Rotlicht im Myopie-Management
Rotlicht im Zusammenhang mit dem Myopie-Management
Hinter unsere Überschrift hätte auch gut ein Fragezeichen gepasst, denn in den vergangenen Jahren hat schwaches Rotlicht im Zusammenhang mit dem Myopie-Management Aufmerksamkeit erhalten, doch neben Erfolgsmeldungen gibt es auch Warnungen zu dieser Behandlungsform. Wir haben uns die aktuelle Studienlage angeschaut.
Es sind bereits mehrere Studien zum Myopie-Management mit schwachem Rotlicht (low level red light, kurz LLRL) in China erschienen. Im April 2023 wurden in JAMA Network Open beispielsweise die Ergebnisse einer zwölfmonatigen, schulbasierten, randomisierten klinischen Parallelgruppenstudie vorgestellt, die zwischen April 2021 und August 2022 in zehn Grundschulen in Shanghai, China, durchgeführt wurde. Ziel der Studie war, die Wirksamkeit und Sicherheit einer wiederholten Intervention mit LLRL zur Vorbeugung von Myopie bei Kindern mit Prämyopie zu bewerten. Die Untersuchung umfasste 278 Kinder aus den Klassenstufen 1 bis 4 mit Prämyopie (sphärischer äquivalenter Brechungsfehler von -0,50 bis 0,50 dpt auf dem stärker myopen Auge) und mit mindestens einem Elternteil mit ≤-3,00 dpt.
Nach dem Zufallsprinzip wurden die Kinder in zwei Gruppen eingeteilt. Die Teilnehmer aus der Interventionsgruppe erhielten zweimal täglich an fünf Tagen pro Woche eine dreiminütige Rotlicht-Therapie. Die Kinder der Kontrollgruppe führten ihre üblichen Aktivitäten fort. Bei der Abschlussuntersuchung wurde in der Interventionsgruppe unterschieden zwischen Kindern, die eine Unterbrechung der Behandlung aufgrund
der Covid-19-Pandemie hatten und denen, die keine Unterbrechung hatten. Analysiert wurden die Daten der stärker myopen Augen. Die Autoren berichten, dass ihre Ergebnisse zeigen, dass die Rotlicht-Therapie eine wirksame Maßnahme zur Myopie-Prävention sei, mit guter Anwenderakzeptanz und einer Reduktion der Myopie bei Kindern mit Prämyopie um bis zu 54,1% im Vergleich der Gruppe ohne Unterbrechung der Behandlung mit der Kontrollgruppe innerhalb von zwölf Monaten1.
Im Januar 2024 warnte eine Optometrie-Forscherin der Universität Houston, USA, vor der Anwendung der Therapie mit LLRL. Lisa Ostrin, Professorin am UH College of Optometry berichtete in der Zeitschrift „The College of Optometrists“, dass Messungen in ihrem Labor darauf hinweisen, dass Kliniker die Anwendung überdenken sollten, bis Sicherheitsstandards bestätigt werden können und sichergestellt ist, dass die Netzhaut keine photochemischen und thermischen Schäden erleiden kann.
Bei der Untersuchung von zwei Geräten zur Rotlicht-Therapie mit schwachem Rotlicht, Sky-n1201a und Future Vision, in Ostrins Labor wurde bei einer dreiminütigen Dauerbetrachtung die zulässige Luminanzdosis erreicht oder überschritten, wodurch die Netzhaut dem Risiko einer photochemischen Schädigung ausgesetzt war
Die Forscherin erklärt, dass thermische Augenverletzungen durch einen Laser bei jeder Wellenlänge auftreten können, wenn die Temperaturänderung der Netzhaut mehr als 10 °C beträgt, was zu einer Denaturierung von Proteinen führt. Bei thermischen Schäden sei die Größe des verletzten Bereichs in der Regel geringer als der Strahldurchmesser, und die daraus resultierenden Skotome (Schwächungen in einem Teil des Gesichtsfeldes) dauerhaft. Die Studie wurde in „Ophthalmic & Physiological Optics (OPO)“ veröffentlicht 2.
Der Veröffentlichung dieser Studie folgte der Widerspruch einer Firma, deren Produkt in dem Beitrag genannt wurde, aber nicht zu den getesteten Geräten gehörte. Die Firma sah ihr Gerät falsch dargestellt und bemängelte die Anwendung von ANSI (American National Standards Institute) Regelwerk in der Studie. Der Widerspruch und die Reaktion darauf seitens der Forscher wurden ebenfalls in OPO veröffentlicht. 3+4
Der Einsatz in Deutschland?
Auch in Deutschland gibt es LLRL-Geräte auf dem Markt, die mit verschiedenen Lasern arbeiten. An der EAH Jena, an der klinische Studien zum Thema Rotlicht im Myopie-Management laufen, wurde für ein marktübliches Gerät bei der Vermessung eine Laserleistung der Klasse 3R bestätigt.
Josefine Dolata, Dozentin im Fachbereich SciTec, Fachgebiet Augenoptik/Optometrie/Ophthalmotechnologie/Vision Science sowie Doktorandin der TU Ilmenau und der EAH Jena, erklärte dem FOCUS, dass die Arbeitsschutzverordnung zu künstlicher optischer Strahlung OSTRV/2006 und die DIN EN 60825-1 (Sicherheit von Lasereinrichtungen – Teil 1: Klassifizierung von Anlagen und Anforderungen) Orientierungshinweise geben. In DIN EN 60825-1 heißt es beispielsweise, dass die Laserklasse 3R in einem Wellenlängenbereich zwischen 302,5 nm und 700 µm liegt und eine Leistung von 1 bis zu 5 Milliwatt hat. Gemäß der DIN-Norm ist die Laserstrahlung der Klasse 3R potenziell gefährlich für das Auge und für den Betrieb müssen besondere Schutzmaßnahmen getroffen werden, unter anderem ist eine Schutzbrille zu tragen, ein Laserschutzbeauftragter muss gestellt und der Einsatz dieser Geräte gemeldet werden.
Bis weitere Studienergebnisse vorliegen, liegt es beim Anwender, eine gründliche Risiko/Nutzen-Abwägung durchzuführen.
Quellen:
JAMA Network Open; University of Houston
1 DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2023.9612
2 DOI: 10.1111/opo.13272
3+4 DOI: 10.1111/opo.13295; DOI: 10.1111/opo.13296