Hecht: Kontaktlinsen in der DNA
Zu Besuch bei Hecht Contactlinsen
Die Hecht Contactlinsen GmbH hat ihren Sitz in Au bei Freiburg und gilt als einer der führenden Hersteller von maßgeschneiderten Kontaktlinsen. Gegründet 1978, hat sich das Unternehmen auf individuelle Lösungen für Kontaktlinsen spezialisiert und bietet hochwertige, formstabile sowie auch weiche Kontaktlinsen an. Darüber hinaus sind im Laufe der Zeit einige Tochterunternehmen hinzugekommen. Die beiden Geschäftsführer Stefan Muckenhirn und Frank Widmer sowie Mario Rehnert, zuständig für Marketing und Anwendungstechnik, haben den FOCUS eingeladen zu einer Firmentour.
Wir beginnen unseren Besuch keinesfalls direkt in Au in der Firmenzentrale: zunächst geht es nach Freiburg in die Innenstadt. Denn um die Firmengeschichte zu verstehen, blicken wir zurück auf die Anfänge. Und die liegen bei Optik Nosch in Freiburg in den frühen 70er Jahren. Hecht-Gründer Dieter Muckenhirn hatte hier nicht nur als Augenoptiker gearbeitet, hier gab man ihm das Rüstzeug, sich voll und ganz auf die damals noch als eher exotisch geltenden Kontaktlinsen zu konzentrieren. Er sollte für das Fachgeschäft eine Kontaktlinsenabteilung aufbauen.
Nosch Contactlinsen
Zu dieser Zeit zählte Optik Nosch zu den Zeiss-Kunden mit dem größten Umsatz bei den Brillengläsern. Der Auftrag einen Kontaktlinsenbereich aufzubauen, hieß nichts Geringeres, als ein ähnlich florierendes Geschäft zu etablieren. Die Messlatte lag also entsprechend hoch und so war Rolf Nosch nicht nur Arbeitgeber, sondern auch Mentor von Dieter Muckenhirn, damit dies gelingen konnte. Dabei hat er ihm das Steuer in die Hand gegeben und ihn „machen lassen“.
Heute ist das Kontaktlinseninstitut Nosch Contactlinsen vollkommen unabhängig vom Augenoptikgeschäft, liegt jedoch in unmittelbarer Nähe auf der 1. Etage über einer Bankfiliale im Herzen von Freiburg. Das voll ausgelastete Institut gehört mittlerweile zur Hecht-Gruppe und bietet vier Anpassräume mit modernster Technik für rund 10 Mitarbeiter auf einer Fläche von 240 m². Hier bekommen die Kunden jede Kontaktlinsenlösung angeboten – von Tauschlinsen, formstabilen Corneallinsen bis hin zu Spezialanpassungen nach Hornhautverletzungen, Sklerallinsen oder Ortho-K.
Dieter Muckenhirns Sohn und Geschäftsführer bei Hecht, Stefan Muckenhirn, erinnert sich: „Obwohl sich mein Vater eigentlich erst sehr spät für Kontaktlinsen interessiert hatte, war sein Interesse, das sich insbesondere während seiner Zeit an der Fachschule in München geformt hatte, sehr groß.“
Die erste asphärische Kontaktlinse
Zu dieser Zeit lernte Dieter Muckenhirn Karl-Heinz Wilms kennen, der für Rodenstock tätig war und Geometrien für Brillengläser entwickelte. Die beiden verband Freundschaft und das gemeinsame Interesse an optischen Flächen. Frank Widmer, ebenfalls Geschäftsführer bei Hecht Contactlinsen, ergänzt: „Doch darüber hinaus war es ihm auch immer wichtig, herauszufinden, wie man eine Kontaktlinse optimal anpassen kann. Er führte verschiedene Testreihen mit den damals erhältlichen Kontaktlinsen durch. Doch so wie er sich das vorgestellt hatte, um den Sitz zu verbessern, wurde es nie umgesetzt.“
Bei Nosch unterdessen war das Vertrauen in ihn so groß, dass man für ihn sogar eine eigene Drehbank anschaffen wollte, damit er seine Kontaktlinsen selbst herstellen könne. Doch er verstand recht schnell, dass es für eine gute Linse mehr braucht als eine Maschine. Er lernte schließlich Günter Hecht kennen. Dieser hatte in seinem Wohnhaus in Untereisesheim im Keller eine kleine Werkstatt. Drei Personen fertigten hier Kontaktlinsen an. Der Name „Hecht Contactlinsen“ kommt aus diesem historischen Zusammenhang. „Denn obwohl es ein sehr kleines Unternehmen war, war es bereits in der Branche bekannt“, erinnert sich Stefan Muckenhirn.
