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Walk-Through – da geht was

Nachhaltigkeit und Einsparpotenziale im Augenoptikgeschäft

Die Augenoptik bietet Potenziale, nachhaltig zu agieren. Sei es beim Ladendesign und Materialien der Einrichtung, beim Einkauf der Waren oder der Organisation des Betriebes. Handlungsspielräume sind eigentlich überall vorhanden. Mit diesem Walk-Through durch ein Augenoptikgeschäft zeigen wir, wo man anfangen kann, seinen Berufsalltag nachhaltiger zu gestalten. 

Leuchtreklametafeln mit dem Firmennamen und mehr oder weniger einfallslosem Oberflächendesign sieht man überall an den Einzelhandelsfassaden. Auch in der Augenoptik. Dabei geht da schon einiges mehr, das auch in Sachen Nachhaltigkeit begeistern kann. 

Vertikale PVT-Flächen zum Beispiel, mit denen man Strom und Wärme produzieren kann. Sie werden auch von der Energieausbeute und den Preisen zunehmend interessanter und das Angebot wächst. Wer es möchte, sollte sich die bedruckbaren Solarpanels anschauen. Auf dem Solar Decathlon 2022 in Wuppertal (www.sde21.eu) wurden solche Systeme unter anderem von niederländischen Uni-Teams bei ihren Bauten eingesetzt. Die einen zeigten ein modernes und abstraktes Oberflächendesign, die anderen nutzen die Fläche als überdimensionalen Raum für Delfter Fliesenmotive. 

Vielleicht sollte man gerade bei Außenfassaden weg von der Idee der Amortisierung und hin zum Marketingeffekt denken. Vor allem Gebäudebesitzer können so auch Statements setzen. Das gleiche gilt für Fassadenbegrünungen, wie sie im urbanen Raum immer mehr anzutreffen sind.

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Urban denken heißt auch, sich in seinem Quartier über die städtebaulichen Ideen und Planungen zu informieren. Vielleicht entsteht in den kommenden Jahren genau vor dem Geschäft die neue begrünte Fußgängerzone. Städte öffnen sich immer mehr dem Fahrradverkehr. Fahrradständer – dort wo möglich – sollten eigentlich selbstverständlich sein. Ob es unbedingt eine Ladestation für E-Bikes sein muss, sei dahingestellt. Vielleicht kann man ja über eine zeitlich begrenzte Stromspritze – falls man zu viel vom teuren Saft hat – für seinen Kunden nachdenken. Als Service, sozusagen.

Durch die Nachhaltigkeitsdiskussion ändert sich bereits der Anspruch der Gesellschaft an den Konsum. Der Verbraucher von Ressourcen und Produkten wandelt sich zum Nutzer. Die Entsorgung auf einer Mülldeponie ist Sinnbild für die Vergangenheit. Wiederverwertung ist gefragt. Innerhalb des auf allen Ebenen des Lebens stattfindenden Transformationsprozesses wird Nachhaltigkeit zum neuen Mainstream. Wer sich bis jetzt noch keine Gedanken gemacht hat, weil er meint, das wenige, was er selbst dazu beitragen kann, hat ja keinen Einfluss, der sollte jetzt umdenken und seine Haltung zur Nachhaltigkeit unbedingt ändern. Vom Kleinen ins Große denken und einfach anfangen. Jetzt.

Schauen wir uns also einmal einen augenoptischen Betrieb genauer an: Wo und wie genau lässt sich der Gedanke der Nachhaltigkeit besonders gut integrieren?

Bestandteil der Fassade ist in der Regel das Schaufenster. Was dort als erstes auffällt, ist sicherlich die Beleuchtung. Stromsparende Beleuchtung ist das eine, aber was ist mit der Glasfläche selbst? Isoliert sie gut? Es geht nicht nur um die kälteren Monate im Jahr, wo die Heizung noch mitläuft. In den vergangenen Jahren wurden in vielen Städten Spitzentemperaturen von 40° C gemessen. Ein Trend, der in den kommenden Jahren anhalten wird. Auch die 45° C-Grenze wird in wenigen Jahren in den Sommermonaten erreicht werden. Mit verstärktem Klimaanlageneinsatz in den Innenräumen. Bleibt abzuwarten, wie sich die Kosten für angenehme Temperaturen über das Jahr verteilen.

