| | |

60 Jahre Augenoptik + Optometrie in Aalen

Die Redner des Tages und die Moderatorin des Symposiums Britta Wiegand von HR4. Fotos: Silke Sage
Die Redner des Tages und die Moderatorin des Symposiums Britta Wiegand von HR4. Fotos: Silke Sage

Die Hochschule feiert Jubiläum

An der Hochschule Aalen gab es am 11. November 2022 ein besonderes Jubiläum: Der Diplom- bzw. Bachelorstudiengang Augenoptik/Optometrie feierte sein 40-jähriges Bestehen und der Masterstudiengang Vision Science and Business (Optometry) bereits sein 20-Jähriges. Zusammengerechnet ergeben dies 60 Jahre, die an der schwäbischen Ostalb in diesem Fach auf hohem Niveau gelehrt werden.

Es war kein verirrter Karnevalsscherz: Pünktlich um 11:11 Uhr startete die Jubiläumsveranstaltung im Hauptgebäude der Hochschule Aalen mit einem Willkommensbrunch. Zu Kaffee, Kuchen und Snacks gab es unter zahlreichen Ehemaligen große Wiedersehensfreude. Zu den Gästen erschienen zudem Vertreter der Berufsverbände, der Industrie, der Berufsschulen und des Alumni-Vereins. Was folgte, war der Auftakt mit Grußworten und ein mit Vorträgen reich bestückter Tag unter der Moderation von Britta Wiegand von HR4.

Zuerst richtete Professorin und Studiengangsleiterin des Masterstudiengangs Anna Nagl das Wort an die Gäste, die sich besonders über das zahlreiche Erscheinen freute. Als die ersten Vorbereitungen vor über einem Jahr begannen, war die Situation rund um die Corona-Pandemie alles andere als planbar. Doch in den vergangenen Jahren ist die Welt digitaler geworden und so konnten auch einige Teilnehmer, die nicht selbst vor Ort waren, virtuell teilnehmen, sei es als Redner oder auch als Zuschauer. Allen voran Professor Heinz Diepes, der die Anreise nicht antreten konnte, war der Veranstaltung über die Leinwand zugeschaltet und konnte so selbst Grußworte an das Auditorium richten. 

Mit einem Augenzwinkern betonte Anna Nagl: „Die Hochschule Aalen feiert nächstes Jahr ihr 60-jähriges Bestehen, dank unserer Rechnung ist es unserem Studiengang ein Jahr früher gelungen!“

Auch Professor, Prodekan und Studiengangsleiter des Bachelorstudiengangs Jürgen Nolting zeigte sich erfreut über die vielen Teilnehmer und, so betonte er, dies zeige, damit sei etwas geschaffen worden, was Bestand habe in unserer Branche. Am 15. März 1982 fand die erste Vorlesung im neugegründeten Studiengang Augenoptik statt. Ihr waren fünf Jahre Planung, Verhandlungen, Überwindung von Hindernissen und eine kräftige Starthilfe durch den ZVA für die Laborausstattung vorangegangen.

Dieser erste und einzigartige Studiengang in der Augenoptik in Deutschland war für 15 Jahre außer Konkurrenz. 2002 kam der Masterstudiengang hinzu. Beide Studiengänge haben sich über die Jahre an den Anforderungen an die Gesellschaft ausgerichtet und auch die Räume und Laborausstattungen wurden über die Jahre kräftig modernisiert. Die Absolventen sind heute in vielen Positionen neben der klassischen Arbeit im Handwerk auch in der Klinik oder in der Industrie zu finden. 

Zu den weiteren Gratulanten gehörten unter anderem auch Christian Müller vom ZVA, Dr. Siegfried Wahl von Zeiss sowie Florian Ambros als Vertreter der VDCO und ECOO-Präsident Dr. Matjaž Mihelčič.

Laudatio für Professor Dietmar Kümmel

Karl Amon, Absolvent des ersten Masterstudiengangs und ­Georg Scheurer, ebenfalls Absolvent und Vorsitzender des Alumni-Vereins ehrten Professor Dietmar Kümmel, der zunächst als Professor seit 1983 in Aalen lehrte und später Studiengangsleiter und schließlich Dekan wurde. 2002 schließlich war er es, der den Masterstudiengang maßgeblich mit auf den Weg brachte, bevor Professor Anna Nagl ihn akkreditieren ließ. Sein Ansatz war das Vorbild der Optometrie in den USA, denn hier gab es einen Wissensvorsprung.

