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FARS: Refraktion im Wandel 

Eine menschliche Hand und eine mechanische nähern sich mit den Fingern an.
Bild: sdecoret/stock.adobe.com

Wie könnte die Brillenglas-Bestimmung in Zukunft aussehen?

Ein großes Themenfeld in der Augenoptik nimmt die subjektive Refraktion ein. Aber wie werden sich die Gegebenheiten weiterentwickeln und wie kann hier zünftig Unterstützung aussehen? Aktuell zeigt sich in der Refraktion ein klarer Trend: innovative Technologien unterstützen automatisierte Prozesse und entlasten damit mehr und mehr den Augenoptiker. Von Karoline Taubert

Refraktionsprozesse werden dank automatischer Phoropter einfacher und effizienter. Die Werte der objektiven Refraktion können per Datenübertragung übergeben werden. Nur so ist es möglich, alte Brillenwerte auf Knopfdruck mit den gerade gemessenen Refraktionswerten direkt zu vergleichen. Der härteste Kritiker, der Kunde, entscheidet sofort über die Qualität der Arbeit des Fachmanns. Man könnte meinen, nun wäre doch wohl alles erreicht, was noch unterstützend getan werden kann. Aber weit gefehlt.

Fachkräfte sind Mangelware und nicht nur die Pandemie hat die Nachfrage in den Geschäften und Praxen weiter nach oben geschraubt und den Fachkräftemangel sogar noch verschärft. Und so entstand die Idee, ein Gerät zu entwickeln, das selbsttätig agiert und dabei auch noch Zeit einspart, vielleicht sogar die Nachfrage nach Abstand gewährleistet. Zudem spielt oft nicht nur in den begehrten Innenstadtlagen der Platzmangel eine große Rolle. 

Hier gibt es nun Unterstützung durch einen Phoropter, der praktisch als Tischrefraktionssystem konzipiert ist. Das Nidek TS-610 findet auch in kleinen Räumen Platz, lange Refraktionsstrecken entfallen. Phoropter und Sehzeichensystem sind kompakt „unter einem Dach“ zusammengefasst. Nah- und Fernrefraktion sind möglich. Zum Bedienen braucht man aber immer noch den geübten, gut ausgebildeten Fachmann. 

Mittels KI durch den Sehtest

Der Hersteller optischer Instrumente Nidek geht in der Kombination mit FARS (Fully Assisted Refraction System) = Refraktions-Assistenzsystem aber noch einen Schritt weiter und leitet den Probanden computergestützt durch die subjektive monokulare Refraktion. Als Ausgangsbasis werden lediglich die Daten der objektiven Refraktion oder bisherige Brillenwerte benötigt. Einfache Fragen kombiniert mit einfachen Möglichkeiten diese zu beantworten, führen so schnell zum Ziel. Der Algorithmus steuert selbständig die Testdarstellung und Messglas-Darbietung. Die Künstliche Intelligenz leitet den Probanden durch den Sehtest, auch in der Nähe, und kann dies in verschiedenen Sprachen. 

Jasmin Herbst. Bild: Optik und Akustik Ellwein
Jasmin Herbst. Bild: Optik und Akustik Ellwein

Für den Augenoptiker bleibt der Prozess aber jederzeit nachvollziehbar. Zur Prüfung des binokularen Gleichgewichts kann der Fachmann abschließend den finalen Check direkt am Gerät, mit herkömmlichen Phoropter oder Messbrille, vornehmen. Für noch mehr Flexibilität in der Bedienung ist auch die Kopplung mit CB for Windows, der Nidek-eigenen Remote-Software, möglich. So weit so gut. Doch hält das Gerät auch dem Realitäts-Check stand? Das Team von Optik-Akustik-­Ellwein aus Kissing hat das Refraktions-Assistenzsystem getestet. Jasmin Herbst, Augenoptikermeisterin und in ihrer Tätigkeit auch für das Social-Media-Management verantwortlich, hatte so die Möglichkeit, das Gerät näher kennenzulernen. 

Woher kam die Idee, diese neue Art der Unterstützung in Ihrem Geschäft zu testen? 

