Branchenbericht: Zahlen lügen nicht
Die Augenoptik 2023/24 zwischen Personalnot, Zugpferden und fortschreitender Marktkonzentration
„Nach turbulenten Zeiten zeigte sich 2023 in der Augenoptik erstmals eine leichte Entspannung im Hinblick auf den Arbeitsmarkt“, befindet der ZVA anlässlich der Veröffentlichung des neuen Branchenberichts. Der Fachkräftemangel sei allgegenwärtig, die Betriebe hätten sich aber darauf angepasst. Auch die weiter fortschreitende Konsolidierung des Marktes ist erneut ein Thema. Genauso wie die Tatsache, dass das insgesamt erzielte Marktwachstum im niedrigen einstelligen Bereich von der Kategorie Brillen getragen wurde und alle weiteren Bereiche Einbußen hinnehmen mussten.
Der Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen (ZVA) hat seinen jährlichen Branchenbericht veröffentlicht, der zugleich Rückblick auf das vergangene Jahr als auch Ausblick auf die kommenden Monate ist. Er gilt als wichtiges Stimmungsbarometer und bietet der Branche selbst und der breiten Öffentlichkeit einen Ein- und Überblick über die Kennzahlen zur aktuellen wirtschaftlichen Situation der deutschen Augenoptiker. Insgesamt lässt sich sagen, und das geht aus einer im Bericht enthalten Online-Befragung unter mittelständischen Augenoptikbetrieben hervor, dass rund ein Drittel der Befragten für das Jahr 2024 einen Anstieg beim Umsatz erwartet, während 13% eher mit einem Rückgang rechnen. Der überwiegende Teil schätzt, dass die Umsätze stagnieren werden (55%). Das verwundert nicht, schon alleine aufgrund der letzten Prognosen zur Verbraucherstimmung in Deutschland.
Wären aber die Filialisten ebenfalls befragt worden, das Bild hinsichtlich der Umsatzprognosen wäre ein anderes. Auch das vermittelt der neue Branchenreport.
Weniger Brillen, mehr Umsatz
Der Branchenumsatz insgesamt wuchs im vergangenen Jahr gegenüber dem Vorjahr um 1,1% auf 6.763 Milliarden € (inkl. MwSt.). Von 2021 zu 2022 waren es noch knapp 2% mehr Umsatz. Betrachtet man die Brillenoptik, zeigt sich ein Umsatz in Höhe von 5,48 Milliarden Euro für 2023, was einem Anstieg von knapp 2% im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Die Anzahl der verkauften Brillen ging im Jahr 2023 um 2,7% auf 12,2 Millionen Stück zurück (siehe Tabelle 1).
Der Umsatz der Kontaktlinsen, einschließlich der Pflegemittel, ist um knapp 1% auf 605 Millionen € gesunken. Von diesem Umsatz werden 52% stationär erwirtschaftet. Der Online-Anteil beim Kontaktlinsenumsatz ist im Vergleich zur Brille um ein Vielfaches höher und beträgt 0,5%.
Das größte Stück vom Kuchen
Ein Trend setzt sich unaufhaltsam fort, und zwar der einer fortschreitenden Konzentration im augenoptischen Markt. Das heißt, dass sich die großen Filialisten ungebremst das größte Stück vom Kuchen einverleiben. So haben 2023 die zehn größten Unternehmen 53% des Gesamtmarktes für sich beansprucht – und damit nochmal eine gute Scheibe mehr als im Jahr zuvor. In nackten Zahlen bedeutet das ein Plus von 2% für die Top 10 auf dem Markt (siehe Grafik 1). Während die Branche insgesamt um etwas mehr als 1% wuchs, können die zehn größten Unternehmen einen Anstieg um 6,3% vorweisen.
Und dieser Trend wird sich auf absehbare Zeit nicht aufhalten lassen, auch weil Betriebe aufgrund des Alters der Inhaber entweder an Filialisten verkauft werden oder schließen. Nur allzu schwierig gestaltet es sich oftmals, einen passenden Nachfolger zu finden.
