Sustainability Hub auf der Opti 2025 supported by FOCUS
Nachhaltigkeit in allen Facetten – Extended Version aus FOCUS 03/2025
Drei Tage war der Sustainability Hub supported by FOCUS auf der Opti 2025 der Ort, wo zum Thema Nachhaltigkeit in der Augenoptik gesprochen, diskutiert und über Visionen getalkt wurde. Das Themenspektrum war vielfältig: Klimawandel und Gesundheit, Vorteile eines Mehrwegverpackungssystems, Schleifwasserreinigung per Elektrolyse, regeneratives Shopdesign, den Stand der PFAS-Diskussion in der augenoptischen Industrie, Augenoptik-Ausbildung in Westafrika und vieles mehr.
Von Frank Sonnenberg
Obwohl die thematische Konkurrenz auf den umliegenden Event-Hubs (Myopie, Future oder Next Generation) sehr groß war, zog das Programm mit seinen Referenten gerade speziell interessierte Zuhörer über die drei Tage an.
Gleich zu Beginn des dreitägigen Vortrags- und Talk-Marathons auf der Opti in München stand ein gesellschaftliches Trendthema des vergangenen Jahres im Mittelpunkt: der Klimawandel in Verbindung mit Gesundheitsthemen. Können Augenoptiker hier ihre Expertise, beispielsweise bei Allergien oder UV-Schutz, einbringen? Ja – und nicht nur am 21. Juni, dem Tag des Sonnenschutzes, sondern als ganzjähriges Thema. Schließlich ist die Augenoptik von ihren fachlichen Kompetenzen (u.a. UV-Schutz, Wissen um Katarakt etc.) sowie durch ihre große Präsenz in Form des stationären Handels unbedingt eine Zielgruppe für außerhalb der Branche agierende Healthcare-Netzwerke. Denkbar sind interdisziplinäre Zusammenarbeiten mit verschiedenen Gesundheitsbereichen-/berufen. Dabei können neue Geschäftsmodelle rund um die Augengesundheit und Gesundheitsvorsorge im Vordergrund stehen. Das kostenlose Info-Tool des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zum täglichen UV-Index sollten Augenoptiker jedenfalls kennen, kann so doch das Thema auf informative Art kommuniziert werden. Noch nicht ganz überzeugt davon, Klimawandel und Gesundheit mit Schwerpunkt UV-Schutz ins Marketing einzubauen? Auf der Website der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (www.klima-mensch-gesundheit.de) ist letzteres Thema jedenfalls prominent vertreten. Neben der Hitzeanpassung.
Das Programm des Sustainability Hub bot für Messebesucher die Möglichkeit, tiefer ins komplexe Thema Nachhaltigkeit einzusteigen. Beispielsweise beim PMMA-Stützscheibenrecycling, einer Kreislaufwirtschaft-Initiative der IG Nachhaltigkeit. Mit neuen Unterstützern aus der Branche und einer ersten großen Testsammlung geht das Projekt 2025 in die nächste Runde. Mehrere Wochen wird getestet, wie das Sortieren beim Augenoptiker vor Ort funktioniert und wie aus wertlosen durchsichtigen Plastikscheiben wieder Mehrwert für die Fassungsunternehmen entstehen kann. Matthias Köste (Pricon) und Frank Tente (Koberg & Tente) – zwei IG Mitglieder und engagierte Unterstützer des Stützscheibenprojekts – berichteten über Hintergründe zur Aktion.
Überhaupt war die IG Nachhaltigkeit auch in diesem Jahr wieder sehr stark inhaltlich auf dem Sustainability Hub powered by FOCUS engagiert. Zum Talk „Nachhaltiges Engagement – Praktiker berichten“ traf man auf die beiden IG-Mitglieder Marina Riedinger (Optik Riedinger) und Bernd Angst (Optik Angst), zwei Sustainability Pioneers und die einzigen Augenoptiker in Deutschland, die eine Nachhaltigkeitsberichterstattung nach dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) für ihren eigenen Betrieb umgesetzt haben. Zwei Menschen, die das Thema mit Herzblut angegangen sind und sowohl viele Höhen als auch Tiefen auf ihrem DNK-Weg erlebt haben. Die beiden hoben zum einen den großen zeitlichen Aufwand hervor, den die Zertifizierung mit sich brachte. Zum anderen aber auch den positiven Lerneffekt, der dabei auftrat. Schließlich habe man sich noch einmal besonders intensiv mit dem eigenen Unternehmen beschäftigt und die verschiedenen Bereiche, Abläufe und Lieferantenbeziehungen beleuchtet. Auf diese Weise seien viele Verbesserungen in den unternehmerischen Alltag eingeflossen.