Es entstand eine intensive Zusammenarbeit mit dem New England College of Optometry in Boston und dem College of Optometry an der Pacific University ­in Forest Grove in Oregon. Dieser Weg war der Richtige und machte den Masterstudiengang erfolgreich und angesehen. 2015 wurde Dietmar Kümmel mit der Ehrendoktorwürde der Pacific University, Oregon, USA, ausgezeichnet, für seine weitreichende Vision und großen Verdienste für die Entwicklung der Optometrie in Europa sowie den Auf- und Ausbau der internationalen Kooperationen. Das Publikum honorierte ­Dietmar Kümmel mit minutenlangen Standing Ovations.

Hochkarätige Fachvorträge 

Zur Veranstaltung steuerte Professor Norbert Schrage, Chefarzt der Augenklinik Köln-Merheim einen interessanten Vortrag zur möglichen Zusammenarbeit von Augenoptiker und Augenärzten im nicht immer spannungsfreien Feld der digitalen Diagnose bei. Er erläuterte dabei aus der Sicht des Arztes die Möglichkeiten von Synergien bzw. der Zusammenarbeit und was es zu einem besseren Verständnis auf beiden Seiten bedarf.

Anzeige
Alcon Banner

Daran schloss sich als perfekte Überleitung der Vortrag von Professor Gangolf Sauder, Chefarzt der Charlottenklinik für Augenheilkunde in Stuttgart. Er reflektierte die vergangene 12-jährige Zusammenarbeit mit der Hochschule Aalen und zeigte weitere zukunftsfähige Kooperationsmodelle zwischen Hochschule und Klinik auf. Neben dem bisherigen Angebot von Praxissemestern, Vorlesungen in den Bachelor- und Masterstudiengängen oder der Betreuung der Arbeiten, werden auch Stellenangebote an Aalener Absolventen vergeben. Allein diese Zusammenarbeit hat die historische Unnahbarkeit zwischen den Berufsgruppen in diesem Umfeld sehr verkleinert – was keine Selbstverständlichkeit ist. Er sieht die Kooperation der Berufsgruppen als notwendig an, um sich zukunftssicher zu positionieren. 

Professor Ulrich Schiefer, Leiter des Kompetenzzentrums „Vision Research“ und Oberarzt in der Augenheilkunde der Universität Tübingen, konnte in Aalen nicht vor Ort erscheinen und war dem Auditorium per Screen zugeschaltet. Er stellte in seinem Vortrag seine weitreichenden und über 20-jährigen Erfahrungen in der Lehre mit modernen Konzepten vor. Dabei spielten schief gekreuzte Zylinder und ein überdimensional vergrößerter Kreuzzylinder „für Pottwale“ eine anschauliche Rolle. 

Der Aalener Absolvent des Masterstudiengangs Mike Wyss ist heute im Vorstand der Optometriepraxis eyeness AG in Bern in der Schweiz. Es zeigte anhand von Praxisbeispielen die verschiedenen Möglichkeiten von therapeutischen und diagnostischen Anwendungen mit Kontaktlinsen.

Markus Hofmann, ebenfalls Absolvent des Masterstudiengangs und Gründer und Vorstand des Sehzentrums Zürich AG in der Schweiz, lenkte die Aufmerksamkeit des Publikums auf das Visualtraining, der Kinder- und Sportoptometrie. Er demonstrierte mit Fallbeispielen die in der Praxis erforderlichen Kompetenzen der optometrischen Ausbildung der Zukunft.

Dr. Katharina Breher, Bachelor- und Masterabsolventin der Hochschule Aalen, hatte zuvor sowohl in einer Augenklinik gearbeitet als auch in der Forschung am Zeiss Vision Science Lab Tübingen. Sie konnte somit das Thema Myopie aus verschiedenen Blickwinkeln sehr differenziert beleuchten. 

Wie die Zukunft der Augenoptikbranche aussehen kann, aber auch was ein paar typische No-Gos in der Digitalisierung sind, zeigte Dominic Scheppelmann, Geschäftsführer 2do digital, Hamburg. Er skizzierte so den modernen Ansatz der digitalen Customer Journey und nahm die Zuschauer mit auf eine Reise durch die Welt von digitalen Ladentüren, modernen Webseiten oder Online-Shops. 