Dazu kommt, dass seit 2013 die Anzahl der Augenoptikbetriebe schrumpft, das gilt zugleich für die Anzahl der Beschäftigten. Auch im vergangenen Jahr waren es wieder 100 stationäre Fachgeschäfte weniger hierzulande: von 11.100 ging es auf 11.000 Betriebe zurück (siehe Tabelle 2). Im Gegensatz dazu steigt die Anzahl der Geschäfte der zehn größten Unternehmen in der Augenoptik auf 2.653.
Ein Viertel der augenoptischen Fachgeschäfte sind es, die mittlerweile in Deutschland in der Hand der „Big 10“ liegen. Als filialstärkstes Unternehmen sei Apollo Optik mit 905 Filialen inkl. Franchisepartnern genannt, darauf folgt Fielmann mit 619 Filialen. Beim Umsatz hat Fielmann die Nase klar vorn.
Online in der Augenoptik? Nunja …
Auch wenn der Online- und Multichannel-Handel sich etabliert haben, geht aus den Daten des ZVA hervor, dass gerade der Kauf von umsatzstarken Gleitsichtbrillen über den Besuch beim Augenoptiker vor Ort getätigt wird. Wahre Zugpferde unter sich, könnte man sagen.
Der rein online erzielte Umsatz beträgt demnach für die augenoptische Branche 7%, während Deutschland ansonsten im Bereich „Nonfood“ bei 31% liegt. Besonders prägnant hervor sticht die Augenoptik auch im direkten Vergleich zu anderen Branchen wie „Bücher/Kalender“ mit 38% Online-Umsatz oder der von GfK ermittelte Spitzenreiter „Computer & Zubehör“. Diese Branche erzielt mit recht kostenintensiven Produkten 61% des Gesamtumsatzes online.
Wenn wir uns die Relationen der abverkauften Brillenkategorien im Detail anschauen, fällt auf, dass Einstärkengläser mengenmäßig 56% einnehmen und wertmäßig 25%. Bei den Gleitsichtgläsern zeigt sich ein Bild von 44% Gesamtanteil verkaufter Brillen, aber 75% Umsatz (siehe Grafik 2).
Effizienz beim Personaleinsatz steigt
Die Zahl der arbeitslosen Augenoptiker stieg im vergangenen Jahr, die Anzahl der freien Stellen sank. Damit ist im Vergleich zu Vorjahren die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage kleiner geworden. Großes Aufatmen ist aber nicht möglich, höchstens ein optimistisches Durchschnaufen, denn der Fachkräftemangel ist weiterhin ein Problem. Die Augenoptiker haben sich aber anscheinend besser damit zurechtgefunden – und an den Arbeitsmarkt angepasst. Laut Bericht gaben Anfang dieses Jahres 41% der befragten Betriebe an, in den vergangenen sechs Monaten Fachpersonal gesucht zu haben und nur ein knappes Drittel konnte diese freien Stellen auch besetzen.
Terminvergaben zur effizienteren Nutzung vorhandener Kapazitäten waren ein probates Mittel, um die Betriebsorganisation zu optimieren. 84% der vom Fachkräftemangel betroffenen Betriebe wählten diese Möglichkeit. Zusätzlich werden Dienstleistungen in den Bereichen Marketing oder Brillenfertigung (komplett oder teilweise) ausgelagert, um dem Fachkräftemangel zu begegnen und vorhandenes Fachpersonal für den Betriebsablauf effizienter einzusetzen.
Luft nach oben
Insgesamt zeichnet der Branchenreport viele wiederkehrende Muster in der Augenoptik, seien es die Felder Wettbewerb mit den Filialisten oder Fachkräftemangel. Allesamt Entwicklungsbereiche, die auch andere Branchen in Zukunft weiter angehen müssen. Zitiert sei hier Thomas Heimbach, Vorsitzender des Betriebswirtschaftlichen Ausschusses des ZVA, der zurecht betont, dass die im Bericht zusammengetragenen Entwicklungen eine Chance für Veränderungen sind – wenn man denn darüber Bescheid weiß. „Wem bewusst ist, wie die Branche funktioniert und wie Mitbewerber ticken, kann entsprechend reagieren. Nur so ist es möglich, sich trotz schwieriger Zeiten am augenoptischen Markt zu behaupten und sein Alleinstellungsmerkmal zu finden.“
Der gesamte Branchenbericht 2023/24 steht auf der ZVA-Website zum Download bereit: www.zva.de/branchenberichte