Pterygium (Flügelfell)

Fotopräsentation nach dem SOAPE-Prinzip
Das sogenannte SOAPE-Prinzip ist ein in der Medizin häufig genutztes Schema zur Beschreibung von Pathologien und deren Behandlungsstrategien. Es ist auf den amerikanischen Mediziner Lawrence Weed zurückzuführen und ermöglicht eine strukturierte Analyse und Dokumentation von Auffälligkeiten, die sich auch für augenoptische und optometrische Fälle eignet. Unter dem Buchstaben „S“ (Subjective findings) werden zunächst die subjektiven Auffälligkeiten zusammengefasst, die der Betroffene in der Anamnese beschreibt. Hinter „O“ (Objective findings) verbergen sich die objektiven Auffälligkeiten. Dies führt zu einer Beurteilung und Einschätzung der vorliegenden Auffälligkeiten unter „A“ (Assessment). Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse kann nun unter „P“ (Plan) ein Plan zur Versorgung aufgestellt werden. Der zusätzliche Buchstabe „E“ (Education) erinnert an die Aufklärung der Betroffenen, um eine bestmögliche Mitwirkung zu erreichen.
Subjektiver Befund
Ein 39 Jahre alter Kunde (männlich, kein Brillen- oder Kontaktlinsenträger) hat den Wunsch nach einer Brille und Tageskontaktlinsen zum Fußballspielen. Er berichtet in der Anamnese gelegentlich gereizte Augen zu haben. Außerdem weist das rechte Auge eine immer stärker werdende Rötung auf. Vor allem bei dunklen Lichtverhältnissen scheint seine Sehleistung in der Ferne nachgelassen zu haben. Beim Sehen in der Nähe hat er keine Probleme. Als Bauunternehmer verbringt er sehr viel Zeit im Freien und trägt dabei nie eine Lichtschutzbrille. An sehr sonnigen Tagen tränen seine Augen häufig. Der letzte Augenarztbesuch liegt 15 Jahre zurück und war damals befundlos. Allgemeinerkrankungen sind nicht bekannt und es bestehen keine relevanten Medikamenteneinnahmen.
Objektiver Befund
Die Spaltlampeninspektion (Modell Huvitz HS-7500) des rechten Auges zeigt starke bulbäre Injektionen im nasalen Lidspaltenbereich die mit Grad 3 beschrieben werden können (nach JenVis Klassifizierungsschlüssel, online verfügbar unter www.jenvis-research.com/de/media/). Die Bindehaut wirkt im betroffenen Bereich gelblich und prominent. Plica und Karunkel sind gerötet und geschwollen. Des Weiteren lässt sich eine pfeilförmige Einsprossung von Gefäßen und ein Gewebewachstum in Richtung Pupille beobachten. Die Hornhaut wirkt in diesem Bereich milchig. Bei photopischen Lichtbedingungen (s. Abbildungen) erreicht die Auffälligkeit den Pupillenbereich nicht. Bei skotopischen Lichtbedingungen fällt die Gewebewucherung nasal in den Pupillenbereich. Die Iris weist zudem inferior einen bräunlichen hochovalen Punkt auf. Das Gegenauge ist reizfrei und unauffällig. Die subjektive Refraktion mit Messbrille ergab folgende Ergebnisse: R: Sph +1,25 dpt Cyl -1,25 dpt A 9° Visus 1,0
L: Sph +0,25 dpt Cyl -0,50 dpt A 11° Visus 1,25.
Assessment
Nach einer ausführlichen Anamnese, der Spaltlampenuntersuchung und der Refraktion besteht der Verdacht auf das Vorliegen eines Pterygiums (Flügelfell). Diese fortschreitende Auffälligkeit, bei der die Bowman-Lamelle der Hornhaut geschwächt ist, wird vermutlich durch hohe UV-Belastung und trockenes Klima hervorgerufen. Dabei wuchert meist gutartiges Gewebe im nasalen Bereich pfeilförmig in Richtung Hornhaut. Je nachdem, wie weit das Gewebe vor die Pupille wächst, ist eine mehr oder weniger starke Visusminderung zu erwarten. Bei starker Einschränkung der Sehleistung muss eine operative Entfernung des überschüssigen Gewebes erfolgen. Da die Auffälligkeit stark rezidivierend ist, kann sie auch nach einer operativen Behandlung erneut auftreten. Eine mögliche Differenzialdiagnose ist im frühen Stadium der harmlose Lidspaltenfleck. Der bräunliche Punkt im inferioren Bereich der Iris wird als harmlose Anhäufung von Pigment vermutet.
Plan
Der erste Schritt der Versorgung stellt in diesem Fall die augenärztliche Abklärung der Auffälligkeit dar. Diese bestätigt das Vorliegen eines Pterygiums im Lidspaltenbereich und eines harmlosen Pigmentflecks auf der Iris. Im Fall des Pterygiums ergibt die ärztliche Kontrolle zunächst noch keine Notwendigkeit einer operativen Behandlung. Daher erfolgt die Versorgung mit einer Fernbrille mit den oben genannten Refraktionswerten und phototropen Brillengläsern. Zusätzlich bekommt der Kunde eine Lichtschutzbrille mit 85% Tönung, um vor UV-Belastung optimal geschützt zu sein. Da das Pterygium eine Kontraindikation für Kontaktlinsentragen darstellt, erfolgt keine Anpassung von Tageslinsen. Bei der Auswahl der Brillenfassungen wird darauf geachtet, dass sich diese auch für sportliche Aktivitäten eignen. Bei jährlichen augenärztlichen Kontrollen wird das Fortschreiten der Auffälligkeit und die Notwendigkeit einer operativen Behandlung beurteilt. Die Stärke der Brillen soll ggf. angepasst werden.
Education
Der Kunde wird über die vorliegende Auffälligkeit und ihre Ursachen aufgeklärt. Dabei wird besonders auf die Notwendigkeit von UV-Schutz der Augen und eine mögliche Änderung der Brillenglasstärke je nach Fortschreiten der Gewebewucherung eingegangen. Des Weiteren wird nahegelegt, die jährlichen Augenarztkontrollen einzuhalten.