Wir haben im Januar auf der Opti Ausschau nach Neuerungen bei der  Refraktion gehalten. In unserem Geschäft haben wir nur einen Refraktionsraum. Daher waren wir auf der Suche nach einer zweiten Refraktionsmöglichkeit auf deutlich begrenzterem Raum. Bei Oculus sind wir fündig geworden. Das Gerät wurde dort erstmalig in Deutschland vorgestellt und konnte unser Interesse gewinnen. Während der Beratung wurde uns die Möglichkeit eines 14-tägigen Tests angeboten, die wir gerne genutzt haben.

Wie kam die KI-unterstützte Refraktion bei Ihren Kunden an? 

Die Reaktion unserer Kundschaft war ganz unterschiedlich. Viele Kunden fanden den KI-gestützten Sehtest richtig gut. Aber es gab auch den vereinzelten Wunsch nach einer „normalen“ Refraktion. 

Die Kunden, die sich aber für die Refraktion mit FARS entschieden haben, empfanden diesen Sehtest als angenehm, einfach, schnell und unkompliziert. 

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Wie wichtig sind die Werte der ­objektiven Refraktion? 

Präzise Vormessungen sind natürlich die beste Ausgangsbasis. Aber das ist ja bei jeder Refraktion der Fall. Fakt ist, je besser die Ausgangswerte, desto schneller gelangt auch der FARS-Algorithmus zum Ziel, was natürlich auch angenehm für den Probanden ist. 

Wird jetzt die Arbeit des geübten Fachmanns überflüssig? 

Wir haben das System tatsächlich nur als Erleichterung unserer Arbeit empfunden. Man wird ja nicht überflüssig, sondern erhält letztendlich nur mehr Zeit für Gespräch und Beratung. Den Binokular-Abgleich haben wir direkt am TS-610 durchgeführt. Bei Unklarheiten konnte man auch hier nochmal nachfassen, was ja auch gleichzeitig bedeutet, dass ein Fachmann trotzdem gebraucht wird. 

Wird der Augenoptiker denn auch zukünftig noch der erste­ Ansprechpartner rund ums Sehen bleiben? 

Technische Lösungen, die unterstützend arbeiten und zeitsparende Ergebnisse liefern, sind das eine. Darum kommt der Kunde aber nicht zu uns, sondern weil er in der Regel eine neue Brille für verschiedenste Bedürfnisse benötigt. Diese sollte funktionstüchtig und komfortabel sein, dem Kunden gefallen, optisch gut aussehen und natürlich auch anatomisch passen. Dies ist durch Technik allein nicht zu lösen. Hier bedarf es Menschen, die rund ums Sehen in allen Facetten beraten, erklären und agieren. In den Bereichen Beratung und Gesundheitsvorsorge wird der Bedarf sicher zukünftig sogar noch weiter steigen. 

Wie würden Sie die Ergebnisse der KI-gestützten Refraktion beurteilen?

Mit den Ergebnissen waren wir durchaus zufrieden. Es gibt Einschränkungen, z.B. führt FARS keine Refraktion durch, wenn der Ausgangs-Visus nach der objektiven Refraktion unter 0,7 liegt. So wird sichergestellt, dass komplexere Fälle direkt „aussortiert“ werden bzw. diese von einem Mitarbeiter auf herkömmliche Weise refraktioniert werden. Denn klar ist, bei Brillenglas-Bestimmungen außerhalb der Norm wird Fachwissen benötigt, das nur durch den Besuch einer Meisterschule oder im Rahmen eines Studiums erworben werden kann. 

Wie bewerten Sie abschließend den Test?

Eine zweite Refraktionsmöglichkeit haben wir hier eindeutig gefunden. So können wir unseren Kunden kürzere Wartezeiten und einen schnelleren Service anbieten.

Karoline Taubert
Karoline Taubert. Bild: Privat

Karoline Taubert ist Produktmanagerin bei Oculus und in ihrer Tätigkeit hauptsächlich für die Nidek-Produktgruppe zuständig. Seit 25 Jahren beschäftigt sie sich mit den verschiedenen Bereichen der Optikbranche, wie Brillenfassungen und -gläser, Kontaktlinsen und ophthalmische und optometrische Geräte.

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