Betriebe mit Nachhaltigkeits-Zertifizierungen sind in der Augenoptik besonders rar. Neben den beiden genannten Betrieben findet man da nur noch Brillen-Kammer aus Berlin. Inhaberin Katharina Pech ging allerdings den Weg des gemeinwohl-bilanzierten Unternehmens (GWÖ). Da sie nicht live dabei sein konnte, wurde sie zuvor per Videocall interviewt und auf der Messe mit einem Video-Einspieler in die Gesprächsrunde aufgenommen.
Ergänzend zu DNK und GWÖ müssen sich an Zertifizierungen Interessierte zukünftig an das Kürzel VSME gewöhnen. Die EU hatte im Januar 2024 einen ersten Entwurf zum „Voluntary SME-Standard“ (VSME) vorgelegt. Wie Valentin Aman, Gründer und Geschäftsführer von ESG-X, in München berichtete, soll das freiwillige Instrument Unternehmen (KMU und kleine Betriebe) in die Lage versetzen, ihre Nachhaltigkeitsziele und -projekte einfacher zu dokumentieren. Voraussetzung dafür: Der VSME soll den Informationsbedarf der berichtspflichtigen Geschäftspartner und Finanzinstitute erfüllen. Die vom VSME geforderten Informationen müssen den nicht berichtspflichtigen KMU aber auch vorliegen. Wenn beide Voraussetzungen erfüllt sind, könnte ein künftiger VSME-Standard dazu beitragen, die mittelbare Belastung der KMU zu reduzieren.
Verpackungsmüll einsparen und dabei langfristig die Kosten für das Unternehmen zu reduzieren, darüber berichtete Matthias Köste, Geschäftsführer von Pricon. Der in Sachen Nachhaltigkeit umtriebige Unternehmer und Mitglied der IG Nachhaltigkeit der ersten Stunde führte im Dezember in seinem Unternehmen ein Mehrwegverpackungssystem ein. Basierend auf den Produkten von Hey Circle. Rund 2.000 dieser speziellen Versandtüten, die über Transmed zum Augenoptiker hin und zurück befördert werden, sind im Mainzer Unternehmen im Einsatz. Erste Erfahrung nach der Umsetzung des Systems: Laut Matthias Köste können die neuen Tüten rund 70.000 Einwegverpackungen einsparen. Nach 50 Umläufen hat man mit dieser Lösung schon 76% CO2EQ (CO2-Äquivalent) eingespart.
Die PFAS-Diskussion in der Augenoptikbranche
Herausforderungen für die Augenoptik ganz anderer Art bringt das Kürzel PFAS (Per- und Polyfluoralkylsubstanzen) mit sich. Jörg Mayer, Geschäftsführer des Industrieverbandes Spectaris, klärte über die Risiken für die Umwelt, Brillen- und Kontaktlinsenträger sowie unsere Branche auf. Worum geht es? Behörden aus fünf EU-Ländern haben ein Dossier erstellt und eingereicht. Es untersucht, in welchen Verwendungen PFAS eingesetzt werden und welche Gefahren von ihrem Einsatz für Mensch und Umwelt entstehen. Die PFAS-Stoffgruppe umfasst nach letzten Schätzungen mehr als 10.000 verschiedene Stoffe.
Wo finden sich PFAS in Brillen und Kontaktlinsen? Brillengläser seien meist mit PFAS beschichtet (z.B. Anti-Fog-Beschichtung oder einer schmutzabweisenden Schicht). Kontaktlinsen enthielten einen variablen Anteil an PFAS; weiche Kontaktlinsen können zu bis zu 100% aus Fluorpolymeren bestehen, die auch für die Materialeigenschaften verantwortlich sind, wie Sauerstoffpermeabilität, Tragekomfort oder Stabilität.