Laudatio für Professor Heinz Diepes

Rektor i. R. Professor Ekbert Hering würdigte den Träger des Bundesverdienstkreuzes und ersten Studiengangsleiter, Professor Heinz Diepes, der diesen ersten Studiengang für Augenoptik an einer deutschen Fachhochschule mit großem persönlichen Einsatz inhaltlich geprägt sowie personell und apparativ auf- und ausgebaut hat. Sein Refraktionsbuch, häufig als „blaue Bibel“ bezeichnet, kennt jeder, der sich mit dem Thema Refraktion beschäftigt. Heinz Diepes kam 1981 nach Aalen, nachdem er zuvor nach seinem Physikstudium zunächst an der Höheren Fachschule für Augenoptik in Köln tätig war. Man kann heute rückblickend Professor Diepes als den Begründer bzw. Erfinder der Augenoptik als akademischem Beruf ansehen. Letztendlich ist es seiner Fachkenntnis und seinem visionären Denken zu verdanken, dass sich in Deutschland die Augenoptik vom handwerklich geprägten zum akademischen Beruf weiterentwickeln konnte. 

Verleihung des 15. Karl Amon Optometry Award

Im Rahmen dieser Veranstaltung wurde zudem zum 15. Mal in Folge, der mit 2.000 € dotierte Karl Amon Optometry Award verliehen. Karl Amon ist Geschäftsführender Gesellschafter der Amon + Sebold GmbH in Aschaffenburg, und wie oben erwähnt, selbst Absolvent beider Studiengänge in Aalen. In diesem Jahr ging der begehrte Preis an Jessica Gruhl und Maximilian Aricochi. Die beiden Jahrgangsbesten 2022 des berufsbegleitenden Masterstudiengangs Vision Science and Business (Optometry) erhielten die Auszeichnung für herausragende wissenschaftliche Arbeiten mit hohem praktischem Nutzen für die Augenoptik-Branche.

Maximilian Aricochi erhielt seine Auszeichnung für das erste deutschsprachige Myopie-Management-Handbuch. Die 200 Seiten starke Lektüre deckt sämtliche Facetten der Myopie-Prävention ab, sodass dem Leser die Umsetzung der theoretischen Kenntnisse in die Praxis erleichtert wird. Er konnte zudem aufzeigen, dass noch zu viele kurzsichtige Kinder mit Einstärken-Brillengläsern versorgt werden, obwohl speziell in der englischsprachigen Literatur belegt ist, dass diese Art der Versorgung keinen hemmenden Einfluss auf das Fortschreiten der Myopie hat. Das Handbuch ist bei der Firma Visus Sehteste erschienen. Von der Praxisseite her wurde diese Arbeit von Pascal Blaser aus der Schweiz betreut.

Karl Amon Optometry Award 2022: v.l.n.r.: Prof. Dr. Anna Nagl, Maximilian Aricochi, Jessica Gruhl, Karl Amon. Bild: Samuel Burkhart
Karl Amon Optometry Award 2022: v.l.n.r.: Prof. Dr. Anna Nagl, Maximilian Aricochi, Jessica Gruhl, Karl Amon. Bild: Samuel Burkhart

Jessica Gruhl beschäftigte sich in ihrer Masterthesis mit der Frage, welche Faktoren Einfluss auf die Oberflächenform der Hornhaut, also die topografische Wirkungszone, nach der Anpassung von Orthokeratologie-Kontaktlinsen nehmen. Basierend auf den Ausgangsparametern des Auges und den Daten der verwendeten Kontaktlinse lassen sich Berechnungsmodelle zur Vorhersage der resultierenden Wirkungszonengröße erstellen. Ihre Arbeit leistet somit einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis des Topografieprofils nach Orthokeratologie und liefert eine Orientierung für weitere Untersuchungen mit dem Ziel der Vorhersage der Wirkungszonengröße. Initiiert wurde die Thesis von Frank Widmer von der Hecht Contactlinsen GmbH. Als Mitbetreuer stand Dr. Stefan Bandlitz von der Höheren Fachschule für Augenoptik Köln Jessica Gruhl auch für die sehr statistik-intensiven Auswertungen zur Seite.

Der Jubiläumsabend wurde als Party auf den vier Etagen und 1.750 Quadratmetern der Augenoptik/Optometrie/Hörakustik im Gebäudeteil „Campus Burren“ fortgeführt. Professoren, Studenten und geladene Gäste konnten hier den Abend in lockerer Atmosphäre mit Cocktails, Wein und Häppchen bis in die frühen Morgenstunden ausklingen lassen.

Ähnliche Beiträge