„In der damaligen Zeit der ein- oder zweikurvigen Flächen bei Kontaktlinsen war es vor allem nur mittels Fluoreszein möglich, Aussagen über das Sitzverhalten von Kontaktlinsen zu machen. Danach wurde die Kontaktlinse empirisch bearbeitet. Hier war es vor allem Erfahrung, aber kein systematisches Vorgehen, um der zum Rand hin immer flacher werdenden Hornhaut gerecht zu werden“, beschreibt es Frank Widmer.
Karl-Heinz Wilms hatte zudem durch Messreihen belegen können, dass die Hornhaut im Zentrum eher sphärisch ist und zum Rand hin abflacht – und somit eine Asphäre darstellt. Diese Erkenntnis war die Basis dafür, eine Kontaktlinse zu entwerfen, die genau so ein Profil bereithält.
Verantwortliche bei Bausch + Lomb hörten davon und interessierten sich sehr für dieses neue Design, doch „für ein US-Unternehmen war es enorm wichtig, dass man ein Patent vorweisen konnte“, so Stefan Muckenhirn, und genau daran wurde dann mit Nachdruck gearbeitet.
Ein zentraler Bestandteil lag darin, die Flächen mathematisch zu beschreiben. Ein guter Freund von Dieter Muckenhirn war Mathematiker, er entwickelte einen Formelsatz, der schließlich die Grundlage für das Patent bildete. Bei B+L indes traute man sich zu dieser Zeit nicht zu, die Funktionsweise selbst zu bewerten. So wurde Brien Holden aus Australien (heute Brien Holden Vision Institute) beauftragt, in einer Studie die Kontaktlinse mit ihren Eigenschaften zu untersuchen. Die Ergebnisse waren sehr gut und dieser Kontakt entwickelte sich in eine über Jahrzehnte anhaltende Freundschaft zwischen Dieter Muckenhirn und Brien Holden.
Startschuss in eine erfolgreiche Zukunft
Die Ascon Kontaktlinse kam in den frühen 80er Jahren auf den Markt und war die erste reproduzierbare asphärische formstabile Kontaktlinse. Sie markiert einen Wendepunkt in der Firmengeschichte. Denn mit ihr nahm der Erfolg des Unternehmens rapide Fahrt auf. Selbst in Japan war sie erhältlich. Die Gewinne flossen dabei stets zurück in die Firma und es wurde in Maschinen, Prozessentwicklung, Mitarbeiter und in neue Produktideen investiert.
Im Laufe der Zeit gab es auch immer wieder interessante Projekte oder Anfragen. Beispielsweise wurde das Unternehmen gefragt, ob es auch IOL herstellen würde. Was jedoch einmal auf einem Nebenschauplatz realisiert wurde, waren Kontaktlinsen für Rennpferde aus Saudi-Arabien oder Kontaktlinsen für Falken. Auch für Küken und Hühner wurden Anfang der Nullerjahre kleine Linsen für das Team um Dr. Frank Scheffels selbstgenähter Leder-Goggels hergestellt, die im Rahmen der Myopieforschung ebendiese Linsen trugen. Doch auch Optiken für Endoskope wurden hergestellt sowie Linsen für eine Studie zum Oberflächenbenetzungsverhalten durch das Fraunhofer Institut.