Für Jörg Mayer existiere aber nur ein sehr niedriges Risiko durch PFAS in der Augenoptik, trotz einer erst einmal sehr groß erscheinenden Zahl von Millionen abgegebener Brillengläser (38 Mio. in 2023), der Großteil davon mit Beschichtungen. Diese seien auf Gläsern allerdings extrem dünn (unter 50 ppm, also nur wenige Nanometer dick) und die Konzentrationen weit unter aktuellen Grenzwerten. Bei Kontaktlinsen sei zudem ein geschlossener Kreislauf möglich, wo alte/kaputte Kontaktlinsen von Augenoptikern wieder entgegengenommen werden können. Sollte doch etwas im Abfall landen, wäre das kein Problem: Laut Studie des KIT (Karlsruher Institut für Technologie) sei die Verbrennung in gängigen Hausmüllverbrennungsanlagen mit einer Mineralisierung (Zersetzung in unbedenkliche Stoffe) von >99% sicher. Für eine gewisse Sicherheit spreche die hohe Persistenz der Polymere, die für Langlebigkeit und wenig Abrieb verantwortlich ist.
Folgen eines Verbotes würden natürlich die Verbraucher spüren. So führte er eingeschränkte Produkteigenschaften wie eine kürzere Lebensdauer, mehr Abfall, ein höheres Sicherheitsrisiko z.B. durch Wegfall von Beschlagschutz oder reduzierten Tragekomfort an. Negativ für die Umwelt: mehr Abfall durch kürzere Lebensdauer, geringere Schadensresistenz, wahrscheinlich eine höhere Zahl kurzlebigerer Billigprodukte.
Aus der Perspektive des Industrievertreters gebe es weiter negative Folgen für die Branche selbst: Wettbewerbsvorteile gingen verloren und damit erhöhe sich die Bereitschaft einer Industrieverlagerung, also Abwanderung. Er mahnte: Alle Faktoren würden sich in Mehrkosten sowohl für die Branche als auch für die Endnutzenden niederschlagen.
Das Fazit von Jörg Mayer: Die in augenoptischen Produkten verwendeten Fluorpolymere seien in der Anwendung unbedenklich für Mensch und Umwelt. Ein großes Risiko entstehe jedoch durch das umfassende Verbot und die resultierenden Qualitätsmängel der Produkte. Aus Sicht der Industrie sollte der Ansatz stofflich und risikobasiert sein und keine pauschale Beschränkung – selbst eine Ausnahme für Brillen und Kontaktlinsen würde wenig helfen.
Die PFAS-Diskussion wird sicherlich in den kommenden Monaten weiter fortgeführt. Am Hub hatte sie schon begonnen. Studien seien derzeit eher aus der industriefreundlichen Ecke zu finden. Was zudem fehlt, sind Informationen und Argumentationshilfen für Augenoptiker-Betriebe, wie diese mit dem Thema umgehen sollten, wenn wieder einmal die Publikumspresse das Thema aufgreift. Schließlich sind Kunden vermehrt sensibilisiert für Umweltthemen.
Nachhaltigkeit gehört in die Ausbildung des Branchennachwuchses
Im Programm des Hubs wurde natürlich der Branchennachwuchs mit einbezogen. In einem Talk mit Jochen Zöhr, OStD, Schullleiter des Bildungszentrums für Augenoptik und Optometrie in München, stand die Frage im Mittelpunkt, ob und wie „Nachhaltigkeit in der Hochschul-, Meister- und Optometristenausbildung“ verankert ist bzw. sein sollte. Für den Münchner Schulleiter sei es durchaus sinnvoll, sich kritisch mit allen Aspekten von Nachhaltigkeit zu beschäftigen und dieses Thema neben Optik und Optometrie der zukünftigen Branchengeneration näherzubringen. Unterrichtsinhalte und Projektarbeiten würden sich bereits mit den Themen Klima, Umwelt und Produkten beschäftigen. Natürlich könne man nicht jeden Schüler oder Studierenden damit erreichen, es bestehe jedoch eine gewisse gesellschaftliche Verantwortung, Akzente in Sachen Nachhaltigkeit bereits in der Ausbildung zu setzen.