Natürlich darf die Deko im Schaufenster selbst nicht vergessen werden. Keine Frage: Billig produzierte und als Wegwerfprodukte konzipierte Elemente sind ein No-Go für jeden nachhaltig eingestellten Augenoptiker. Auch hier heißt der Ansatz: wiederverwendbar und optimales weiternutzen. Im eigenen Laden oder rotierend bei einem anderen Augenoptiker eingesetzt. Dazu ist es sinnvoll, mit einem Dekorateur zusammenzuarbeiten, der immer wieder neue Ideen mitbringt, und dass die Dekoration mehrfach verwendet wird.

Modernes Ladendesign kommt in der Regel kaum ohne Bildschirme aus. Auch im Schaufenster stehen sie, verbreiten Werbebotschaften per Video oder liefern Hintergrundinformationen zu neuen Produkten oder Dienstleistungen. Wer nicht darauf verzichten möchte: Neuste Smart-Bildschirme mit integrierten Sparprogrammen reduzieren den Stromverbrauch während ihres Gebrauchs.

Nachhaltigkeit gegenüber dem Brillen- und Kontaktlinsenträger demonstriert man schon bei der Wahl der Ware, die im Geschäft verkauft wird. Ob Holz, Büffelhorn, Kork, Meeresmüll-Plastik, PET, Bio-Acetat, Kaffeesatz – will man sein Geschäft nachhaltig ausrichten, ist es nötig, sich über die unterschiedlichsten Materialen grundsätzlich zu informieren und ihre Vor- und Nachteile bei der Wiederverwertung zu kennen. Welche gelten als nachhaltig, haben einen geringen CO2-Abdruck, sind gar selbst aus Recyclingmaterial und wie ist ihr Lebenszyklus? Einen Überblick zu den aktuellen nachhaltigen Materialien haben wir auf den Seiten 28 – 30 zusammengestellt.

Ein Problem können jedoch auch die Stützgläser der Fassungen sein. Je nach Fassungsanbieter kommen unterschiedliche Materialien zum Einsatz. Nicht immer kann man das Material bestimmen. Bei den rund 11 Mio. verkauften Brillenfassungen kommen über 60 Tonnen Kunststoffmüll zusammen, wie der Arbeitskreis Nachhaltigkeit der Opti errechnete, zu dem Vertreter der Optikindustrie, der Fachpresse und natürlich auch Augenoptiker gehören.

Neben den Materialen sollte man aber auch seine Geschäftspartner einem Check in Sachen Nachhaltigkeit unterziehen. Sogenannte Nachhaltigkeitsberichte, offizielle Umwelt-Leitbilder, öffentlich zugängliche Energiesparzertifikate, Awards oder die Orientierung an den 17 Nachhaltigkeitszielen der UN (SDG´s) bieten da eine erste Orientierung. 

Dazu gehören auch Informationen zum Einsatz von Ökostrom aus Solarenergie oder Wasserkraft, einer klimaneutralen Produktion oder einem Abfallkonzept, wo die anfallenden Abfallprodukte wiederverwendet werden.

Gut zu wissen ist auch, wo eigentlich produziert wird, wie dort die Wertschöpfungskette aussieht und welches Transportmittel (LKW, Auto, Bahn oder Flugzeug) verwendet wird. Nicht immer ist es nachhaltiger, wenn in Deutschland produziert wird, aber zwischen den einzelnen Fertigungs- und Weiterverarbeitungsstätten weite Strecken überwunden werden müssen. Eine Produktion in Asien, mit allen Beteiligten an einem Ort und späterer Transport mit der Bahn, kann da oftmals besser abschneiden.

