Fachkräftemangel zu bekämpfen. Die Online-Umfrage zeigte, dass insgesamt 85% der teilnehmenden Mitarbeiter die Vermeidung von Umweltbelastungen im Betrieb entweder wichtig oder sehr wichtig ist.

Im Allgemeinen können Unternehmen durch eine nachhaltige Arbeitsweise ihren eigenen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Jene augenoptischen Betriebe, die ein Filtersystem an ihrem Schleifautomaten angeschlossen haben, können dazu beitragen, dass nicht die gesamte Menge der 288 Tonnen Mikroplastik, welche pro Jahr durch das Schleifen von Brillengläsern entstehen, in den Ozeanen der Welt landet. Sowohl Menschen als auch Tiere profitieren von jedem einzelnen installierten Filtersystem und auch allgemein von jedem einzelnen nachhaltigen Unternehmen. 

Quellen: 1 Wetzel J. (2021): Augenoptik in Zahlen. Branchenbericht 2021/2022, Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen, Düsseldorf. 2 DAO: Schleifsystem, online unter: https://www.dao-ag.de/wissenswert/rund-um-die-augengesundheit/werkstatt-schleifsystem (letzter Zugriff am 26.06.2023). 3 Wardakant: TideKlar. Wasserfilter der Wardakant, online unter: https://wardakant.de/produkte/tideklar-wasserfilter/ (letzter Zugriff am 12.06.2023). 4 Breitfeld & Schliekert (2022): Schleifwasseraufbereitung in der Augenoptik. Lösungen zur Reduzierung von Mikroplastik. Broschüre. 5 Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland: Mikroplastik, online unter: https://www.bund.net/meere/mikroplastik/?wc=25593 (letzter Zugriff am 15.06.2023). 6 Wiesner B. (2023): Persönliche Werksbesichtigung am 26.04.2023. Hoya Lens GmbH, Mönchengladbach. 7 Ebd. 8 Wardakant: Nachhaltigkeitslabel, online unter: https://wardakant.de/label-nachhaltigkeit/ (letzter Zugriff am 12.06.2023)

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