Die Ausbildung junger Menschen liegt auch Gudrun Westenberg, Essilor GmbH, am Herzen. Der Entwicklungsdienst deutscher Augenoptiker (EDA) startete in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ein Pilotprojekt im westafrikanischen Benin mit dem Ziel, eine Augenoptik-Ausbildung vor Ort aufzubauen. Gudrun Westenberg war ein Teil davon. Sie nahm die Zuhörer mit auf eine spannende Reise in eine Welt außerhalb Europas und bot Einblick in ein wertvolles nachhaltiges Projekt. Allein sieben der siebzehn Nachhaltigkeitsziele der UN (17 SDGs) werden durch diese Arbeit berührt: 1 (keine Armut), 3 (Gesundheit und Wohlergehen), 4 (hochwertige Bildung), 5 (Geschlechter-Gleichheit), 8 (menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum), 10 (weniger Ungleichheiten) und 17 (Partnerschaften zur Erreichung der Ziele).
Um mehr als nachhaltige Akzente ging es beim Vortrag über die neue Ökodesign-Verordnung mit Sicht auf zukünftiges Brillendesign. Lutz Gathmann, Designer VDID und Sicherheitstechniker VDSI, ging der Frage nach: Welche Relevanz hat sie für unsere Branche? Allein 11 Verordnungen und Regeln müssen beispielsweise bei Smart-Eyewear erfüllt sein. Ein paar weniger sind es bei herkömmlicher Eyewear. Nur ein Beispiel aus der Verordnungsflut: Die Verordnung EG 178/2002, die die Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts in Zusammenhang mit Eyewear im Allgemeinen beschreibt.
Kommen Sie! Schauen Sie! Staunen Sie, wie trübes Wasser wieder klar wird! Natürlich durfte auch das obligatorische Werkstattthema nicht fehlen. In diesem Fall ging es um Schleifwasserreinigung. Augenoptiker, Tüftler und IG-Mitglied Reinhard Müller (Optik Müller) präsentierte seine neuste Idee mit dem Namen M-Ely unter den Augen neugieriger Besucher. Er schickte minimalen Strom durch eine milchig anmutende Flüssigkeit, die sich als Schleifwasser mit Kunststoffpartikeln entpuppte. Im Lauf des Vortrages verklumpte schon ein Großteil der Schwebeteilchen und sank zu Boden. Hinter dem kleinen Experiment steckt Physik. Schwebeteilchen von einer geschätzten Partikelgröße von wenigen Mikrometern sind so leicht, dass sie sich nicht absetzen. Erst wenn sie sich verklumpen – in diesem Fall durch einen kontinuierlichen Stromfluss – werden sie so schwer, dass sie von allein nach unten sinken. Seine Idee ist längst aus dem Prototypenstadium hinaus und kann demnächst für die Werkstatt erworben werden.
Nachhaltigkeits-Impulse aus dem internationalen Markt
International wurde es durch die beiden Gäste Hanny van de Weerdt (EyeCare Groep, Director of Sustainability and People Impact) und Alain Schutter (Gründer von EveryWear).
Die Niederländerin Hanny van de Weerdt – ebenfalls IG-Mitglied – lenkte den Blick auf unser Nachbarland und die dortigen Bemühungen, Designprinzipien der Natur auf den optischen Einzelhandel anzuwenden. Ihr Ansatz: eine regenerative Nachhaltigkeit. Mit mehr Circularität und Ideen für Upcycling und neuen Gestaltungsansätzen. Sowohl bei den Produkten als auch im Ladendesign.
Die Branche ist im Aufbruch. Das sieht man an jenen Menschen, die innerhalb der Augenoptik arbeiten. Manchmal werden auch fachfremde Menschen zu einer Karriere bzw. zu einem Start-up-Versuch animiert. Wie Alain Schutter, der Gründer von EveryWear. Als Neuling in der optischen Industrie war er schockiert über die erschreckende Menge an Abfall, die im Produktionsprozess entsteht. Was ihn noch mehr überraschte, war die mangelnde Aufmerksamkeit, die dieser Problematik innerhalb der Branche entgegengebracht wird, obwohl das Bewusstsein für Nachhaltigkeit weltweit wächst. In einem sehr persönlichen Vortrag zeichnete er seinen Weg vom Erstaunen zum Handeln, hin zu seiner Unternehmenslösung mit 3D-Druck zu arbeiten.
Die drei Tage Sustainability Hub supported by FOCUS auf der Opti 2025 zeigten, dass das Thema Nachhaltigkeit aus der Branche nicht mehr wegzudenken ist. Zwar wurde dieses Jahr auf den Messeständen plakativ selbst wenig Flagge für das Thema gezeigt, aber im Hintergrund wird weiter sowohl an neuen Produkt- wie auch Unternehmenslösungen gearbeitet.