Auch die Menschenrechtslage in den Herkunftsländern und die Behandlung der Mitarbeiter beim Produzenten sollte in die Entscheidung pro oder contra eines Lieferanten einbezogen werden. 

Wo man oftmals bei seinen Lieferanten auf Schweigen trifft, ist bei der Frage nach den eingesetzten Materialien und deren Herkunft. Große Firmen sind durch das Lieferkettensorgfaltsgesetz (LSG) an gesetzliche Angaben gebunden, bei kleineren Firmen gehören diese Informationen noch nicht zum Unternehmensstandard.

All diese Zusatzinformationen zu Lieferanten und Materialen können im Betrieb für Kunden aus Gründen der Transparenz zugänglich gemacht werden. Denn Transparenz bringt Vertrauen. Gerade beim Thema Nachhaltigkeit ist das ein Mittel, um gegen den möglichen Verdacht auf Greenwashing vorzugehen.

Schon bei der Ladengestaltung kann man nachhaltig planen. Der Einsatz von ressourcenschonenden natürlichen oder recycelten Materialien dürfte selbstverständlich sein. Planerisch kann man aber auch in Modulen denken. So lässt sich das Geschäft schnell an unterschiedliche Bedürfnisse anpassen, wenn man Möbel auf Rollen einsetzt.

Bestandteil einer Ladenausstattung ist in der Regel auch eine Kaffeemaschine. Kapsel-Systeme müssen nicht sein und für Zucker oder Kekse gibt es fairgehandelte oder Bio-Alternativen. 

Dazu noch ein Brillenglasspray anbieten? Aber sicher nur in wiederverwendbaren Flaschen. Auch hier können Produkte von Anbietern, die nachhaltig arbeiten, eingesetzt werden. Das gleiche gilt für Brillenetuis. Diese sind im Idealfall aus Naturmaterialen, einheimischem Holz oder recycelten Materialien, wie PET.

An der Kasse ist natürlich die Rechnung ein Thema. Aber auch die Dokumentation der ­Refraktion, Brillenpass und Garantieversprechen des Gleitsichtglaslieferanten. Recyclingpapier mit dem Blauen Engel sollte auch hier Hochglanzdruck ersetzen. Rechnungen können aber auch per E-Mail versandt werden.

Nachhaltigkeit lässt sich schon mit der Organisation und mit dem Management des Betriebes gestalten. Dazu gehören papierlose bzw. Papier reduzierte Workflows und Dokumentationen. 

Wenn Papier eingesetzt wird: Wie viel Papier muss tatsächlich sein? Können die Drucker recyceltes Papier verwenden? Ein Altpapiersammeln sollte auch bei geringer Papiermenge selbstverständlich sein.

Die reduzierte Papiermenge kann allein schon durch eine ideale Vernetzung aller Arbeitsplätze erreicht werden.  

Ein weiterer  Aspekt ist die technische Ausstattung. Neuste Smart-Bildschirme mit integrierten Sparprogrammen reduzieren den Stromverbrauch, während sie eingeschaltet sind. Muss es aber immer das aktuellste iPad oder der neuste Rechner sein? Reichen für bestimmte Aufgaben im Betrieb nicht sogenannte refurbishte Geräte? Apropos Geräte: Sind diese leicht zu reparieren? Systemkompatibel? Energiesparend? 

Aber schon im Vorfeld ist es wichtig, sich Gedanken zu machen. Wie sieht mein eigener Geldfluss aus? Habe ich ein nachhaltig handelndes Geldinstitut? Weitere Fragen: Wie investiere ich eigentlich? Woher kommt eigentlich das Geld für die notwendigen Investitionen? Steht die Amortisierung im Vordergrund? Oder denke ich in anderen Dimensionen, beispielsweise dass ich in das investiere, was aus Sicht des Klimaschutzes und der Nachhaltigkeit wichtig ist? Verschiedene Geldinstitute haben das Thema „Grüne Investitionen“ bereits aufgegriffen, andere verharren noch immer im alten Denken.