All dies waren Nebenschauplätze. Ein Roter Faden zieht sich durch die Unternehmenskultur: Innovationskraft für neue Produkte, Qualität, der Wissentransfer an die Augenoptiker, Serviceleistungen und der Blick auf die eigenen Prozesse und die der Kunden. Dabei ist das Unternehmen sehr nah an der Praxis, schon allein durch die beiden Kontaktlinseninstitute.
Die Entwicklungsgeschichte lässt sich auch gut an den verschiedenen Gebäudekomplexen ablesen, die insgesamt vier Bauabschnitte seit 1981 umfassen.
Der neuste und modernste Teil ist aus dem Baujahr 2014. Hier befinden sich u.a. der Empfang, der Versand, die Büros der Geschäftsführer, Meetingräume und ein Anpassraum. In den anderen, älteren Gebäudeteilen ist die Produktion untergebracht, die in mehrere verschiedene Produktionsstraßen unterteilt ist. Hier laufen die Maschinen in zwei Schichten. Jede Straße ist abgestimmt auf die Fertigung bestimmter Produkte. Die vier Gebäudeteile sind miteinander verbunden und ergeben ineinandergreifende Produktionswege.
Und heute?
Das Unternehmen beschäftigt aktuell rund 112 Mitarbeiter und richtet sich vor allem an Anpasser, die individuelle und präzise Kontaktlinsen für ihre Klientel benötigen. Hecht Contactlinsen legt Wert auf die Qualität seiner Produkte, exzellenten Service, Wissenstransfer und Innovationen.
Der Hauptsitz im baden-württembergischen Au ist das Zentrum der Produktions- und Entwicklungsarbeit, während weitere Tochtergesellschaften in der Schweiz, Spanien und Deutschland die Präsenz in Europa stärken.
Apropos Wissenstransfer: Das in einem Turnus von etwa drei Jahren stattfindende und von Hecht ausgerichtete Freiburger Contactlinsen-Forum ist eine Weiterbildungskonferenz für Fachkräfte aus der Augenoptik und Optometrie. Es bot zuletzt 2023 Teilnehmern aktuelle Einblicke in die Branche, neue Technologien und praxistaugliche Lösungen für alltägliche Herausforderungen.
Im Herbst 2024 kam ein Schicksalsschlag für die Familie Muckenhirn und für Hecht. Dieter Muckenhirn verstarb im Alter von 81 Jahren. Schon längere Zeit davor gab es Ideen, wie das Unternehmen weiter florieren würde und wie eine Nachfolge aussehen könnte. Nach ausgiebiger Recherche und mehreren Treffen, entschieden die Gesellschafter, das Unternehmen neu aufzusetzen. So wurde Ende 2024 Hecht von der Private-Equity-Firma Novum Capital übernommen, die eine Mehrheit der Firmenanteile erwarb. Dies markierte erneut einen Wendepunkt in der Unternehmensgeschichte. Novum Capital hat in der Vergangenheit ähnliche Nachfolgeregelungen und Wachstumsstrategien für Unternehmen erfolgreich umgesetzt. Der Fokus liegt darauf, die Profitabilität und Marktposition der Portfoliounternehmen zu verbessern und durch betriebswirtschaftliches Know-how und finanzielle Unterstützung Unternehmen in ihrem Wachstum und ihrer Innovationskraft zu fördern.
Für Hecht bedeutet diese Partnerschaft vor allem eine verbesserte Kapitalbasis und den Zugang zu einem Netzwerk von Experten. Trotz des Wechsels bleibt Stefan Muckenhirn als Geschäftsführer und Minderheitsgesellschafter weiterhin im Unternehmen aktiv und auch Frank Widmer bleibt in der Geschäftsleitung, während Bernhard Steiert, ein früherer Mitgesellschafter, sich aus der aktiven Geschäftsführung zurückzieht, aber weiterhin beratend tätig ist. Mit diesem mutigen Schritt wurde vorrausschauend in die Zukunft geplant und so sind die Weichen des Herstellers klar auf Erfolg ausgerichtet.