Werkbänke aus Holz, die regelmäßig mit Bienenwachs gepflegt werden, sind zwar etwas aus der Mode gekommen. Man könnte aber darüber nachdenken. Vor allem, wenn man einen Laden neu einrichten kann. 

Was an diesem Ort natürlich besonders ins Auge fällt, ist der Umgang mit Schleifwasser und dem anfallenden Schleifschlamm. Spezielle Geräte, die an die Schleifmaschinen angeschlossen werden, entziehen dem Schlamm das Wasser. Zurück bleiben Reste, die über den Müll entsorgt werden.

Doch Maschinen benötigen Strom. Je leistungsfähiger geschliffen und gefräst wird, desto höher der Strombedarf. Vor allem, wenn mehrere Maschinen immer gleichzeitig laufen. Ist gar eine Industriemaschine im Einsatz, sollte man auf jeden Fall über Photovoltaik-anlagen nachdenken, die den Strombedarf nachhaltiger gestalten können. Bei angemieteten Räumen ist dies meistens ­allerdings nicht einfach zu realisieren. Beratungen bieten oftmals Bürgerenergie-Genossenschaften an. 

Als Alternative bleibt noch, die Werkstatt ganz aus dem Betrieb zu verbannen und Schleifarbeiten extern durchführen zu lassen. 

Nicht Entsorgen, sondern Wiederverwerten ist ein wichtiges Thema des Transformationsprozesses. Die Circular Economy, zu Deutsch gerne mit Kreislaufwirtschaft übersetzt – dahinter steckt aber viel mehr –, ist eines der Zukunftsthemen in Wirtschaft und Gesellschaft überhaupt. 

Viele Produktionsprozesse ändern sich bereits, einige Produkte werden mittlerweile von vornherein so geplant, dass man Materialien trennen und im Idealfall problemlos recyceln kann. Im Idealfall gleich mehrfach.

In der Augenoptik kann eine Mikro Circular Economy entstehen. Dazu gehört neben grundlegendem Materialwissen, eine disziplinierte und organisierte Mülltrennung. Zur Mülltrennung würde jetzt gehören, kaputte Fassungen in ihre Bestandteile zu zerlegen, Metall von Kunststoff zu trennen. Dazu muss man aber wiederum wissen, welche Materialien eingesetzt werden. Vielleicht kann man sich hier auch mit den Kollegen vor Ort austauschen und zusammenarbeiten? Facebook-Foren oder Erfa-Stammtische bieten sich da für einen ersten Gedankenaustausch sicher an.

Wo die Materialtrennung schon im Kleinen funktioniert, sind wir beim Thema Kontaktlinsenverpackungen. Blister von Kontaktlinsen können gesammelt werden. Aludeckel und Behälter müssen aber sorgfältig voneinander getrennt werden. Nur dann ist wirklich sortenreines Recycling möglich. Bei den Pflegemittelflaschen kann man beispielsweise auf recycelbares PET setzen.

Wer trennt? Augenoptikerbetriebe können ihren Kunden Sammelboxen – gebrandet mit dem Logo des Augenoptikers – mit nach Hause geben, die später zum Augenoptiker zurück gebracht werden. Die Idee: Das ganze kann mit einer Art Nachhaltigkeitspunktesammelaktion verbunden werden.

Immer mehr Kontaktlinsenhersteller gehen zudem dazu über, einen weiteren Beitrag in puncto Nachhaltigkeit zu leisten. Sei es durch den direkten Einsatz recycelter Produkte, dem Einsparen von Plastik im Allgemeinen oder durch gezielte Maßnahmen Dritter. Dazu gehören auch die Programme von „The Plastic Bank“, die durch soziale Initiativen an den Küsten Müll aus Meeren und von Stränden sammeln und den Menschen in den Regionen so ein alternatives Einkommen sichern.

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